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«Jungs sind nun mal Tyrannen.«

«Gervase ist immer noch einer.«

Wer von uns, dachte ich, war nicht mehr so wie damals in dem grünen Garten? Donald, Lucy, Thomas, Gervase, Ferdinand, Serena — alle hatten vor langer Zeit dort gespielt, helle Kinderstimmen im Gebüsch, die Erwachsenen, die wir werden sollten, schon angelegt in den schlaksigen Gliedern, den glatten Gesichtern, dem tastenden Verstand. Keins von diesen Kindern… keiner von uns… dachte ich protestierend, hätte töten können.

Serena kam mit einem weißen Spitzenneglige in der Hand ins Wohnzimmer und sah merkwürdig schockiert aus.

«Du hattest eine Frau hier!«sagte sie.

«Das ist doch nicht verboten.«

Debs, die hinter ihr herkam, zeigte eine normalere Reaktion.»Größe 10, gutes Parfüm, teurer Geschmack, Klassefrau«, sagte sie.»Gut geraten?«

«Nicht schlecht.«

«Ihre Gesichtscreme ist im Bad«, sagte Serena.»Du hast uns nie was erzählt von einer… einer.«

«Freundin«, sagte ich.»Und hast du. einen Freund?«

Sie schnitt unwillkürlich ein angewidertes Gesicht und schüttelte den Kopf. Debs legte schwesterlich einen Arm um Serenas Schultern und sagte:»Ich rate ihr dauernd, eine Sextherapie zu machen, weil sie sonst noch als vertrocknete alte Jungfer endet, aber sie hört einfach nicht, was, Liebchen?«

Serena wand sich von ihr los und stelzte in den Flur hinaus.

«Hat sich mal jemand an ihr vergangen?«fragte ich Ferdinand.»Kommt mir fast so vor.«

«Nicht, daß ich wüßte. «Er zog die Brauen hoch.»Gesagt hat sie nie etwas davon.«

«Sie hat nur Angst vor Sex«, meinte Debs fröhlich.»Man sollte nicht glauben, daß es das heute noch gibt. Ferdinand hat keine Angst davor, was, Hase?«

Ferdinand reagierte nicht darauf, sondern sagte:»Wir sind hier fertig, glaube ich. «Er trank seinen Scotch aus, setzte sein Glas ab und starrte mich kalt an, wie um kundzutun, daß alles, was ich im Lauf des Nachmittags zwischen uns als einsetzendes Tauwetter wahrgenommen haben könnte, jetzt aus und vorbei war. Klirrend hatte sich der Eisvorhang geschlossen.

«Wenn du uns bei Malcolm ausbootest«, sagte er,»wird dir das noch leid tun.«

Wider Willen gekränkt und etwas bissig fragte ich:»Sind das auch wieder Alicias Worte?«

«Du kannst mich mal, Ian«, sagte er verärgert und rief, schon auf dem Weg zur Tür:»Serena, wir fahren«, so daß ihr keine andere Wahl blieb, als sich ihnen anzuschließen.

Debs warf mir einen gespielt schaudervollen Blick zu, als sie hinter ihnen herging.»Du bist Alicias Hauptbösewicht, dein Pech, Schätzchen. Laß die Krallen von Malcolms Geld, sonst wirst du dein blaues Wunder erleben.«

Eine grimmige Drohung lag in ihren letzten Worten, und als das spaßhafte Gebaren umschlug, begriff ich, daß es nur eine Fassade war, hinter der sich die gleichen Ängste und Wutgefühle verbargen wie bei allen anderen, und ihre Augen waren, als sie hinausging, genauso unfreundlich.

Mit Bedauern sah ich vom Fenster aus zu, wie die drei in Ferdinands Auto stiegen und losfuhren. Wer glaubte, man könnte zu den unverdorbenen Gefühlen der Kindheit zurückkehren, machte sich etwas vor, und ich mußte wohl aufhören, mir das zu wünschen. Ich wandte mich ab, spülte Ferdinands Glas aus und ging in mein Schlafzimmer, um zu sehen, wie Serena es zurückgelassen hatte.

Das weiße Neglige lag auf meinem Bett. Ich hob es auf und hängte es in den Schrank, wobei ich meine Wange an dem Stoff rieb und noch den süßen Duft der Dame roch, die hin und wieder auf ein unbeschwertes Zwischenspiel vorbeikam, wenn ihr nahezu impotenter und dennoch geliebter Mann nicht zu Hause war. Wir paßten gut zueinander: vollkommen glücklich in flüchtiger Leidenschaft, ohne Bindungsabsichten.

