Выбрать главу

Jeder sah es.

«Dann haben wir diese Wand hier«- er zeigte auf die zwischen dem einstigen Wohnzimmer und dem noch vorhandenen Eßzimmer —,»in die der Kamin eingebaut ist; das ist eine der Mauern, die am meisten tragen. Sie geht durch bis zum Dach. Auf der anderen Seite mehr oder weniger das gleiche. Diese beiden starken Wände haben verhindert, daß die Explosion sich seitlich ausbreitet, außer ein bißchen durch die

Türen. «Er wandte sich direkt an Malcolm.»Ich habe schon viele zerstörte Bauten gesehen, Sir, hauptsächlich zwar ausgebrannte, aber auch Gasexplosionen, und ich würde sagen — und wohlgemerkt, Sie müßten da noch ein richtiges Gutachten einholen —, aber wenn ich mir das Haus so ansehe, würde ich sagen, es hat zwar einen tüchtigen Schlag abgekriegt, aber Sie könnten in Erwägung ziehen, es wieder instand zu setzen. Guter, solider viktorianischer Bau, sonst wäre er zusammengefallen wie ein Kartenhaus.«

«Vielen Dank«, sagte Malcolm schwach.

Der Feuerwehrmann nickte.»Lassen Sie sich von keinem Abbruchhai was anderes weismachen, Sir. Ich kann’s nicht leiden, wenn man Leute, die ein Unglück trifft, begaunert. Das hab ich schon oft erlebt, und es fuchst mich. Von mir haben Sie eine ehrliche Meinung gehört. Ich kann so oder so nichts dabei gewinnen.«

«Wir sind Ihnen alle dankbar«, sagte ich.

Er nickte befriedigt, und endlich fand Gervase seine Stimme wieder.

«Was für eine Bombe war das?«fragte er.

«Damit, Sir, kenne ich mich nicht aus. Da müssen Sie auf die Experten warten. «Der Feuerwehrmann wandte sich an den Kommissar.»Wir haben den Strom an dem Zähler in der Garage abgestellt, als wir herkamen, und auch das Wasser in einem Schacht vorne am Tor. Der Tank unterm Dach war durch die geplatzten Rohre oben leergelaufen — das Wasser lief noch, als wir herkamen, und ist jetzt unter dem Schutt versickert. Ich kann nichts sehen, was einen Brand entfachen könnte. Wenn Sie in die Seitenräume im ersten Stock wollen, brauchen Sie eine Leiter, die Treppe ist blockiert. Für die Zwischenwände oben kann ich nicht garantieren; wir haben durch die Fenster geschaut, waren aber nicht drin, da müssen Sie Vorsicht walten lassen. Ins Dachgeschoß sind wir nicht rauf gestiegen, bloß ein kurzer Blick von der Leiter aus. Aber im Eßzimmer hier unten und in dem großen Zimmer hinter dem Schutt müßten Sie sich aufhalten können, und auch in der Küche und dem Raum, der nach vorn rausgeht.«

«Mein Büro«, sagte Malcolm.

Der Kommissar nickte, und mir fiel ein, daß er von wiederholten früheren Besuchen wohl schon mit dem Grundriß des Hauses vertraut war.

«Wir haben hier getan, was wir können«, sagte der Feuerwehrmann.»In Ordnung, wenn wir jetzt abschieben?«

Der Kommissar war einverstanden, begleitete ihn ein paar Schritte zu einem Vieraugengespräch, und die Familie begann aus dem Scheintod zu erwachen.

Die Pressefotografen rückten näher und knipsten uns aufs Geratewohl, und ein Mann und eine Frau von zwei verschiedenen Zeitungen stellten immer wieder die gleichen Fragen. Nur Gervase schien das erträglich zu finden und gab die Antworten allein. Malcolm setzte sich auf den Kiefernstuhl, der noch draußen stand, legte die Wolldecke um und zog sich bis zu den Augen darin zurück wie ein Indianer.

Vivien, die ihn erspähte, trabte an und sagte ihm, sie sei müde vom Stehen und müsse sich hinsetzen; es sei bezeichnend für seine Eigensucht, daß er sich den einzigen Stuhl schnappe, und eine Beleidigung für sie als die älteste anwesende Frau. Angewidert blickte Malcolm zu ihr hoch, stand auf und entfernte sich ein ganzes Stück, während sie mit einem selbstzufriedenen Grinsen seinen Platz einnahm. Meine Abneigung gegen Vivien spitzte sich zu wie ihre Wangenknochen und wurde giftig wie ihr Mund.

