«Gott…«
«Jedenfalls, nachdem Moira aus dem Weg war, hat Serena sich erboten, mit dir in Quantum zu leben und für dich zu sorgen, und du hast abgelehnt.«
«Es hätte nicht geklappt, verstehst du? Ich habe es gar nicht ernsthaft in Erwägung gezogen. Ich fand es nett von ihr, aber ich wollte sie nicht, das stimmt.«
«Und ich nehme an, das hast du ihr ziemlich unwirsch klargemacht?«
Er dachte darüber nach.»Am Ende wohl schon. Sie ließ ja nicht locker. Hat immer wieder gefragt. Kam extra deshalb nach Quantum. Ich wurde es leid und habe klipp und klar nein gesagt. Sie solle mich nicht weiter behelligen…«
Er sah erschüttert drein.»Meinst du, da fing sie an, mich zu hassen?«
Ich nickte unglücklich.»Ich nehme es an. Sie wird zum Schluß geglaubt haben, daß sie nie das bekommt, wonach sie sich sehnt. Du hättest es ihr geben können, und du wolltest nicht. Die Zurückweisung war total. Endgültig. Extrem. Vorher hatte sie es nie so ganz geglaubt; jetzt schon. Sie sagte mir, sie habe dir eine Chance gegeben, doch du hättest sie abgewiesen.«
Er bedeckte seine Augen mit der Hand.
«Also nahm sie sich vor, dich umzubringen und schließlich auch das Haus umzubringen… zu zerstören, was sie nicht haben konnte.«
Ich fragte mich auch jetzt noch, wie schon in New York, ob sie deshalb auf diesen großen, gewalttätigen Protest verfallen war, weil ich, Ian, plötzlich wieder mit Malcolm in Quantum wohnte. Ich hatte zu oft bekommen, was sie ersehnte. Die Bombe war ebensosehr für mich wie für Malcolm bestimmt gewesen, dachte ich.
«Erinnerst du dich an den Morgen, als sie sah, daß wir nicht tot waren?«fragte ich.»Sie fiel fast in Ohnmacht. Alle haben es auf Erleichterung zurückgeführt, aber ich wette, das war es nicht. Sie hatte dreimal versucht, dich umzubringen, und konnte wahrscheinlich kaum ertragen, daß du noch lebtest.«
«Sie muß… sie muß verrückt gewesen sein.«
Besessen. verrückt. Manchmal war das kein großer Unterschied.
Malcolm war von seinem Champagner abgekommen und zu Scotch zurückgekehrt. Der dauernde Schampus, begriff ich, war eine Art Geste gewesen, ein der Gefahr trotzendes V mit den Fingern, ein Talisman gegen die Furcht. Er goß sich ein neues Glas von dem alten scharfen Zeug ein, trat ans Fenster und sah auf den Green Park hinunter.
«Du wußtest, daß es Serena war… die kommen würde.«
«Wenn einer kam.«
«Woher wußtest du das?«
«Ich hatte ja mit allen gesprochen. Ich habe gesehen, was in ihrem Leben verkehrt läuft. Wie verzweifelt sie sind. Donald und Helen sind verzweifelt, weil sie Geld brauchen, aber sie tun ihr Bestes, um da herauszukommen. Wirklich tapfer, daß sie ihren Schmuck versetzt hat. Sie dachten, wenn sie dich fänden, würdest du ihnen vielleicht helfen, indem du für einen Kredit bürgst. Das ist weit weg von dem Wunsch, dich zu ermorden.«
Malcolm nickte, trank und sah zu, wie das Leben draußen weiterging.
«Lucy«, sagte ich,»hat vielleicht ihre Eingebung verloren, aber nicht ihre Besonnenheit. Edwin ist mißmutig, aber kein Planer, kein dynamischer Mensch. Thomas…«
Ich hielt inne.»Thomas war vollkommen verzweifelt, aber was er brauchte, war häuslicher Frieden, nicht eigentlich Geld. Berenice hat ihm übel mitgespielt. Er wird lange brauchen, sich wieder hochzurappeln. Er schien mir fast unfähig, seine Schuhe zu binden, geschweige denn eine Zeitbombe zu bauen, auch wenn er die Schaltuhren mal erfunden hat.«
«Weiter«, sagte Malcolm.
