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«Das Fernlicht war an«, sagte ich.

«Ein nachlässiger Fahrer? Angetrunken?«

«Mag sein. «Ich schüttelte den Kopf.»Das eigentliche Problem ist, wenn der Wagen uns — oder Malcolm — überfahren hätte, wären vielleicht Zeugen dagewesen. Womöglich hätte man den Wagen gestoppt, bevor er das Auktionsgelände verlassen konnte. Oder man hätte sein Kennzeichen notiert.«

West lächelte traurig.»So etwas ist schon am hellichten Tag auf belebter Straße glatt abgelaufen.«

«Willst du behaupten«, herrschte mich Malcolm an,»daß der Wagen nicht versucht hat, mich umzubringen?«

«Nein, nur daß der Fahrer ein gewaltiges Risiko eingegangen ist.«

«Kamen denn Zeugen angelaufen?«fragte Malcolm eindringlich.»Hat uns jemand auch nur ein mitfühlendes Wort gesagt? Nein. Nichts dergleichen. Hat irgendwer den Fahrer anzuhalten versucht oder etwa die Nummer aufgeschrieben? Den Teufel haben sie.«

«Trotzdem«, sagte West,»Ihr Sohn hat recht. Jemand in aller Öffentlichkeit zu überfahren ist riskant. Wenn das hier versucht wurde — und, meine Herren, ich bestreite es nicht —, dann überwog der angestrebte Gewinn offenbar das Risiko, oder ehm, mit anderen Worten — «

«Mit anderen Worten«, unterbrach Malcolm finster,»Ian nimmt zu Recht an, daß man es noch mal versuchen wird.«

Norman West sah einen Augenblick unendlich müde aus, als seien die Sünden der Welt einfach zu schlimm, um darüber nachzudenken. Wahrscheinlich hatte er als Detektiv eine lebenslange Prozession von Tätern und Opfern an sich vorbeiziehen sehen; außerdem mußte er um die Siebzig sein und hatte die ganze Nacht nicht geschlafen.

«Ich übernehme Ihren Auftrag«, sagte er ohne Begeisterung, nicht gerade vor Selbstvertrauen strotzend, und ich warf einen Blick auf Malcolm, um zu sehen, ob er den Mann wirklich für die optimale Lösung hielt, Intelligenz hin oder her. Malcolm schien aber keine Zweifel zu haben und verwandte die nächsten fünf Minuten darauf, Honorare zu erörtern, die mir bedenklich bescheiden vorkamen.

«Und ich brauche eine Liste«, sagte West schließlich,»eine Liste von Leuten, die ich überprüfen soll. Namen, Adressen und Alltagsgewohnheiten.«

Malcolm sträubte sich unerwartet, als wäre die Überprüfung der» Familie«, dieser gestaltlosen Größe, etwas anderes als die Überprüfung jedes einzelnen, und so war ich es, der einen Bogen Savoy-Schreibpapier organisierte, um die Liste aufzustellen.

«Okay«, sagte ich,»da ist zunächst mal Vivien, die erste Frau meines Vaters. Mrs. Vivien Pembroke.«

«Nicht sie«, wandte Malcolm ein.»Das ist lächerlich.«

«Alle«, sagte ich bestimmt.»Ohne Ausnahme. Dann ist es allen gegenüber fair… denn es wird eine ausgesprochen wütende Verwandtschaft geben, wenn sie erst merken, was vorgeht.«

«Das durchschauen die nicht«, sagte Malcolm.

Frommer Wunsch, dachte ich.

Zu West sagte ich:»Sie telefonieren alle ständig miteinander, keineswegs etwa immer aus Freundschaft, sondern ziemlich oft aus Bosheit. Sie werden sich nicht gegen Sie zusammenrotten, denn sie bilden selten Allianzen untereinander. Manche von ihnen sind ziemlich gute Lügner. Glauben Sie nicht alles, was die übereinander sagen.«

«Ian!« protestierte Malcolm.

«Ich bin einer von ihnen, und ich weiß es«, sagte ich.

Unter Viviens Namen auf der Liste notierte ich die Namen ihrer Kinder: Donald, Lucy, Thomas.

«Thomas«, sagte ich,»ist verheiratet mit Berenice. «Ich setzte ihren Namen neben seinen.»Er ist leicht zu nehmen, sie nicht.«

«Sie ist eine Fünf-Sterne-Kuh«, sagte Malcolm.

West nickte nur.

«Lucy«, sagte ich,»ist mit einem Mann namens Edwin Bugg verheiratet. Dieser Nachname gefiel ihr nicht, und da sie ihn überredet hat, statt dessen ihren anzunehmen, ist sie auch eine Mrs. Pembroke.«

West nickte.

