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Malcolm verbrachte den Nachmittag in seinem Büro, las die Post, telefonierte mit seinem Börsenmakler und schickte sich zur gewohnten Zeit an, den Abendspaziergang mit den Hunden zu machen.

«Ich komme mit«, sagte ich.

Er nickte wortlos, und in der frischen Luft des beginnenden Oktobers gingen wir den Garten entlang, durch das Tor auf die Wiese und über die Wiese zu dem Bach, der auch vor zehn Tagen sein Ziel gewesen war.

Als Kinder hatten wir auf diesem Bach immer Spielzeugboote schwimmen lassen und Brunnenkresse am Ufer gepflückt und waren dabei selbstverständlich pitschnaß und dreckig geworden. Alicia hatte uns mehr als einmal befohlen, frische Sachen anzuziehen, bevor sie uns in ihre bräutlich weiße Küche ließ.

«Vorigen Montag«, sagte Malcolm beiläufig und sah den Hunden zu, die um die Baumwurzeln herum nach Wasserratten schnüffelten,»habe ich ein neues Testament aufgesetzt.«

«So?«

«Ja. In Cambridge. Ich dachte, das wäre ganz gut. Im alten fiel eine Menge an Moira. Und dann… nach dem Freitag… tja, da wollte ich die Angelegenheit regeln für den Fall, daß… für alle Fälle.«

«Was hast du damit gemacht?«fragte ich.

Er schien belustigt.»Die naheliegende Frage wäre doch wohclass="underline" Was steht drin? Was hast du mir vermacht?«

«M-hm«, sagte ich trocken.»Das will ich nicht wissen. Meine Frage ist zweckmäßiger.«

«Ich habe es bei dem Anwalt in Cambridge hinterlegt.«

Wir wanderten langsam weiter auf den Bach zu, die Hunde streiften eifrig umher. Beim nächsten Windstoß würden die gelben Weidenblätter haufenweise abfallen, und irgendwo in der unbewegten Luft hing der Rauch von Kartoffelfeuer.

«Wer weiß, wo dein Testament ist?«fragte ich.

«Ich weiß es. Und der Anwalt.«

«Wer ist der Anwalt?«

«Ich sah seinen Namen auf einer Messingtafel an einer Kanzlei und ging kurzentschlossen zu ihm. Ich habe seine Karte irgendwo. Wir besprachen, was ich wollte, er ließ es tippen, ich unterschrieb es an Ort und Stelle mit Zeugen und gab es ihm zur Aufbewahrung.«

«Für einen Mann von hoher Intelligenz«, sagte ich ruhig,»hast du ein ziemliches Brett vor dem Kopf.«

Kapitel 9

Malcolm sagte aufbrausend:»Du bist verdammt grob«, und nach einer Pause:»Wieso habe ich ein Brett vor dem Kopf? Das neue Testament war unerläßlich.«

«Und wenn du gestorben wärst, ohne mir oder sonst jemand zu sagen, daß du es aufgesetzt hast und wo es sich befindet?«

«Oh. «Er war bestürzt, dann leuchtete sein Gesicht auf.»Der Anwalt hätte sich gemeldet.«

«Wenn dein Name ihm ein Begriff gewesen wäre, wenn er eine Ahnung gehabt hätte, um was für Summen es geht, wenn er gehört hätte, daß du tot bist, wenn er gewissenhaft wäre und wenn er gewußt hätte, an wen er sich wenden kann. Wäre er faul, brauchte er sich nicht darum zu kümmern, er ist keineswegs verpflichtet. Falls du nicht ein bißchen mit deinem Reichtum angegeben hast, wird er innerhalb eines Monats vergessen haben, daß dein Testament in seinen Akten liegt.«

«Mir scheint, du weißt erstaunlich viel darüber.«

«Joyce hat jahrelang in der kommunalen Rechtsberatung gearbeitet, erinnerst du dich? Immer wieder habe ich finstere Geschichten von Familien gehört, die sich um ein unauffindbares, bestimmt aber existierendes Testament gezankt haben. Und ebenso finstere Geschichten von Familienangehörigen, die wußten, wo das Testament war, und es verbrannt haben, bevor jemand anderes dran kam, wenn ihnen der Inhalt nicht gepaßt hat.«

«Deswegen habe ich es ja in Verwahrung gegeben«, sagte Malcolm.»Genau deshalb.«

Wir erreichten die äußere Grenze der Wiese. Der Bach floß durch das Nachbargrundstück weiter, doch wir kehrten an dieser Stelle um.