«Berenice ist von sich und ihren Wünschen besessen, doch ihr Groll richtet sich gegen Thomas. Geld würde sie zwar beschwichtigen, aber was sie eigentlich will, ist nicht Geld, sondern ein Sohn. Damit, daß man dich und Moira umbringt, läßt sich das nicht erreichen.«
«Und Gervase?«
«Er richtet sich zugrunde. Das nimmt seine ganze Energie in Anspruch. Er hat nicht genug übrig, um herumzulaufen und Leute wegen Geld umzubringen. Er hat den Schneid verloren. Er säuft. Man braucht Mut und einen klaren Kopf, wenn man mit Sprengstoff hantiert. Ursula lädt ihre Verzweiflung in der Kirche und beim gemeinsamen Mittagessen mit Joyce ab.«
Er brummte leise, nicht direkt ein Lachen.
Bei Joyce hatten wir uns telefonisch bedankt, als wir am Samstag abend erschöpft zurückgekommen waren. Sie war so erschüttert gewesen über das Geschehene, daß es ihr die Sprache verschlug, und hatte weinend aufgelegt. Wir riefen sie am Morgen noch einmal an.»Serena hatte ich zuerst erreicht«, sagte sie kummervoll.»Sie muß losgegangen sein und das ganze Zeug gekauft haben… ich darf gar nicht dran denken. Das liebe kleine Mädchen, so süß, als sie klein war, auch wenn ich ihre Mutter gehaßt habe. Wie furchtbar.«
«Red doch weiter«, sagte Malcolm.»Du hörst immer auf.«
«Alicia oder Vivien konnten es nicht gewesen sein, sie sind nicht stark genug, um dich zu tragen. Alicias neuer Freund hätte die Kraft, aber warum sollte er meinen, Alicia stünde sich besser, wenn du tot wärst? Und ich konnte mir nicht vorstellen, daß einer von ihnen eine Bombe baut.«
«Und Ferdinand?«
«Das konnte ich wirklich nicht sehen, du etwa? Er hat keine besonderen Sorgen. Er ist gut in seinem Beruf. Er ist meistens unbeschwert. Nicht er. Nicht Debs. Das wären sie jetzt.«
«Dann bist du einfach durch Eliminierung auf Serena gekommen?«Er wandte sich vom Fenster ab, suchte in meinem Gesicht.
«Nein«, sagte ich langsam.»Ich dachte an sie alle miteinander, an all ihre Probleme und Kümmernisse. Am Anfang, nach Moiras Tod, dachte ich wie jeder andere auch, sie sei umgebracht worden, damit sie nicht die Hälfte deines Vermögens einstreicht. Auch hinter den Anschlägen auf dich habe ich das Geld vermutet. Es lag auf der Hand. Und als ich dann mit allen gesprochen hatte, als ich begriff, was da hinter scheinbar normalen Fassaden alles kochte und brodelte, begann ich mich zu fragen, ob es überhaupt um das Geld ging… Und als ich in New York war, habe ich noch einmal über sie alle nachgedacht, aber das Geld weggelassen… und bei Serena… hat alles zusammengepaßt.«
Er bewegte sich unruhig und kehrte an seinen Platz zurück.
«Es hätte die Polizei nicht überzeugt«, sagte er.
«Dich auch nicht«, stimmte ich zu.»Du mußtest es selbst sehen. «Wir verstummten, als wir daran dachten, was er tatsächlich gesehen hatte: daß seine Tochter kam, um die Küche in die Luft zu sprengen, statt sie nach einem Notizblock zu durchsuchen.
«Hattest du denn keinen Beweis?«sagte er schließlich.»Ich meine, keinen triftigen Grund für die Annahme, daß sie es war? Irgend etwas, worauf du den Finger legen konntest?«
«Nicht direkt. Nichts, was vor Gericht bestanden hätte. Außer daß ich glaube, es war Serena, die dich von Norman West in Cambridge aufspüren ließ, nicht Alicia, wie West selbst annahm.«
Er machte große Augen.»Wie kommst du darauf?«
«Alicia sagte, sie sei es nicht gewesen. West und ich dachten, sie lügt, aber jetzt glaube ich, sie hat die Wahrheit gesagt. Erinnerst du dich an das Band aus meinem Anrufbeantworter? An Serenas Stimme? >Mami möchte wissen, wo Daddy ist. Ich habe ihr gesagt, das wüßtest du doch nicht, aber sie besteht darauf, daß ich frage. < Das waren ihre Worte. Alicia hat mir versichert, sie habe nicht wissen wollen, wo du warst. Wenn Alicia die Wahrheit sagt, war es Serena, die das in Erfahrung bringen wollte, und sie wollte es in Erfahrung bringen, weil sie uns verloren hatte, nachdem es ihr nicht gelungen war, dich zu überfahren. Sie verlor uns, als wir mit dem Rolls nach London sausten.«