«Lucy ist Lyrikerin«, sagte ich.»Lyrikkenner sind von ihren Sachen überzeugt. Sie pflegt ein sehr weltfernes Image, das Edwin, glaube ich, inzwischen ermüdend findet.«

«Pah«, sagte Malcolm.»Edwin ist ein hundertprozentiger Materialist, der mich dauernd anpumpt.«

«Gibst du ihm was?«fragte ich interessiert.

«Nicht oft. Er zahlt’s mir nie zurück.«

«Knapp bei Kasse, die beiden?«erkundigte sich West.

«Edwin Bugg«, sagte Malcolm,»hat Lucy vor Jahren geheiratet, weil er sie für eine reiche Erbin hielt, und seitdem schlagen sie sich mit dem schmalen Einkommen aus dem Treuhandfonds durch, den ich für Lucy eingerichtet habe. Edwin hat in seinem parasitären Leben noch keinen Strich getan, und ich kann den Kerl nicht ausstehen.«

«Sie haben einen heranwachsenden Sohn«, sagte ich lächelnd,»der bei unserem letzten Gespräch von mir wissen wollte, wie man nach Australien auswandert.«

West blickte auf die Liste und fragte Malcolm:»Was ist mit Donald, dem Ältesten?«

«Donald«, sagte dessen Vater,»hat eine genaue Kopie seiner Mutter geheiratet, schön, aber hirnlos. Ein Mädchen namens Helen. Sie führen ein sterbenslangweiliges, rechtschaffenes Leben in Henley-on-Thames und turteln noch wie Jungvermählte miteinander, obwohl Donald schon fast fünfundvierzig sein dürfte.«

Niemand äußerte sich dazu. Malcolm selbst, der bald neunundsechzig wurde, konnte anderen noch etwas vorturteln, und mit unterdrücktem Schaudern mußte ich zum erstenmal an die sechste Heirat denken, denn wenn Malcolm uns erhalten blieb, kam die bestimmt. Er hatte noch nie lange allein gelebt. Krache waren ihm lieber als Einsamkeit.

«Kinder?«fragte Norman West in die Stille hinein.

«Drei«, sagte Malcolm.»Aufgeblasene kleine Esel.«

West blickte erwartungsvoll zu mir — und gähnte.

«Sind Sie zu müde, um das alles in sich aufzunehmen?«fragte ich.

«Nein, nur weiter.«

«Zwei von Donalds Kindern können noch nicht Auto fahren. Das älteste, eine Kunststudentin, ist einen Meter sechzig und zart gebaut. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie körperlich in der Lage ist, Malcolm bewußtlos zu schlagen, ihn vom Garten zur Garage zu schleppen und in Moiras Wagen zu verfrachten.«

«Sie hat auch nicht den Mut dazu«, sagte Malcolm.

«Das kann man nicht wissen«, widersprach ich.»Mut kann überall ganz unerwartet zutage treten.«

West warf mir einen neutralen Blick zu.»Gut«, meinte er und nahm die Liste an sich, um sie selber zu ergänzen.

«Bis jetzt haben wir folgendes. Frau Nr. 1: Vivien Pembroke. Ihre Kinder Donald (44), Gattin Helen, drei Sprößlinge. Lucy, Gatte Edwin (geb. Bugg), heranwachsender Sohn. Thomas, Gattin Berenice…?«:

«Zwei junge Töchter.«

«Zwei junge Töchter«, wiederholte er beim Schreiben.

«Meine Enkel«, wandte Malcolm ein,»sind alle zu jung, um einen Mord zu begehen.«

«Psychopathen fangen in der Kinderstube an«, sagte West lakonisch.»Gibt es Anzeichen von krankhafter Aggressivität bei irgendeinem? Ungewöhnliche Grausamkeit oder dergleichen? Zwanghafte Haßgefühle?«

Malcolm und ich schüttelten den Kopf, aber beide mit einer gewissen Unsicherheit; er vielleicht wegen etwas, das er wußte, ich wegen allem, was ich nicht wußte, all der Dinge, die im verborgenen liegen konnten.

«Fängt Habgier auch in der Kinderstube an?«sagte ich.

«Würde ich nicht meinen — Sie etwa?«antwortete West.

Ich schüttelte erneut den Kopf.»Ich denke, das ist ein Erwachsenenübel und wächst mit der Gelegenheit. Je mehr es zu holen gibt, um so gieriger werden die Leute.«

Malcolm sagte, nur halb als Frage:»Mein Vermögen korrumpiert… im Verhältnis zu seinem Umfang?«

«Du stehst nicht allein«, sagte ich trocken.»Denk bloß an die vielen Milliardärsfamilien, deren Kinder bereits mit Millionen versorgt sind und die sich trotzdem noch wie Katzen um die Reste balgen, wenn der Vater stirbt.«