»Ach ja, richtig. Natürlich. Der wissenschaftliche Jargon bringt mich immer völlig durcheinander.«
Brumado produzierte ein verständnisvolles Lächeln.
In Todds jungenhaftem Gesicht saßen die suchenden, tastenden Augen eines Opportunisten. »Ihnen ist natürlich klar, daß die Sache ins Wasser fällt, wenn es bis zu dem Termin, an dem die Ansprache gehalten werden soll, irgendeine Katastrophe gibt. Ich kann nicht zulassen, daß sie auf ein totes Pferd setzt.«
»Ich weiß«, erwiderte Brumado, »daß kein Politiker mit einem Fehlschlag identifiziert werden will.«
»Falls die Mission andererseits ein großartiger Erfolg werden sollte … wenn sie da oben irgendwas Lebendiges fänden, wäre dem Projekt Unterstützung auf der ganzen Linie gewiß.«
»Im Moment suchen sie gerade nach Leben.«
»Wäre gut, wenn sie irgendwas entdecken würden. Selbst wenn es nur ein winziger Hinweis ist, sollen sie uns benachrichtigen, daß sie was gefunden haben und daß es so aussieht, als hätte es dort früher mal Leben gegeben. Das wäre vielleicht sogar noch besser, als wenn sie richtiges Leben auf dem Mars fänden.«
»Sie werden finden, was sie finden«, sagte Brumado.
Todd grinste ihn an. »Das stimmt. Ihre Leute sind Wissenschaftler, nicht wahr? Die geben ihren Berichten niemals eine bestimmte Färbung, habe ich recht?«
Die Implikation gefiel Brumado nicht, ebensowenig wie der verschlagene Gesichtsausdruck des jungen Mannes.
Todd beugte sich näher zu dem Brasilianer und fuhr mit gesenkter Stimme fort: »Wissen Sie, wenn die tatsächlich irgendwas Spektakuläres finden, eine alte Stadt oder so, würde das Ihrem Indianer praktisch alle Türen öffnen.«
»Er will nur, daß die Vizepräsidentin weitere Missionen unterstützt.«
»Das meine ich nicht«, sagte Todd mit einer ungeduldigen Geste. »Ich meine, er könnte mit mir zusammenarbeiten. Er könnte sogar für ein Regierungsamt kandidieren.«
»Ich bin sicher, daß ihm nichts ferner liegt als das.«
Todd lehnte sich wieder in seinen Stuhl zurück und richtete den Blick an die Decke. »Wissen Sie, die Vizepräsidentin wird von der Partei nicht automatisch nominiert werden. Sie muß sich auf die harte Opposition von Masterson und seiner Koalition einstellen.«
»Mit der amerikanischen Politik kenne ich mich nicht sehr gut aus«, murmelte Brumado.
Der junge Mann sagte beinahe verträumt: »Sagen Sie Ihrem Indianer, wenn er da oben was richtig Gutes findet, stehen ihm bei seiner Rückkehr alle Türen offen. Er könnte beim Nominierungsparteitag sogar das Zünglein an der Waage sein, wissen Sie das?«
Brumado war nicht sicher, daß er richtig gehört hatte. »Wollen Sie damit sagen, daß Sie die Vizepräsidentin im Stich lassen würden, wenn es Ihnen zweckdienlich erschiene?«
»O nein, natürlich nicht!« Todd lächelte wie eine Kobra. »Aber das Wichtigste ist schließlich, daß die Partei den Mann — ich meine, den Kandidaten oder die Kandidatin — nominiert, der oder die die Wahl im November gewinnen kann. Habe ich recht?«
Brumado wohnte nicht im Jefferson Hotel. Es war bei weitem zu teuer für ihn. Während dieser Wochen in Washington wohnte er im Haus eines Freundes in Georgetown, der im Auftrag des State Department in Südafrika weilte. Es war ein nettes altes rotes Backsteinhaus im Kolonialstil, hübsch möbliert und mit einem Koch und einem Butler ausgestattet.
Edith Elgin wohnte auch dort. Beinahe.
Als Edith in Washington aufgetaucht war, hatten bei Brumado sämtliche Alarmglocken geklingelt.
»Doktor Waterman hat doch auf Ihre Botschaft geantwortet, oder nicht?« hatte er Edith gefragt.
Sie hatte ihn bei einer Anhörung vor einem Kongressausschuß aufgespürt und ihn aus dem Capitol und die Maryland Avenue hinunter zum NASA-Hauptquartier begleitet. Die Bäume waren noch grün und standen in voller Blüte, die Sonne war warm und der Himmel strahlend blau. Doch in der Brise lag eine gewisse Schärfe, der erste Hauch der kommenden Herbstkälte.
