Malcolm nickte, verwirrt und unwillkürlich alarmiert.
«Man könnte fast meinen, es war der Nachmittag«, sagte ich,»ein Tag, an dem sie die Zwillinge glücklich in Quantum sah, wo sie so gern sein wollte, und dich dort bei ihnen sah, wie du sie liebtest; vielleicht war es dieser Nachmittag, der sie endgültig zu dem wahnsinnigen Entschluß trieb, ihren Wunschtraum wahr zu machen. Er wurde nicht wahr… du lerntest Moira kennen… aber ich bin sicher, sie hat es versucht.«
Malcolm starrte mich an, sagte:»Nein! Sag es nicht! Sei still!«
Ich sagte es trotzdem.»Ich glaube, Robin hat den flüchtigen Fahrer gesehen, der den Wagen von der Straße drängte. Wie verzerrt und traumähnlich auch immer — er weiß, wer es war. Nein, Serena, nein, Serena, nein… Du hast ihn gehört. Ich dachte seit New York, daß es so gewesen sein könnte. Serenas Besessenheit war schon vor langer Zeit voll entwickelt, lange bevor sie Moira aus dem Weg räumte. Ich glaube, sie hat Peter umgebracht… und Coochie.«
Epilog
Ein Jahr später trafen wir uns alle in Quantum zur großen Wiedereinweihungsfeier; das Haus war mit Girlanden geschmückt, und Champagnerkorken knallten.
Nach viel Gewissensforschung hatte Malcolm sich entschlossen, es wieder aufzubauen. Ohne Quantum als Zentrum wäre die Familie auseinandergefallen, und das wollte er nicht. Als er sie von seiner Absicht unterrichtete, gab es ein frohes, allgemeines Aufatmen, und er fand bestätigt, daß es das Richtige war.
Der Grollpegel sank dramatisch ab, nachdem die Schecks eingetroffen waren und er sein Testament zur Einsicht vorgelegt hatte, und ich war plötzlich nicht mehr jedermanns Schurke, wenn ich es auch für Alicia blieb und immer bleiben würde. Malcolm schickte sein Testament, aus dem Serena in einem Nachtrag gestrichen worden war, zur Registrierung an die Hauptgeschäftsstelle des Nachlaßgerichts und ließ es alle wissen.
Malcolm fand zwar immer noch, daß er seine Kinder verhätschelt und korrumpiert hatte, aber er mußte zugeben, daß sie dadurch glücklicher waren. Bedeutend glücklicher in manchen Fällen, wie Donald und Helen etwa, deren Probleme rein finanziell gewesen waren. Helen löste ihre Klunkern aus und hörte auf, Porzellan zu bemalen, und Donald zahlte die Finanzierungsgesellschaft und die Bank aus und leitete den Golfclub leichten Herzens.
Einige Wochen nach Serenas Tod lud Helen mich nach Marblehill House ein.»Auf ein Glas vor dem Abendessen«, meinte sie. Ich fuhr an einem eisigen Abend im Dezember hin, und sie überraschte mich, indem sie mich zur Begrüßung küßte. Donald stand mit dem Rücken vor einem krachenden Feuer und sah wichtigtuerisch zufrieden aus.
«Wir wollten uns bei dir bedanken«, sagte Helen.»Und wohl auch… entschuldigen.«
«Das braucht ihr nicht.«
«O doch. Das ist uns allen klar. Nicht jeder wird es zugeben, aber jeder weiß es.«
«Wie geht’s Malcolm?«fragte Donald.
«Ausgezeichnet.«
Donald nickte. Selbst daß Malcolm und ich noch zusammen waren, schien ihn nicht mehr zu grämen, und später, als wir eine Weile um den Kamin gesessen und etwas getrunken hatten, bat er mich, zum Essen zu bleiben. Ich blieb, und wenn es auch nie dahin kommen würde, daß wir alle fünf Minuten beim anderen anklopften, gelangten wir doch an diesem Abend zu einem friedlichen Einklang als Brüder.
Einige Zeit später besuchte ich Lucy. Sie und Edwin hatten an ihrem Cottage nichts geändert und sehr zu Edwins Verdruß auch keinen Umzug geplant.
«Wir sollten uns eine passendere Wohnung suchen«, meinte er böse zu ihr.»Ich hätte nie gedacht, daß wir hierbleiben, wenn du erbst.«
Lucy sah ihn liebevoll an.»Wenn du gehen möchtest, Edwin, kannst du gehen, jetzt, wo du eigenes Geld hast.«
Er war bestürzt; verblüfft.»Ich will nicht weggehen«, sagte er, und das war offensichtlich die Wahrheit.
