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»Natürlich. Was sonst?«

Jamie lächelte, und Monique lächelte zurück. Sie hatte die Betreuung des kleinen Gartens übernommen; sie gab den Pflanzen Marswasser und ließ ihnen mütterliche Fürsorge angedeihen. Ilona und Joanna hatten diese Aufgabe weitgehend ihr überlassen, obwohl es im Missionsplan anders festgelegt war. Der Mars scheint ihr zu bekommen, dachte Jamie. Moniques Figur sieht straffer aus als zum Zeitpunkt der Landung.

Sieht sie wirklich besser aus, oder bin ich bloß geil, fragte sich Jamie. Sein Verlangen kam ihm nicht besonders stark vor. Tony muß unsere Nahrung mit Triebdämpfern versetzen, obwohl er das Gegenteil behauptet. Ist wahrscheinlich auch gut so, versuchte er sich einzureden.

Als er die großen Tabletts voller rötlichem Erdreich und grünen Schößlingen betrachtete, erkannte Jamie: Wir könnten für unbegrenzte Zeit auf dem Mars leben, wenn es sein müßte. Wenn wir genug Saatgut mitgebracht hätten, wären wir imstande gewesen, mit Hilfe von Marswasser sowie aus der Luft gewonnenem Sauerstoff und Stickstoff eine richtige Obst- und Gemüseplantage anzulegen. Wir könnten genug Nahrung züchten, um in dieser Kuppel zu überleben und eine richtige Basis aus ihr zu machen. Ein dauerhaftes Zuhause.

Die nächste Mission. Da müssen wir es tun. Wir müssen genug Saatgut mitnehmen, um eine autarke Obst- und Gemüseplantage aufzubauen. Und die hiesigen Ressourcen nutzen. Wir wissen jetzt, daß es geht.

Die Einstellungen der Forscher hatten sich in den fünf Wochen auf dem Mars verändert. Jamie war zwar nach wie vor der Außenseiter, der Einzelgänger, aber nun lag es daran, daß er der stillschweigend anerkannte Führer der Gruppe war. Er war nicht mehr der Ersatzmann, den man wie aus einem nachträglichen Einfall heraus in letzter Minute ins Team aufgenommen hatte. Die anderen elf widmeten ihre Arbeit jetzt größtenteils dem Ziel, die bevorstehende Exkursion zum Tithonium Chasma zu einem Erfolg zu machen.

Patel war immer noch mürrisch und wütend darüber, daß seine Exkursion zum Pavonis Mons abgekürzt worden war. Er beschäftigte sich damit, die Proben zu analysieren, die sie bei ihrem kurzen Streifzug gesammelt hatten. Die Datierung, die sich aus den Uran-Blei-Proben ergab, stimmte nicht mit jener überein, die von den Kalium-Argon-Messungen stammte. Patel und Naguib verbrachten ihre gesamte Freizeit mit dem Versuch herauszufinden, warum nicht. Wosnesenski, der wegen der umfangreichen Änderungen im Plan anfangs mürrisch und mißmutig gewesen war, hatte sich allmählich für die Idee erwärmt. Während der letzten beiden Wochen hatte er beinahe eine gewisse Jovialität entwickelt. Jamie erkannte, daß unter all dem Pflichtbewußtsein ein Mensch steckte, der gern seinen Spaß hatte.

Toshima arbeitete eng mit Jamie zusammen. Sie holten so viele Informationen, wie sie nur konnten, aus den Daten über die Grabenregion, die die geologischmeteorologischen Baken anhäuften. Connors, Mironow und Abell steuerten abwechselnd die RPVs durch den Canyon und kartierten ihn mit einer Auflösung bis hinunter zu ein paar Zentimetern.

Joanna und Ilona verbrachten ihre Zeit damit, die biologischen Experimente vorzubereiten, die sie in dem Canyon ausführen wollten, auf der Talsohle unter diesen Nebelschleiern, wo es Wärme gab und die Aussicht bestand, Leben zu finden. Die beiden würden mit Jamie und Connors im Rover fahren; Monique würde hier in der Basis bleiben. Jamie machte sich Gedanken darüber, wie es mit Joanna und Ilona im Rover sein würde. Da hockte man ziemlich dicht aufeinander. Sie gingen jetzt durchaus freundschaftlich miteinander um, aber welche Probleme mochten sich ergeben, wenn sie beide zehn Tage lang zusammen im Rover eingesperrt waren?

Jamie hatte Ilona auf ihre ablehnende Schroffheit gegenüber den Russen angesprochen. Sie hatte mit einer hochgezogenen Augenbraue und einem hochmütigen kleinen Lächeln reagiert.

»Ich meine es ernst, Ilona«, hatte er gesagt. »Du mußt aufhören, Mikhail zu piesacken. Und Alex. Das muß aufhören.«

»Ist das ein Befehl, Captain?« Sie sah Jamie mit glühenden Augen an.

