«Gehen Sie ruhig auf vierstellige Zahlen runter«, sagte West unerwartet.»Oder auf dreistellige. Ich habe schon entsetzliche Bosheit wegen ein paar Hundertern erlebt. Und die Anwälte reiben sich dabei die Hände und sahnen ab. «Er seufzte, teils aus Ernüchterung, teils aus Müdigkeit.
«Frau Nr. 2?«fragte er und beantwortete seine Frage selbst.»Mrs. Joyce Pembroke.«
«Richtig«, sagte ich.»Ich bin ihr Sohn. Sonst hat sie keine Kinder. Und ich bin ledig.«
West notierte mich gewissenhaft.
«Vorigen Freitag abend«, sagte ich,»habe ich um fünf noch in einem Reitstall gearbeitet, was etwa dreißig Personen bezeugen können, und gestern abend saß ich mit Sicherheit nicht am Steuer des Wagens, der uns beinah überfahren hat.«
West sagte stur:»Ich vermerke, daß eine direkte Beteiligung Ihrerseits ausgeschlossen ist. Mehr kann ich für niemand aus Ihrer Familie tun, Mr. Pembroke. «Er beendete den Satz mit einem Blick auf Malcolm, der leise» gedungene Mörder «einwarf, worauf West nickte.»Sollte einer von ihnen einen guten Profi engagiert haben, zweifle ich, ob ich das herausfinde.«
«Ich dachte, gute Killer arbeiten mit dem Gewehr«, sagte ich.
«Manche ja. Die meisten nicht. Sie wählen ihre eigene Methode. Manche nehmen ein Messer. Andere die Garotte. Ich weiß von einem, der seine Opfer auf ihrem gewohnten Weg zur Arbeit an Verkehrsampeln erwartet hat. Eines Tages war die Ampel rot, das Opfer hielt an. Der Killer klopfte an die Fensterscheibe, stellte eine Frage… jedenfalls nimmt man das an. Das Opfer drehte die Scheibe runter, und der Killer schoß ihm glatt in den Kopf. Bis die Ampel auf Grün sprang und das Hupkonzert der anderen Autos anfing, war der Killer über alle Berge.«
«Ist er je gefaßt worden?«fragte ich.
West schüttelte den Kopf.»Acht prominente Geschäftsleute starben auf diese Art, innerhalb zwei Jahren. Dann hörte es auf. Keiner weiß, warum. Ich nehme an, der Killer hat den Mut verloren. Das kommt in jedem Beruf vor.«
Ich dachte an Hindernisjockeys, bei denen es fast über Nacht geschah, und Börsenmaklern konnte es wohl auch passieren. In jedem Beruf, wie er sagte.
«Oder man hat ihn umgelegt, weil er zuviel wußte«, sagte Malcolm.
«Das ist auch möglich. «West sah auf die Liste.»Nach Mrs. Joyce?«
Malcolm sagte säuerlich:»Die Dame, mit der Sie mich auf Veranlassung von Mrs. Joyce, wie Sie sie nennen, so kunstvoll fotografiert haben.«
Wests Augenbrauen hoben sich langsam.»Miß Alicia Sandways? Mit zwei kleinen Jungs, wenn ich nicht irre?«
«Die kleinen Jungs sind jetzt 35 und 32«, sagte ich.
«Ja. «Er seufzte.»Wie gesagt, ich habe die Akte kürzlich ausgegraben. Mir war nicht klar, daß ehm… Nun, das wäre also
Gattin Nr. 3, Mrs. Alicia Pembroke. Und ihre Kinder?«
Malcolm sagte:»Die beiden Jungs, Gervase und Ferdinand. Ich habe sie offiziell adoptiert, als ich ihre Mutter heiratete, und ihren Nachnamen in Pembroke geändert. Dann bekamen wir die kleine Serena«, sein Gesicht wurde weich,»und ihr zuliebe habe ich mich die letzten Jahre unseres Zusammenseins mit Alicias schlechter Laune abgefunden. Alicia war eine wundervolle Geliebte, aber eine miserable Frau. Fragen Sie mich nicht, warum. Ich habe ihr jeden Wunsch erfüllt, sie konnte mit meinem Haus anstellen, was sie wollte, und zum Schluß war sie mit nichts zufrieden. «Er zuckte die Achseln.»Bei der Scheidungsregelung zeigte ich mich großzügig, doch sie war sehr verbittert. Ich wollte die kleine Serena behalten… und Alicia schrie mich an, daß ich auf die Jungs wohl keinen Wert legte, weil sie unehelich seien. Sie kämpfte vor Gericht um Serena und gewann… Sie hat die Köpfe all ihrer Kinder mit Groll gegen mich erfüllt. «Die alte Kränkung trat klar zutage.»Serena sprach davon, zurückzukommen und für mich zu sorgen, als Coochie starb, doch das mußte nicht sein, weil Moira da war. Als Moira starb, bot sie es mir auch wieder an. Gut gemeint von Serena. Sie ist wirklich ein nettes Mädchen, aber Alicia versucht, sie gegen mich einzunehmen.«
West, dessen Schweigen vielleicht mitfühlend war, vielleicht auch nicht, schrieb unter Alicias Namen: Gervase. Unehelich geboren, später adoptiert Ferdinand. Dito Serena. Ehelich.
