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Hat sie sich für mich herausgeputzt? fragte sich Li. Oder versucht sie, unseren flotten Kosmonauten und Astronauten zu beeindrucken? Li seufzte in sich hinein. Solange sie mir keine Probleme bereitet, werde ich mich nicht einmischen. Aber er ertappte sich bei der Überlegung, ob ihre Fußnägel wohl auch lackiert waren.

»Ihre Leistungsfähigkeit scheint ernstlich nachgelassen zu haben«, sagte Yang leise, aber mit Nachdruck.

Li riß sich aus seinen Mutmaßungen über ihr Sexualleben. »Die Fahrt zum Boden des Canyons hinunter war anstrengend. Vielleicht brauchen sie noch etwas Ruhe.«

Burt Klein stimmte ihm zu. »Man kann nicht von ihnen erwarten, daß sie sich an den Plan halten, den Waterman ausgearbeitet hat. Er ist zu vollgestopft; sie haben nicht genug Zeit für alles, was er gern tun würde.«

»Vielleicht«, sagte Dr. Yang. Sie beugte sich so nah zu Li herüber, daß sie die Computertastatur bedienen konnte. Sie hatte Parfüm aufgelegt. Jasminblüten?

Eine Reihe bunter Kurven erschien auf dem Bildschirm.

»Das sind die Leistungsparameter sämtlicher Personen auf dem Mars, basierend auf deren eigenen Berichten über die von ihnen ausgeführten Arbeiten«, sagte Yang. »Sie können sehen, daß die Leistung bei ihnen allen nachläßt.«

Li zupfte an seinem Schnurrbart. »Ja, das sehe ich.«

»Ein solcher Leistungsabfall ist normal«, sagte Tolbukhin. »Das gleiche passiert bei den Leuten auf dem Mond und sogar an Bord von Raumstationen.«

Yang nickte kurz, aber sie sagte: »Sie sind seit fünf Wochen auf der Oberfläche, und da muß man mit einem gewissen Leistungsabfall rechnen, das stimmt. Aber bitte schauen Sie sich an, wie steil diese Kurven absinken.«

»Hm«, machte Li.

»Der starke Rückgang hat erst vor ein paar Tagen eingesetzt. Wenn ihre Leistungsfähigkeit weiterhin in diesem Tempo absinkt, sind sie Ende dieser Woche allesamt hilflos!«

Tolbukhins Schnauben sagte ihnen, was er von Yangs Befürchtungen hielt. Aber Klein rutschte nervös auf seinem Sitz herum.

Zum ersten Mal war Li beunruhigt. »Könnte das ein Produkt des Computerprogramms sein? Ein Zufall vielleicht?«

Yangs geschminktes Gesicht nahm eine störrische Härte an. »Das ist unmöglich. Ich habe das übliche Evaluationsprogramm benutzt. Die Leute hier im Orbit weisen keine solchen Verfallserscheinungen auf. Auch nicht annähernd.«

»Hm«, machte Li erneut.

»Da stimmt eindeutig etwas nicht.«

»Mehr als die üblichen normalen Ermüdungsfaktoren?« fragte Klein.

»Viel schlimmer.«

»Was könnte das Ihrer Meinung nach sein?«

Yang zuckte ihre schmalen Achseln. »Es könnte psychologisch bedingt sein. Oder vielleicht auch körperlich. Oder eine Kombination von beidem.«

Tolbukhin lachte sie aus. »Sie decken alle Möglichkeiten ab, und im Ergebnis erzählen Sie uns nichts, womit wir etwas anfangen könnten.«

Li warf dem Kosmonauten einen scharfen, mißbilligenden Blick zu. Dann fragte er Dr. Yang: »Haben Sie die physiologischen Profile überprüft, die Doktor Reed heraufgeschickt hat?«

»Ja. Das war das erste, was ich getan habe. Sie sahen alle durchaus normal aus. Das Bodenteam ist bei guter Gesundheit.«

»Und die psychologischen Berichte?«

»Die scheinen ebenfalls normal zu sein, obwohl sich ein Problem in diesem Bereich leichter verbergen läßt als bei den ärztlichen Untersuchungen.«

»Haben Sie mit Doktor Reed darüber gesprochen?«

»Noch nicht. Die Missionsvorschriften legen eindeutig fest, daß ich Sie über dieses Problem informieren muß, bevor ich mit jemandem vom Bodenteam Kontakt aufnehme.«

»Ah ja. Die Vorschriften. Nun, dann wollen wir beide mit Doktor Reed sprechen. Und zwar sofort.«

Tolbukhin zog skeptisch eine Augenbraue hoch. Klein machte ein besorgtes Gesicht.