»Ich wünschte, ich könnte es dir befehlen«, erwiderte er. »Ich wünschte, ich hätte die Macht, dein Verhalten zu ändern.«

»Die hast du aber nicht. Niemand hat sie.« Ilona atmete leicht ein. Es war beinahe ein Seufzer. »Nicht mal ich selbst.«

Und dann war da Tony. Etwas an dem englischen Arzt beunruhigte Jamie. Im Lauf der Wochen war Tony — wie sollte man es beschreiben? — mürrisch geworden. Verschlossen. Vielleicht bilde ich mir das nur ein, dachte Jamie. Tony sah aus wie eh und je: gepflegt, attraktiv und elegant, sogar in den Projektoveralls. Aber er benimmt sich nicht mehr so wie zur Zeit der Landung. Er ist stiller, er redet nicht mehr so viel, und wenn er es tut, dann hat er nicht mehr so viel Pep wie früher. Irgend etwas stimmt nicht. Tony ist distanziert. Kalt. Beinahe feindselig.

Hat Ilona wieder auf ihm herumgehackt, weil er die Kuppel nie verläßt? Dann schüttelte er den Kopf. Vielleicht liegt es an mir. Vielleicht bilde ich es mir nur ein. Ich bin so mit den Vorbereitungen für diese Exkursion beschäftigt, daß ich nicht mehr viel Zeit für Tony übrig gehabt habe. Kann auch sein, daß es ihm nicht gutgeht.

»Brauchen Sie Hilfe?«

Jamie blickte auf und sah Wosnesenski vor sich stehen, ein entspanntes Lächeln auf dem Gesicht. Mikhail rasierte sich jeden Morgen, aber sein dunkler Bart verschwand niemals ganz.

»Danke. Ich glaube, ich komme schon klar.«

Jamie war in seiner Kabine bereits in den von Schläuchen durchzogenen Unteranzug geschlüpft. Jetzt zwängte er die Beine in die untere Hälfte seines Raumanzugs.

»Warum gehen Sie hinaus?« Wosnesenski begann, seinen Overall abzulegen. Das ursprüngliche Korallenrot war mittlerweile ziemlich ausgeblichen.

»Ich war seit über einer Woche nicht mehr draußen«, sagte Jamie. »Diese ganze Exkursionsplanung hat einen Apparatschik aus mir gemacht.«

»Das ist nun mal der Preis für die Führungsposition.« Wosnesenski grinste. Es sollte offensichtlich ein Scherz sein. Er stand im Slip da und griff in seinen Spind, um den Thermo-Unteranzug herauszuholen.

»Tja«, grunzte Jamie, während er sich die Stiefel anzog, »dieser Führer hier wird seine freie Stunde heute morgen damit verbringen, einen Spaziergang um die Kuppel zu machen und die Landschaft zu bewundern. Und nachzudenken.«

Der alte mürrische Ausdruck trat wieder in Wosnesenskis Augen. »Sie wissen, daß Sie nicht allein hinausgehen dürfen.«

»Es ist doch nur ein Spaziergang um die Kuppel, Mikhail.«

»Es ist nicht erlaubt.«

»Ich brauche ein bißchen Zeit für mich selbst.«

»Hier führe immer noch ich das Kommando«, sagte der Russe und knöpfte seinen Thermo-Unteranzug vorn zu. Er sah aus wie ein Hydrant, der in zu lange gekochte Spaghetti gewickelt war.

Jamie, der immer noch auf der Bank saß, lächelte zu ihm hinauf. »Ja, ich weiß, daß Sie die Leitung haben, Mikhail. Und Sie haben recht, in den Missionsvorschriften steht, daß niemand allein draußen sein darf. Wären Sie wohl so freundlich, mich zu begleiten?«

Der Russe grinste breit. »Ich? Der Kommandant der Gruppe? Erwarten Sie wirklich, daß ein Mann, der so viel zu tun hat wie ich, alles stehen und liegen läßt, nur um mit Ihnen einen Spaziergang zu machen?«

»Ich würde es sehr zu schätzen wissen, wenn Sie es wirklich täten.«

Wosnesenski lehnte sich mit dem Hintern an den Spind, um das steife Metallunterteil seines Druckanzugs anzuziehen, und flachste: »Der Kommandant der Gruppe ist viel zu wichtig, als daß er auf die Laune eines Untergebenen hin draußen in der Wüste herumspazieren könnte. Viel zu wichtig.«

Jamie stand auf und trat an das Gestell, an dem das Oberteil seines himmelblauen Anzugs hing, leer und mit schlaffen Armen, wie eine Rüstung ohne Kopf und Beine.

»Als Ihr Freund«, sagte Wosnesenski und hob einen Wurstfinger in die Luft, »gehe ich allerdings gern mit Ihnen hinaus.«