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Die Götter trugen Federn und glitzernde Perlen. Ihre Gesichter waren die von Totems: Fuchs, Adler, Hund, Schlange. Sie hatten prachtvolle Körper, aufrecht und hochgewachsen wie stolze Kiefern, mit herrlichen Muskeln; sie glänzten wie poliertes Kupfer.

Sie versammelten sich feierlich und schweigend um Jamie, bildeten einen Kreis um ihn, bis er sich in ihrer hehren Gegenwart wie ein kleines Kind fühlte. Jamie betastete das Totem, das sein Großvater ihm gegeben hatte; der Bär war sein Beschützer und sein Führer.

»Ich bin zu euch zurückgekehrt«, sagte Jamie zu den Göttern. »Ich bin in euer Reich zurückgekommen.«

Die Götter schwiegen. Sie starrten wortlos auf Jamie herab, während die sanften Winde des Mars ihr Morgenlied sangen.

»Ich komme aus weiter Ferne«, erklärte Jamie und zeigte auf einen einzelnen Stern, der sogar am Tageshimmel leuchtete. »Von der Erde.«

Die Götter rückten näher, ragten drohend über Jamie auf, so daß er sich klein und schwach vorkam. Er hatte Angst. Seine Knie zitterten. Er schwitzte stark.

»Du hast alle Krankheiten des weißen Mannes mitgebracht«, sagte die Stimme der Götter. »Du hast den Tod zu unserem Wohnsitz gebracht.«

»Nein!« protestierte Jamie. »Ich bringe euch Leben!«

»Du bringst den Tod.«

Sie erhoben die Hände gegen Jamie. Jeder hatte einen mächtigen Gegenstand in der Hand. Bei manchen war es eine Rassel, die aus einem riesigen Flaschenkürbis gefertigt und in fröhlichen Farben bemalt war. Bei anderen war es ein schwarz gestrichener, äußerst bedrohlich wirkender Knüppel. Sie schwangen die Knüppel, rasselten mit den Kürbissen. Und verschwanden.

Die Götter verschwanden, verblaßten, und aus der Welt um sie herum entwich alles Leben. Die Blumen, die Blüten, die schönen Adobestädte schmolzen dahin, lösten sich auf und ließen nur die leere Trostlosigkeit des Mars zurück, so weit das Auge reichte.

Das summende Rasseln der Flaschenkürbisse ertönte jedoch weiterhin — bedrohlich, beharrlich, unentrinnbar.

Jamie erkannte, daß es das Summen der Kommunikationskonsole war. Er schlug die Augen auf und wechselte so widerstrebend vom Traum zur Realität wie ein Mann, der ein warmes Feuer verläßt, um einem Wintersturm zu trotzen.

Er befand sich im Rover. Einen halben Meter über ihm dehnte sich die graue Unterseite von Joannas Liege. Noch näher, zu seiner Linken, lag Connors ausgestreckt und in seine Decke verheddert. Das Gesicht des Astronauten war von einem Schweißfilm bedeckt. Sein schlafendes Gesicht war verzerrt; er sah aus, als hätte er Schmerzen.

Die verdammte Kommunikationsanlage im Cockpit summte wie ein Hornissenschwarm. Außer ihm schien es niemand zu hören. Jamie kroch vorsichtig aus seiner Koje und tappte auf seinen Socken ins Cockpit. Er fröstelte. Sein Overall war von kaltem Schweiß durchtränkt. Sein Kopf dröhnte, als ob er einen fürchterlichen Kater hätte.

Er ließ sich auf den rechten Sitz fallen und legte einen Finger auf die Taste, die den Kommunikator aktivierte. Mit der anderen Hand begann er das kleine Rad zu drehen, mit dem der Thermovorhang von der Kanzel gezogen wurde. Draußen auf dem Boden des Canyons war es noch dunkel. Das einzige Licht im Cockpit kam von den hellen Anzeigen an der Instrumententafel.

Seiji Toshimas rundes Gesicht erschien auf dem kleinen Bildschirm. Mit den dicken Tränensäcken unter den trüben Augen sah er genauso aus, wie Jamie sich fühlte.