Ich sah mich in der Wohnung um, riß ein paar Briefe auf und fragte den Anrufbeantworter ab: nichts Besonderes dabei. Ich dachte eine Weile über Autos nach. Vor zwei Tagen hatte ich telefonisch mit dem Hotel in Cambridge vereinbart, daß mein Wagen gegen eine Tagesgebühr auf ihrem Parkplatz bleiben durfte, bis ich ihn abholte, aber ewig konnte ich ihn dort nicht stehen lassen. Wenn ich ein Taxi zum Bahnhof Epsom nahm, überlegte ich, könnte ich mit dem Zug nach London fahren. Morgen früh würde ich dann die Bahn nach Cambridge nehmen, mein Auto abholen, noch mal hier vorbeikommen, in den Leihwagen umsteigen und damit zurück nach London fahren. Da Ferdinand — und durch ihn auch die anderen — seine Farbe, Marke und Nummer kannte, wäre es vielleicht noch etwas sicherer, diesen Wagen abzugeben und einen anderen zu mieten.

Das Telefon klingelte. Ich nahm ab und hörte eine vertraute Stimme, warm und kehlig, die gleich zur Sache kam.

«Wie wär’s jetzt?«sagte sie.»Wir hätten eine Stunde.«

Ich konnte ihr selten widerstehen. Versuchte es auch selten.

«Eine Stunde wäre toll. Ich habe gerade an dich gedacht.«

«Gut«, sagte sie.»Bis dann.«

Ich hörte auf, mich um Autos zu sorgen, und dachte statt dessen an das weiße Spitzenneglige; sehr viel verlockender. Ich stellte zwei Sektgläser auf den Tisch am Sofa und sah auf meine Uhr. Malcolm konnte kaum schon wieder im Savoy sein, aber einen Versuch war es wert; und tatsächlich meldete er sich am Telefon und sagte, er sei gerade im Moment in die Suite gekommen.

«Freut mich, daß du wohlbehalten zurück bist«, sagte ich.»Ich bin ein bißchen aufgehalten worden. Komme erst in zwei, drei Stunden. Halt die Ohren steif.«

«Deine Mutter ist ein Drachen.«

«Sie hat deine Haut gerettet.«

«Sie hat mich einen pockennarbigen alten Wüstling genannt, der rausgeputzt sei wie ein fünftklassiger Pastetenbäcker.«

Ich lachte und konnte seinen finsteren Blick durch die Leitung spüren.

«Was möchtest du nach dem Kaviar«, sagte er,»wenn ich Abendbrot bestelle?«

«Irgend etwas nach Art des Chefs.«»Gott strafe dich, du bist genauso schlimm wie deine Mutter.«

Ich legte amüsiert den Hörer auf und wartete die zwanzig Minuten ab, die vergehen würden, bis es an der Tür klingelte.

«Hallo«, sagte sie, als ich sie einließ.»Wie war das Rennen?«

Ich küßte sie.»Dritter Platz.«

«Gratuliere.«

Sie war zehn oder zwölf Jahre älter als ich, außerdem schlank, mit kupferroten Haaren und unbefangen. Ich holte den stets bereiten Champagner aus dem Kühlschrank, ließ den Korken knallen und schenkte uns zu trinken ein. Das war mehr ein ritueller Auftakt, denn leerbekommen hatten wir die Flasche noch nie, und wie gewohnt war es nach einem halben Glas überflüssig, auf dem Sofa herumzusitzen und zu plaudern.

Sie erschrak über den langen blauen Bluterguß an meinem Oberschenkel.»Bist du vom Pferd gefallen?«

«Nein, gegen ein Auto gerannt.«

«Wie unvorsichtig.«

Ich zog die Schlafzimmervorhänge zu, um die im Westen untergehende Sonne auszublenden, und legte mich nackt mit ihr zwischen die Laken. Wir waren ein erfahrenes Liebespaar, vertraut miteinander, und nahmen es gelassen hin, daß die Vereinigung für den einen meistens besser war als für den anderen, selten weltbewegend für beide gleichzeitig. An diesem Tag wurde es wie beim vorigen Mal für sie ekstatisch, für mich weniger, und ich fand die Freude, solche Freude zu schenken, an sich schon genug.

«War es gut für dich?«fragte sie schließlich.

«Ja, natürlich.«

«Kein Höhenflug.«

«Das geht nicht auf Bestellung. Mal du, mal ich. Es ist Glückssache.«»Hängt von der Reibung und den Winkeln ab«, neckte sie mich, indem sie einen Ausspruch von mir wiederholte.

«Wer duscht zuerst?«

Sie kehrte gern sauber zu ihrem Mann zurück und betrachtete das Waschen als symbolische Handlung. Ich duschte, zog mich an und wartete im Wohnzimmer auf sie. Sie war ein wesentlicher Bestandteil meines Lebens, eine Wohltat für den Körper, ein Ort inneren Friedens, ein Bollwerk gegen die Einsamkeit. Normalerweise nahm ich bedauernd von ihr Abschied und wußte dabei, daß sie wiederkommen würde, doch an diesem Nachmittag sagte ich:»Bleib«, obwohl mir klar war, daß sie es nicht konnte.