»O ja, natürlich. Es war aber eine ziemlich unpersönliche Botschaft.« Sie lachte unbeschwert. »Eher ein wissenschaftlicher Bericht als eine Nachricht von einem Freund.«
Brumado musterte sie eingehend, während sie nebeneinander hergingen. »Sie waren mehr als Freunde, nehme ich an.«
Sie erwiderte seinen unverwandten Blick. »Ja, waren wir. Aber wir wußten beide, daß es zu Ende sein würde, wenn er zum Mars flog.«
»Ich verstehe.«
Sie schlenderten langsam dahin. Für die Passanten sahen sie fast wie Vater und Tochter aus, obwohl Fußgänger in der Gegend um den Capitol Hill daran gewöhnt waren, ältere Männer mit gutaussehenden jungen Frauen zu sehen. Brumado trug einen konservativen, doppelreihigen grauen Nadelstreifenanzug, Edith einen dunklen, mittellangen Rock, eine grauweiße Bluse und einen scharlachroten Blazer.
»Ich wüßte gern, ob ich Sie interviewen könnte«, sagte Edith. »Über einige Dinge nämlich, die Jamie mir erzählt hat.«
»Für Ihr Network?« fragte Brumado.
»Es würde mir helfen, einen festen Job zu ergattern.«
Sie blieben an einer Ampel stehen. Brumado hatte Jamies Botschaft an sie gesehen. Es gab keine privaten Sendungen vom Mars; alles wurde von Projektfunktionären gesichtet.
»Sie wollen eine große Story aus Watermans Wunsch machen, den Missionsplan zu ändern und eine Exkursion zum Grand Canyon zu unternehmen«, sagte er.
Sie gab es sofort zu. »Ich kann auch Jamies Band allein verwenden, wenn es sein muß. Aber es wäre mir lieber, wenn Sie und vielleicht ein paar Projektadministratoren die Geschichte aus Ihrer persönlichen Sicht erzählen würden.«
Die Ampel sprang um. Brumado packte Edith am Arm, als sie über die Straße eilten. Er dachte in rasender Eile nach. Diese Frau konnte alles zerstören. Sie konnte die Vizepräsidentin wieder auf den Kriegspfad bringen.
»Ich mache Ihnen einen Vorschlag«, sagte er, als sie sicher auf der anderen Straßenseite angelangt waren.
»Einen Vorschlag?« Edith lächelte ihn an.
»Ich schlage vor, wir treffen eine Abmachung«, sagte Brumado. »Sie können bei mir bleiben und bekommen alle Informationen über die Expedition, die Sie haben wollen — wenn Sie versprechen, nichts zu veröffentlichen, bis das Team wieder wohlbehalten auf der Erde ist.«
Edith runzelte verwirrt die Stirn. »Ich weiß nicht, ob ich Sie richtig verstehe …«
»Sie können die inoffizielle Biographin der Marsmission werden. Dorthin gehen, wohin ich gehe. Keine Türen werden Ihnen verschlossen sein. Sie werden alles sehen und jeden kennenlernen.«
»Aber ich kann nichts davon über den Sender schicken, bis die Mission beendet ist. Ist es so?«
»So ist es.«
Brumado merkte, daß er sie immer noch am Arm festhielt. Er ließ sie nicht los.
Edith dachte an Howard Francis in New York und sagte langsam: »Ich weiß nicht, ob sich das Network auf eine solche Abmachung einlassen wird.«
Brumado setzte sein wärmstes Lächeln auf. »Die haben Dutzende von Reportern, die über die Mission berichten«, beschwatzte er sie. »Aber diese betrachten das Projekt allesamt von außen. Wenn Sie bereit sind, mit mir zusammenzuarbeiten, werden Sie innen sein — kein anderer Journalist genießt ein derartiges Privileg.«
»Aber ich dürfte keine Berichte abliefern …«
»Nicht, solange die Mission nicht beendet ist. Danach können Sie die ganze Geschichte verkaufen. Die Insider-Geschichte. Sie werden Informationen und Interviews haben, die kein anderer Reporter jemals bekommen würde.«
Sie machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ich werde New York fragen.«
New York hatte sich natürlich geradezu auf die Abmachung gestürzt. Howard Francis träumte sofort von Nachrichten-Sondersendungen, die keines der anderen Networks bringen konnte. »Und wenn es sein muß«, hatte er Edith erklärt, »können wir sie jederzeit linken und mit irgendeiner richtig großen Sache rauskommen, bevor die anderen Korrespondenten überhaupt wissen, was los ist!«