«Was sollte ich denn tun?«fragte er.»Hast du einen Vorschlag?«

«Schick es an die Hauptgeschäftsstelle des Nachlaßgerichts in Somerset House.«

«Wie meinst du das?«

«Joyce hat mir mal davon erzählt. Du steckst dein Testament in einen besonderen Umschlag, den du auf Anfrage erhältst, dann sendest du es dem Nachlaßgericht oder gibst es dort ab. Sie registrieren dein Testament und nehmen es in Verwahrung. Wenn jemand stirbt und ein Rechtsanwalt, ganz gleich wo, um Testamentsbestätigung ersucht, prüft die Geschäftsstelle routinemäßig ihre Kartei. Hat sie jemals ein Testament für den Betroffenen erfaßt, dann wird dieser Umschlag geöffnet, und das Testament, das er enthält, wird bestätigt.«

Er dachte darüber nach.»Heißt das, wenn ich beim Nachlaßgericht ein Testament einreiche, mich dann anders besinne und ein neues abfasse, schert sich niemand darum?«

«Du müßtest das alte Testament zurückfordern und das neue registrieren lassen. Sonst hielte man sich an das alte Testament.«

«Guter Gott. Ich hatte von alldem keine Ahnung.«

«Joyce meint, das sei zuwenig bekannt. Sie sagt, die Leute brauchen nur ihr Testament eintragen zu lassen, dann könnte man sie nicht mehr zwingen, es zu ändern, wenn sie weggetreten sind, verängstigt sind oder im Sterben liegen. Zumindest wären so entstandene Testamente dann wertlos.«

«Ich habe über die ehrenamtliche Tätigkeit von Joyce eigentlich immer gelacht. Kam mir wie ein Spleen vor. «Er seufzte.»Anscheinend hatte es doch seinen Nutzen.«

Die kommunale Rechtsberatung, besetzt von Heerscharen kundiger Joyces, konnte einen von der Wiege bis zum Grab geleiten, von der Heirat zur Scheidung und zum Testament, vom Kindergeld bis zur Altersrente. Ich hatte Joyces Erzählungen nicht immer aufmerksam zugehört, aber sie hatte mich verschiedentlich in die Beratungsstelle mitgenommen, und anscheinend hatte ich dabei mehr aufgeschnappt, als mir bewußt gewesen war.

«Ich habe eine Kopie von dem neuen Testament«, sagte Malcolm.»Die zeige ich dir, wenn wir reingehen.«

«Brauchst du nicht.«

«Mir ist lieber, du siehst es.«

Ich widersprach nicht. Er pfiff den Hunden, die widerwillig vom Bach abließen, und wir kehrten durch das Tor in den Garten zurück.

«Warte mal eben, bis ich das Haus kontrolliert habe«, sagte ich.

Er wunderte sich.»Wir waren doch bloß eine halbe Stunde weg. Und wir haben abgeschlossen.«

«Du gehst regelmäßig um diese Zeit eine halbe Stunde raus. Und wie viele von der Familie haben noch Schlüssel fürs Haus?«

Er schwieg. Alle, die je hier gewohnt hatten, konnten ihre Hausschlüssel behalten haben, und bis jetzt war es nie erforderlich gewesen, die Schlösser auszuwechseln.

«Wartest du also?«fragte ich, und er nickte traurig.

Die Küchentür war noch abgesperrt. Ich schloß sie auf und ging erneut durch das ganze Haus, aber es war ruhig und unberührt, und die Türen, die ich in einem bestimmten Winkel offengelassen hatte, waren immer noch so.

Ich rief Malcolm. Er kam in die Küche und fing an, den Hunden ihr Futter zuzubereiten.

«Willst du diese umständliche Kontrolle jedesmal vornehmen, wenn wir aus dem Haus gehen?«sagte er nicht gerade begeistert.

«Ja, bis wir die Schlösser ausgewechselt haben.«

Das schien ihm auch nicht zu gefallen, aber er gab seiner Mißbilligung nur dadurch Ausdruck, daß er die Stirn runzelte und etwas zu heftig Hundefutter aus der Dose kratzte.

«Tu Wasser in die Schüsseln«, sagte er ziemlich unwirsch, und ich tat es und stellte sie wieder auf den Boden.

«Die Schlösser sind nicht ohne weiteres auszuwechseln«, sagte er.»Wie du weißt, sind es lauter in die Türen eingelassene Steckschlösser. Das an der Haustür ist antik.«

Die Haustürschlüssel waren fünfzehn Zentimeter lang und reich verziert, und soviel ich wußte, hatte es immer nur drei davon gegeben.