SOL 36

ABEND

»Nein, von einer akuten Verschlechterung ihres körperlichen Zustands habe ich nichts bemerkt«, sagte Tony Reed zu Lis Bild auf seinem Kommunikationsbildschirm. Er warf einen Blick zu Wosnesenski, der ihn mit finsterer Miene ansah. »Hier scheinen alle körperlich einigermaßen in Form zu sein. Auch Naguib hat sich recht gut von seinen Prellungen und Quetschungen erholt.«

Reed saß in der kleinen Kabine seines Krankenreviers. In der Nähe der Falttür, außerhalb des Blickfelds der in die Kommunikationsanlage eingebauten Kamera, saß Wosnesenski bedrohlich wie ein Polizist auf dem Untersuchungshocker, die Arme störrisch vor der dicken Brust verschränkt.

»Wie erklären Sie sich dann diesen Leistungsabfall?« fragte Dr. Yang über Lis Schulter hinweg.

Reed setzte ein ausdruckslos-höfliches Lächeln für sie auf. »Das muß ich mir erst genauer ansehen. Als erstes werde ich schnell einmal ein paar Untersuchungen durchführen, um mich zu vergewissern, daß wir nicht mit irgendwelchen Erregern infiziert sind.«

»Wie ist die psychologische Verfassung des Teams?« fragte Li. Sein langes, bleiches Gesicht war von Sorgenfalten gefurcht.

»Keine größeren Probleme. Alle scheinen mit ihrer Tätigkeit zufrieden zu sein. Selbst Patel hat sich wieder an die Arbeit gemacht und aufgehört zu meckern.«

Yang fragte: »Weshalb hat Brumado Waterman bei der EVA begleitet und nicht Malater, wie es im Plan vorgesehen war?«

»Keine Ahnung«, erwiderte Reed und widerstand dem Drang, erneut zu Wosnesenski hinüberzuschauen. »Da muß ich sie fragen.«

Li blickte einen langen Moment vom Bildschirm herunter, direkt in Reeds Augen. Aus seinen Sorgenfalten um Mund und Augen begann ein ganz leiser Hauch von Argwohn zu sprechen. So kam es Tony jedenfalls vor.

»Das ist eine sehr ernste Angelegenheit«, sagte er schließlich. »Die Berichte, die Sie geschickt haben, lassen darauf schließen, daß mit den Mitgliedern des Bodenteams körperlich und seelisch alles in Ordnung ist, aber ihre Leistungsfähigkeit läßt in alarmierendem Tempo nach. Sie müssen herausfinden, was da vorgeht. Wenn Ihnen das nicht gelingt, muß ich das ganze Team zurückbeordern und die Erkundung der Marsoberfläche vorzeitig abbrechen.«

»Daran brauchen Sie nicht einmal zu denken!« fuhr Reed auf. »Falls wirklich etwas nicht stimmt — was ich bezweifle —, bin ich voll und ganz imstande, die Ursache des Problems festzustellen und die erforderlichen ärztlichen Maßnahmen zu ergreifen.«

Li nickte. Seine Miene war immer noch mißtrauisch. »Bitte unterrichten Sie Doktor Yang täglich. Und falls erforderlich, auch öfter als einmal am Tag.«

»Ja. Natürlich.«

»Noch etwas?« fragte Li, an Dr. Yang gewandt, und drehte sich ein wenig zu ihr um.

»Ich würde gern auf die Oberfläche hinuntergehen«, sagte sie abrupt. »Um Doktor Reed zu assistieren.«

Wosnesenski schüttelte heftig den Kopf.

»Das ist nicht nötig«, sagte Tony. »Wenn es ein Problem gibt, kann ich es ausräumen. Und falls ich Unterstützung brauche, werde ich Sie darum bitten. Darauf können Sie sich verlassen.«

Li sah Dr. Reed und dann Dr. Yang kurz an, dann richtete er seinen Blick wieder auf Reed. Selbst durch den Kommunikationsbildschirm spürte Tony den Argwohn, der immer noch in diesen mandelförmigen Augen schimmerte.

»Leute aus dem Orbit zum Mars hinunterzuschicken, ist keine Kleinigkeit. Wir haben nur noch zwei Abstiegs- und Aufstiegsfahrzeuge. Die muß ich nach Möglichkeit zurückhalten, falls es einmal einen größeren Notfall gibt.«

»Ich versichere Ihnen, es ist nicht nötig«, wiederholte Reed.

»Führen Sie Ihre Untersuchungen rasch durch«, sagte Li. »Das ist eine äußerst dringliche und wichtige Angelegenheit.«