Lucy sagte zu mir:»Ich werde eine gute Verwendung für mein Kapital finden: das Kapital behalten, den größten Teil des Ertrags verschenken. Wir haben jetzt keine Sorgen mehr, und, zugegeben, das ist eine Erleichterung, aber grundlegend geändert habe ich mich nicht. Ich halte nichts vom Luxusleben. Es ist schlecht für die Seele. Ich bleibe hier. «Sie aß entschlossen eine Handvoll Rosinen, und der alte Herr schaute ihr aus den Augen.
Thomas war nicht mehr ihr Gast. Thomas war gegen allen Rat zu Berenice zurückgekehrt.
Ich fuhr eines trüben, kalten Nachmittags in Arden Haciendas vorbei, und Thomas, der selbst an die Tür kam, war verdutzt, mich zu sehen.
«Berenice ist nicht da«, meinte er und ließ mich herein.
«Ich wollte dich besuchen. Wie geht’s dir?«
«Nicht so übel«, sagte er, sah aber immer noch bedrückt aus.
Er gab mir einen Drink. Er wußte, wo der Gin und das Tonic waren. Er sagte, Berenice und er hätten eine Eheberatung aufgesucht, die seiner Ansicht nach bis jetzt aber nicht viel brachte.
«Vasektomien lassen sich manchmal rückgängig machen«, sagte ich.
«Ja, aber im Grunde will ich das nicht. Angenommen, ich tu’s, und wir kriegen noch ein Mädchen? Wenn Berenice nicht darüber hinwegkommt, daß sie keine Söhne hat, verlasse ich sie wieder. Das habe ich ihr gesagt.«
Ich sah ihn beeindruckt an.»Was meinte sie dazu?«
«Nichts weiter. Ich glaube eigentlich, sie hat Angst vor mir.«
Solange es ihm nicht zu Kopf stieg, dachte ich, war das vielleicht gar nicht schlecht.
Bald danach besuchte ich Gervase und Ursula. Bei Ursula, die mich hereinließ, war die Verwandlung so, als ob man ein in braunes Papier verpacktes Paket auswickelt und Weihnachten zum Vorschein kommt. Der alte Rock samt Bluse, Pullover und Perlen war verschwunden. Sie trug enge rote Hosen, einen riesigen weißen Pulli und eine barocke Goldkette. Sie lächelte mich an wie eine scheue Verschwörerin und kam mit mir ins Wohnzimmer. Gervase war vielleicht nicht überwältigend freundlich, schien aber auf Neutralität und Waffenruhe
eingestellt.
«Ich habe Gervase erklärt«, sagte Ursula sanft,»daß ich jetzt, wo ich’s mir leisten kann, ihn zu verlassen und die Mädchen mitzunehmen, bei ihm bleibe, weil ich will, nicht weil ich muß. Ich bleibe, sofern er Hilfe sucht, um diese lächerliche Fixierung auf seine Geburt zu überwinden. Wen kümmert es, daß Malcolm damals nicht mit Alicia verheiratet war? Mich bestimmt nicht. Niemanden. Ferdinand auch nicht. Ferdinand ist sehr nett. Er war ein paarmal hier und hat Gervase beraten.«
Gervase, der sie früher niedergebrüllt hätte, hörte fast dankbar zu. Der Bär, der sich in einem Dickicht verfangen hatte, war im Begriff, von mitfühlenden Händen herausgeführt zu werden.
Ferdinand sprühte vor guter Laune, als ich ihn besuchte. Er und Debs waren sofort aus ihrem kleinen kahlen Bungalow in einen großen kahlen Bungalow mit Tennisplatz, Swimmingpool und 3-Wagen-Garage umgezogen. Wohlstand macht Spaß, sagte er; aber auch in dem neuen Haus diente ein Zimmer als Büro. Er arbeitete weiter.
«Ich habe mir deine Bemerkungen zu Herzen genommen, weißt du«, sagte er.»Mir vor Augen geführt, was Alicia uns angetan hat. Ich höre nicht mehr auf sie. Sie wird Debs nicht verjagen, und sie wird Ursula nicht verjagen. Hast du Ursula gesehen? Ein neuer Mensch! Ich habe Gervase gesagt, er hat eine Frau, wie es sie unter einer Million nur einmal gibt, und eine Mutter, die nichts als Ärger macht. Ich habe mit ihm über Illegitimität gesprochen… wolltest du das nicht?«Er boxte mich leicht in den Arm.
«Bleibst du zum Abendessen?«sagte er.
Alicia und Vivien besuchte ich nicht. Ich blieb ein paar Abende bei Joyce.
«Liebling, wie kommt der alte Narr zurecht?«
«Er verbringt viel Zeit in Quantum bei den Maurern.«»Daß er sich nur keine Lungenentzündung holt! Es ist bitterkalt draußen.«