Nachdem wir ohne Zwischenfall die Rechnung bezahlt, das Gepäck verstaut, dem Portier ein Trinkgeld gegeben und das Hotel verlassen hatten, teilte uns der Taxifahrer jedoch zweifelnd mit, daß ein Auto zu leihen dienstagabends um neun nicht einfach wäre. Die Mietwagenfirmen hätten alle geschlossen.
«Dann eben ein Wagen mit Chauffeur«, sagte Malcolm.
«Die Burschen, die auf Hochzeiten fahren und dergleichen. Zwanzig Pfund auf die Hand, wenn Sie das deichseln?«
Von diesem Angebot in Schwung gebracht, beförderte uns der Taxifahrer durch irgendwelche Seitenstraßen, hielt vor einem unscheinbaren kleinen Reihenhaus und hämmerte an die Tür. Sie öffnete sich, ließ eine Melonenscheibe Licht entweichen und verschluckte ihn.
«Man wird uns ausrauben«, sagte Malcolm.
Der Taxifahrer kam jedoch ganz harmlos in Begleitung eines größeren Mannes wieder, der sich das Jackett einer Chauffeursuniform zuknöpfte und eine beruhigende Schirmmütze trug.
«Die Firma, bei der mein Schwager ist, betreut hauptsächlich Hochzeiten und Beerdigungen«, sagte der Taxifahrer.»Er wüßte gern, wo Sie hinwollen.«
«London«, sagte ich.
London schien überhaupt kein Problem zu sein. Der Fahrer und sein Schwager stiegen ein, das Taxi fuhr los, bog um ein, zwei Ecken und hielt vor einer verschlossenen Garage wieder an. Wir blieben wie gewünscht im Taxi sitzen, während die beiden Fahrer die Garage aufsperrten und ihren Inhalt ans Licht brachten. So kam es, daß Malcolm und ich in einem sehr großen, auf Hochglanz polierten schwarzen Rolls-Royce nach London fuhren, von dem schwarzarbeitenden Chauffeur diskret durch eine Glasscheibe getrennt.
«Warum warst du überhaupt auf der Auktion?«fragte ich Malcolm.»Ich meine, wieso Newmarket? Wieso die Versteigerungen?«
Malcolm runzelte die Stirn.»Wegen Ebury, nehme ich an.«
«Die Juweliere?«
«Ja… also, ich wußte, daß sie dort eine Ausstellung hatten. Das sagten sie mir vorige Woche, als ich bei ihnen war, um mit ihnen über Coochies Schmuck zu sprechen. Ich meine, ich kenne die Leute ziemlich gut, bei ihnen habe ich ihr das meiste gekauft. Ich bewunderte ein silbernes Pferd, das sie hatten, und sie sagten, diese Woche würden sie auf der Auktion in
Newmarket ausstellen. Als ich mir dann gestern Gedanken machte, wie ich an dich herankäme… wo wir uns treffen könnten… da fiel mir ein, daß die Auktion ganz in der Nähe von Cambridge ist, und das gab den Ausschlag — kurz bevor ich dich anrief.«
Ich überlegte ein wenig.»Wie würdest du es anstellen, wenn du sozusagen rausfinden wolltest, wo jemand steckt?«
Zu meiner Überraschung hatte er eine Antwort parat.
«Ich würde den Burschen heranziehen, der Moira für mich beschattet hat.«
«Beschattet…?«:
«Mein Anwalt riet mir dazu. Ich könnte Geld sparen, meinte er, wenn Moira was nebenbei laufen hätte, verstehst du?«
«Vollkommen«, meinte ich trocken.»Aber sie hatte wohl nicht?«
«Fehlanzeige. «Er warf mir einen Blick zu.»Woran denkst du?«
«Tja… Ich habe so eine Idee, ob er vielleicht nachprüfen könnte, wo jeder aus der Familie am vorigen Freitag und heute abend gewesen ist.«
«Jeder!«rief Malcolm aus.»Das würde Wochen dauern.«
«Du würdest aber ruhiger schlafen.«
Er schüttelte finster den Kopf.»Du vergißt die Berufsmörder.«
«Berufsmörder sind ziemlich schwer aufzutreiben, jedenfalls für Normalbürger. Wie würdest du das zum Beispiel angehen, wenn du jemand beseitigen lassen wolltest? Mit einer Anzeige in der Times?«
Er schien das zwar nicht für so problematisch zu halten wie ich, erklärte sich aber bereit,»den Burschen, der Moira beschattet hat «zu fragen, ob er die Durchleuchtung der Familie übernehmen würde.