«Sind sie verheiratet?«fragte er.
«Gervase hat eine Frau namens Ursula«, sagte ich.»Die kenne ich nicht gut, da sie normalerweise zusammen sind, wenn ich sie sehe, und dann führt Gervase immer das Wort. Sie haben wie Thomas zwei kleine Mädchen.«
West schrieb das auf.
«Ferdinand«, sagte ich,»hat in rascher Folge zwei hinreißende Schönheiten geheiratet. Die erste, eine Amerikanerin, ist zurück in die Staaten. Die zweite, Deborah, kurz Debs, wohnt noch bei ihm. Bisher keine Kinder.«
West schrieb.
«Serena«, sagte ich,»ist unverheiratet.«
West beendete diesen Abschnitt der Liste.»Soweit also Gattin Nr. 3, Mrs. Alicia Pembroke, Kinder wie folgt: Gervase, Frau Ursula, zwei kleine Töchter. Ferdinand, jetzige Frau Debs, keine Kinder. Serena, unverheiratet… ehm, verlobt vielleicht? Lebensgefährte?«
«Nicht, daß ich wüßte«, sagte ich, und Malcolm schloß sich meiner Aussage an.
«Gut«, meinte West.»Gattin Nr. 4?«
Ein kurzes Schweigen trat ein. Dann sagte ich:»Coochie. Sie ist tot. Sie hatte Zwillingssöhne. Einer starb zusammen mit ihr bei einem Autounfall, der andere ist hirngeschädigt und lebt in einem Pflegeheim.«
«Oh. «Der Laut enthielt jetzt eindeutig Mitgefühl.»Und Gattin Nr. 5, Mrs. Moira Pembroke, hatte sie vielleicht Kinder aus einer früheren Ehe?«
«Nein«, sagte Malcolm,»keine vorherige Ehe, keine Kinder.«
«Schön. «West zählte seine Liste durch.»Das wären drei Exfrauen. ehm, übrigens, hat sich eine von ihnen wieder verheiratet?«
Ich antwortete mit einem Lächeln:»In dem Fall würden sie ihren Unterhalt verlieren. Malcolm war mit der Regelung bei allen ziemlich großzügig. Vom Finanziellen her sah keine einen Sinn darin, sich wieder zu verheiraten.«
«Hätten sie mal tun sollen«, brummte Malcolm.»Dann wären sie nicht so verdreht.«
West sagte lediglich:»Gut. Ferner, ehm, sechs Söhne, zwei Töchter. Vier derzeitige Schwiegertöchter, ein Schwiegersohn. Enkelkinder… zu jung. Somit sind, ehm, wenn wir den behinderten Sohn und Mr. Ian hier beiseite lassen, vierzehn Erwachsene zu überprüfen. Dafür brauche ich mindestens eine Woche. Wahrscheinlich länger.«
«So schnell es geht«, sagte ich.
Er sah wirklich aus, als hätte er kaum die Kraft und die Zuversicht, zur Tür hinauszugehen, geschweige denn sich einer Aufgabe anzunehmen, die offensichtlich mühevoll war.
«Kann ich allen mitteilen, warum ich diese Erkundigungen einziehe?«fragte er.
«Und ob Sie das können«, sagte Malcolm bestimmt.
«Wenn es einer von ihnen ist — und da sei Gott vor —, dann macht’s ihm vielleicht angst und schreckt ihn ab. Sagen Sie nur keinem, wo ich zu finden bin.«
Ich sah mir die Liste an. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß irgendeiner von ihnen so kriminell war, aber andererseits trieb Habgier auch Leute, die sonst vernünftig waren, zu unvernünftigen Taten. Alle möglichen Leute… Mir war ein Fall von zwei Männern bekannt, die in das Haus einer soeben gestorbenen Verwandten marschiert waren, den Schlafzimmerteppich unter dem Bett der Toten hervorgezogen, ihn aufgerollt und mitgenommen hatten, bloß um sich ihr bestes Stück zu sichern, bevor die übrige Familie erschien. Ich hatte es nicht glauben wollen. Die Kusine der alten Frau, die jede Woche bei mir saubermachte, war über die Angelegenheit sehr empört gewesen, aber nicht ihrer Tante wegen.»Es war der einzige gute Teppich im Haus«, hatte sie geschimpft.»Fast neu. Ihr einzig wertvoller Besitz. Von Rechts wegen hätte er mir zugestanden. Jetzt komme ich da nicht mehr ran.«
«Ich brauche noch die Adressen«, sagte West.
Malcolm winkte mit der Hand.»Ian hat sie. Er soll sie Ihnen aufschreiben.«