»Tut mir leid, daß ich Sie so früh wecke«, sagte der Meteorologe ohne Einleitung, »aber ich muß Sie vor einem Staubsturm warnen, der heute vormittag über Ihre Region hereinbrechen könnte.«

»Staubsturm?« murmelte Jamie. »Was?«

»Ein Staubsturm! Windgeschwindigkeiten von zweihundert Knoten. Sicht beinahe gleich Null. Teilchendichte in der Luft hoch genug, um ungeschützte Geräte zu beschädigen. Ihr müßt euch vorbereiten!«

»Moment …« Jamie schwirrte der Kopf. »Langsam. Wovon sprechen Sie?«

»Das Grabensystem wirkt wie ein Windkanal«, sagte Toshima in rasantem Tempo. »Die herannahende Kaltfront wird eine Energiewelle in den Canyon schicken und einen äußerst heftigen Staubsturm erzeugen. Ihr müßt darauf vorbereitet sein! Ungeschützte Geräte könnten beschädigt werden. Menschen, die sich draußen im Freien befinden, könnten die Orientierung verlieren. Der Staub könnte so dicht werden, daß die Sicht stark eingeschränkt ist. Sogar Funkverbindungen könnten betroffen sein.«

»Aber ich dachte, die Stürme kämen zu dieser Jahreszeit nicht so weit nach Süden«, sagte Jamie, als ihm allmählich dämmerte begann, was Toshimas Worte bedeuteten.

Der Meteorologe bremste sich und erklärte, er glaube, der gesamte Grabenkomplex könne zu einem riesigen Windkanal voller Staub in der Luft werden.

»Ich kann euch stündlich auf dem laufenden halten«, sagte er. »Ich habe Ulanow und Diels im Orbiter gebeten, alle Instrumente heute vormittag auf das Canyongebiet zu richten. Glücklicherweise bleibt das Raumschiff in seiner Umlaufbahn konstant über dieser Hemisphäre.«

Jamie hörte die Geräusche der anderen, die hinter ihm von ihren Liegen aufstanden.

»Ich würde davon abraten, heute eine EVA zu unternehmen, bei der sich jemand mehr als ein paar Minuten Fußmarsch vom Fahrzeug entfernt«, sagte Toshima. »Bei Windgeschwindigkeiten von zweihundert Knoten könnte so ein Sturm bei euch sein, bevor ihr es richtig bemerkt.«

»Mist«, schimpfte Jamie. »Angenommen, wir fahren mit dem Rover weiter nach Westen? Das wollten wir sowieso tun. Dann graben wir dort ein tiefes Bohrloch und statten es mit Meßinstrumenten aus.«

Toshima zog die Augenbrauen hoch. »Der Sturm wird euch einholen, ganz gleich, wo ihr seid.«

»Falls es tatsächlich einen Sturm gibt«, sagte Jamie.

Der japanische Meteorologe schloß kurz die Augen. »Ja«, zischte er. »Falls meine Vorhersage korrekt ist.«

Jamie lehnte sich im Sitz zurück. Er war jetzt schon erschöpft. »Okay. Danke für die Warnung. Geben Sie uns eine Stunde, damit wir die Sache besprechen und frühstücken können. Dann melden wir uns wieder.«

Toshima wandte den Blick vom Bildschirm ab, dann wurde er von Wosnesenski beiseite geschoben. Der Russe schaute noch grimmiger drein als sonst.

»Jamie, wir haben die Lage mit Doktor Li erörtert. Toshimas Vorhersage ist nicht hundertprozentig sicher, aber ernst genug, daß man sie beherzigen muß.«

»Ja. Ich verstehe.«

»Ihr unternehmt keine EVA und keine Fahrt mit dem Rover ohne vorherige Abstimmung mit mir«, sagte Wosnesenski.

Jamie nickte.

»Jetzt würde ich gern mit Connors sprechen.«

Es kostete Jamie Mühe, den Kopf zu drehen und in den rückwärtigen Teil des Moduls zu schauen. »Er ist auf der Toilette«, sagte Jamie zum Bildschirm. »Ich sage ihm, daß er Sie anrufen soll.«

»Ja. Sofort, wenn er herauskommt.«

Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis alle vier sich gewaschen und ihre Tagesoveralls angezogen hatten. Jamie war bereits zu erschöpft, um auch nur ans Rasieren zu denken. Ein Vorteil des indianischen Blutes, sagte er sich, als er mit trüben Augen in den Spiegel spähte. Kein sonderlich starker Bartwuchs. Als er aus der Naßzelle kam, bemerkte er, daß Connors sich ebenfalls nicht rasiert hatte. Sein Bart war von grauen Strähnen durchsetzt; er machte ihn älter.

Sie klappten schweigend die Liegen ein und setzten sich auf die Bänke, vier dampfende Mahlzeiten auf dem Tisch zwischen ihnen, dazu die übliche Flasche Vitaminpillen.