Wir besprachen, wo wir übernachten sollten — das heißt, in welchem Hotel, denn nach Hause mochten wir beide nicht. Mein Zuhause war derzeit eine ziemlich trostlose Wohnung in Epsom, nicht weit von dem Stall, für den ich gearbeitet hatte. Malcolms Zuhause war nach wie vor das Haus, in dem ich groß geworden war und aus dem Moira ihn offenbar vertrieben hatte, in das er jedoch gleich nach ihrem Tod zurückgekehrt war. Es galt als» Sitz «der Familie, dieses große Haus in Berkshire, das alle fünf Frauen hatte kommen und gehen sehen: Malcolm selbst war dort aufgewachsen, es war kaum auszudenken, wie sehr ihn die Aussicht, es zu verlieren, getroffen haben mußte.
«Was war vorgefallen zwischen dir und Moira?«fragte ich.
«Kümmere dich um deinen Kram.«
Wir fuhren zehn Meilen wortlos. Dann setzte er sich anders, seufzte und sagte:»Sie wollte Coochies Schmuck, und ich wollte ihn ihr nicht geben. Immer wieder fing sie an, davon zu gackern. Ging mir auf die Nerven, verstehst du? Und dann… tja…«Er zuckte die Achseln:»Dann hat sie mich ertappt.«
«Mit einer anderen?«fragte ich, nicht weiter überrascht.
Er nickte ohne Scham. Er war nie monogam gewesen und konnte nicht verstehen, wieso man das erwartete. Die fürchterlichen Krache in meiner Kindheit hatten sich alle um seine Affären gedreht; während seiner Ehe mit Vivien und dann mit Joyce hatte er die ganze Zeit Alicia ausgehalten. Alicia gebar ihm zwei Kinder, während er mit Vivien und Joyce verheiratet war, und später noch eines, als er sie auf ihr Drängen zu seiner einigermaßen rechtmäßigen Frau gemacht hatte.
Ich stellte mir gern vor, daß er Coochie zu guter Letzt treu gewesen war, aber alles in allem war das unwahrscheinlich, und ich würde ihn nie danach fragen.
Malcolm war dafür, im Dorchester abzusteigen, doch ich überzeugte ihn, daß er dort zu bekannt sei, und schließlich einigten wir uns auf das Savoy.
«Eine Suite«, sagte Malcolm am Empfang.»Zwei Schlafzimmer, zwei Badezimmer und ein Salon; und schicken Sie gleich einen Bollinger rauf.«
Ich hatte zwar keine Lust auf Champagner, aber Malcolm. Außerdem bestellte er beim Zimmerservice Rührei und Räucherlachs für uns beide sowie eine Flasche Hine Antique Cognac und eine Kiste Havannazigarren zur Abrundung.
Spaßeshalber rechnete ich einmal seine heutigen Ausgaben zusammen: ein massiv silberner Pokal, ein Vollblut für zwei Millionen Guineen, die Versicherung dafür, die Hotelrechnung von Cambridge, ein Trinkgeld für den Taxifahrer, ein chauffierter Rolls-Royce, eine Supersuite im Savoy mit allem Drum und Dran. Ich hätte gern gewußt, wie reich er eigentlich war und ob er vorhatte, das alles auf den Kopf zu hauen.
Wir aßen zu Abend und tranken den Brandy, standen aber noch immer nicht ganz im Einklang miteinander. Die Kluft der drei getrennten Jahre war offenbar nicht so leicht zu überwinden, wie ich dachte. Daß ich ihn liebte, hatte ich zwar ernst gemeint, doch mir schien, was ich wirklich liebte, waren die alten Erinnerungen an ihn, nicht seine Anwesenheit hier und jetzt. Mir wurde klar, daß ich, wenn ich wie versprochen bei ihm blieb, ihn von neuem und von einer anderen Warte kennenlernen würde; wir beide würden einander neu kennenlernen.
«In den nächsten Tagen«, sagte Malcolm und streifte sorgfältig die Asche von seiner Zigarre,»fliegen wir nach Australien.«
Ich nahm die Neuigkeit in mich auf und sagte:»So?«
Er nickte.»Dazu brauchen wir Visa. Wo ist dein Paß?«
«In meiner Wohnung. Wo ist deiner?«
«Im Haus.«
«Dann hole ich sie morgen«, sagte ich,»und du bleibst hier. «Ich hielt inne.»Fliegen wir aus einem bestimmten Grund nach
Australien?«
«Um uns Goldminen anzusehen«, sagte er.»Und Känguruhs.«
Nach einer kurzen Pause sagte ich:»Wir können nicht einfach fliehen. Wir müssen herausfinden, wer dich umzubringen versucht, damit es ihm nicht gelingt.«
«Fliehen ist reizvoller«, sagte er.»Was hältst du von einem Zwischenstopp in Singapur, für eine Woche?«
«Wie du meinst. Nur… am Freitag soll ich in Sandown ein Rennen reiten.«
«Ich habe nie verstanden, was du daran findest. Dauernd diese naßkalten Tage. Diese Stürze.«