Alicia, die sich gefangen hatte, zog ihre flatterige Weibchennummer vor den Reportern ab, trug den Charme besonders dick auf und stellte Serenas Kleinmädchenmasche noch in den Schatten. Als ich sie so zusammen sah, dachte ich, daß es schwer sein mußte für Serena, eine Mutter zu haben, die nicht reifen wollte, die sich mit Ende Fünfzig noch benahm wie mit Achtzehn, die ihrer Tochter seit Jahren den natürlichen Weg zum Erwachsenwerden versperrte. Mädchen brauchten eine mütterliche Mutter, hatte ich mir sagen lassen, und die fehlte Serena. Jungs brauchten auch eine, und Joyce war keine, aber ich hatte die ganze Zeit einen Vater gehabt und schließlich auch noch Coochie; Serena hingegen hatte beides nicht gehabt, und das war ein himmelweiter Unterschied.

Edwin tat sich genausoschwer damit wie Donald, Freude über Malcolms Rettung herauszukehren.

«Für dich ist ja alles in Butter«, fuhr er mich an, als er meinen ironischen Blick in seine Richtung auffing.»Mich verachtet Malcolm — das brauchst du gar nicht abzustreiten, er zeigt es deutlich genug —, und ich sehe nicht ein, weshalb mir viel an ihm liegen sollte. Natürlich würde ich nicht seinen Tod wollen.«

«Natürlich nicht«, murmelte ich.

«… aber wenn, ja wenn er gestorben wäre…«Er hielt ein, hatte letztlich nicht den Mut, es offen auszusprechen.

«Wärst du froh gewesen?«sagte ich.

«Nein. «Er räusperte sich.»Ich hätte mich damit abfinden können«, sagte er.

Ich lachte fast.»Prima für dich, Edwin«, meinte ich.»Mach so weiter, Junge.«

«Mit deinem Tod hätte ich mich auch abfinden können«, sagte er steif.

Nun ja. Das hatte ich wohl herausgefordert.

«Verstehst du was von Bomben?«fragte ich.

«Die Frage ist lächerlich«, sagte er und stapfte davon, während mir durch den Kopf ging, daß er nach Norman Wests Auskünften beinah täglich eine Stunde in der Bücherei zubrachte — wo man bestimmt etwas über Bombenherstellung erfahren konnte, wenn man lange genug suchte.

Berenice sagte böse zu mir:»Es ist nur deine Schuld, daß Thomas keine Arbeit hat.«

Ich staunte.»Wie kommst du denn darauf?«

«Er war so beunruhigt über Malcolms Verhalten, daß er sich nicht konzentrieren konnte und Fehler gemacht hat. Er meint, du könntest Malcolm dazu bringen, uns zu helfen, aber ich sage ihm natürlich, daß du gar nicht daran denkst, warum solltest du, du bist ja Malcolms Häschen.«

Das letzte Wort spuckte sie fast, wobei die Wut auch aus ihren Augen schäumte und alle Sehnen ihres Halses straffte.

«Das hast du Thomas gesagt?«fragte ich.

«Es ist doch wahr«, fauchte sie.»Vivien sagt, du warst schon immer Malcolms Liebling, und er war noch nie fair zu Thomas.«

«Er ist immer zu uns allen fair gewesen«, versicherte ich, aber natürlich glaubte sie mir nicht.

Sie war vier oder fünf Jahre älter als Thomas und hatte ihn geheiratet, als sie schon weit über dreißig war und (so Joyce gehässig) einen Ausweg aus der Torschlußpanik suchte. Bei ihrer Trauung vor zehn Jahren war sie eine dünne, leidlich attraktive Frau gewesen, die das Glück aufleben ließ. Thomas hatte Stolz und Geld besessen. Sie hatten den Eindruck eines vielleicht nicht aufregenden, aber doch soliden Paars mit Zukunft vermittelt, das sich auf ein schönes Abenteuer einließ.

Zehn Jahre und zwei Töchter danach hatte Berenice Pfunde angesetzt, sich eine vordergründige Weltklugheit angeeignet und alle Illusionen über die Ehe verloren. Ich nahm seit langem an, daß sie aus grundlegender Enttäuschung so destruktiv gegen Thomas geworden war, hatte mir jedoch über die Ursachen noch keine Gedanken gemacht. Zeit, das nachzuholen, dachte ich.

Zeit, daß ich sie alle miteinander verstehen lernte, denn auf diese Weise würden wir vielleicht in Erfahrung bringen, wer morden konnte und wer nicht.