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Zwei telefonzellengroße Badenischen schlossen die Privatkabinen zu beiden Seiten ab. Deren Benutzungsplan würde ein ziemliches Problem werden.

Um das Zentrum der Kuppel herum waren Gemeinschaftsräume gruppiert: eine Kombüse; eine Messe, nicht mehr als ein Trio von Tischen mit zierlichen, der Marsschwerkraft angemessenen Stühlen aus leichtem Plastik; und ein Kommunikationszentrum mit Tischcomputern und Bildschirmen. Die Arbeitsplätze der einzelnen Wissenschaftler reihten sich an der kreisförmigen Außenwand auf. Alle Wissenschaftler waren selbst dafür zuständig, ihre Ausrüstung auszupacken und sich ihren Arbeitsplatz einzurichten. Der größte Teil ihrer Ausrüstung war noch oben im Orbit; der zweite Lander würde ihn mitbringen.

Nach ihrem langen Arbeitstag begannen die vier Wissenschaftler und die beiden Astronauten, ihre Tornister abzulegen und sich aus den Raumanzügen zu schälen, die sie seit über zwanzig Stunden trugen.

Gleich darauf lagen die Anzüge wie abgelegte Teile bunter Rüstungen auf dem Boden herum, und die sechs Mitglieder des Teams standen in ihren braunen, olivgrünen oder aquamarinblauen Overalls da. Wir sehen wieder wie menschliche Wesen aus, dachte Jamie.

Wie ängstliche menschlichen Wesen. Jeder starrte die anderen stumm an, als sähe er sie zum ersten Mal. Jeder erkannte mit absoluter Endgültigkeit, daß sie über hundert Millionen Kilometer von zu Hause, von der Sicherheit entfernt waren, daß ein einziger fehlerhafter Transistor oder ein winziger Riß in der Plastikhaut der Kuppel sie alle gnadenlos und ohne Vorwarnung töten konnte.

Sie standen schweigend da, mit großen Augen und offenem Mund, die Hände steif vom Körper weggestreckt, als würden sie die Welt prüfen, auf der sie standen, und sich darüber klar zu werden versuchen, ob sie freundlich zu ihnen sein würde oder nicht. Wie Kinder, die es plötzlich an einen vollkommen neuen Ort verschlagen hatte, hielten sie den Atem an und blickten sich wortlos um.

Tony Reed brach das gespannte Schweigen. »Ich bringe ja nur äußerst ungern etwas so Prosaisches zur Sprache, aber ich könnte wirklich was zwischen die Zähne gebrauchen. Wie wär’s mit Abendessen?«

Wosnesenski schnaubte, Connors lachte laut, und die anderen grinsten breit. Sie ließen ihre abgelegten Anzüge auf dem Boden liegen und strömten zur Kombüse, wo sechs tiefgefrorene, vorgekochte Mahlzeiten flugs in der Mikrowelle erwärmt wurden, bis sie dampften und fertig waren.

Joanna Brumado verschwand kurz in ihrer Kabine und kam mit einer Flasche spanischem Sekt zurück.

»Haben Sie den aus Brasilien mitgebracht?« fragte Pete Conners.

»Natürlich nicht«, sagte Reed verächtlich. »Offenkundig hat Joanna die Trauben auf dem Weg hierher fermentiert.«

Der Korken flog knallend heraus, und Sekt ergoß sich schäumend über ihren Eßtisch.

»Er ist leider nicht richtig gekühlt«, entschuldigte sich Joanna.

»Das ist schon in Ordnung. Machen Sie sich deswegen keine Sorgen.«

Stellen wir ihn doch ein oder zwei Minuten raus, dachte Jamie. Dann ist er eiskalt.

Der Sekt reichte gerade für ein Glas pro Person. Reed saß zwischen der gertenschlanken, blonden Ilona und der dunkeläugigen, kleinen Joanna. Die Israeli hatte selbst in dem graubraunen Overall das hagere, hochmütige Aussehen einer Aristokratin. Joanna sah wie ein Straßenkind aus; sie konnte die Nervosität, die dicht hinter ihren großen dunklen Augen lag, kaum unterdrücken.

Der rotblonde, athletisch gebaute Reed schien sich rundum wohlzufühlen. »… also haben wir wirklich den gleichen Komfort wie zu Hause, jedenfalls beinahe«, sagte er gerade.

»Beinahe«, bestätigte Ilona Malater.

»Essen, Luft, gute Gesellschaft«, scherzte Reed. »Was kann man mehr verlangen?«

»Das Wasser ist wiederaufbereitet«, sagte Ilona. »Stört dich das nicht?«

Reed fuhr sich mit einer Fingerspitze über den bleistiftdünnen, rotblonden Schnurrbart. »Ich muß zugeben, ich hätte lieber etwas, womit man das Wasser reinigen könnte. Whisky käme mir da durchaus gelegen.«

»Das ist nicht erlaubt«, sagte Joanna ernsthaft. »Ich habe schon mit meiner Flasche Sekt gegen die Vorschriften verstoßen.«

»Ja«, sagte Ilona. »Es überrascht mich, daß er …« — sie neigte den Kopf leicht zu Wosnesenski, der am Kopfende des Tisches saß — »dich nicht getadelt und die Flasche für sich beschlagnahmt hat.«

»Ach, so schlimm ist er nicht«, sagte Reed. »Den biegen wir schon hin, keine Angst.«

Die israelische Biochemikerin machte eine skeptische Miene. Dann sagte sie: »Ich wünschte, wir hätten wirklich Scotch Whisky hier.«

»Vielleicht könnte ich dir welchen aus den Vorräten für mein Krankenrevier mixen.«

Ilona zog eine Augenbraue hoch. Joanna machte ein entgeistertes Gesicht.

»Du mußte aber vorsichtig sein«, führ Reed fort. »Ich habe mal eine Flasche Scotch mit einem Schotten getrunken. Als ich ein bißchen Wasser dazugegeben habe, hat es den Mann doch tatsächlich geschüttelt!«

Beide Frauen lachten.

Die zwei Piloten saßen am Ende des kleinen Tisches und unterhielten sich über das Fliegen, nach ihren Handbewegungen zu urteilen. Ein hellhäutiger Russe und ein schwarzer Amerikaner, deren Nationalität, ja sogar Rassenzugehörigkeit hier weniger bedeutete als die Tatsache, daß sie eher Flieger als Wissenschaftler waren: bestenfalls Ingenieure. In der Rangordnung waren sie klar unterhalb der Wissenschaftler angesiedelt. Der Amerikaner war schlaksig und hatte die dünnen Arme und Beine eines Tänzers. Der Russe war kleiner und dicker, und sein rotbraunes Haar war in seiner Kindheit wahrscheinlich ziegelrot gewesen. Sein fleischiges Gesicht, das normalerweise finster dreinschaute, war jetzt mit Leben erfüllt, und seine hellblauen Augen funkelten, als er über das Fliegen sprach.

Jamie wußte, daß er hier der Außenseiter war. Fast vier Jahre lang hatten diese Männer und Frauen mit Pater DiNardo trainiert, dem jesuitischen Geologen, der ursprünglich für die Marsexpedition ausersehen gewesen war. Jamie hatte unter ferner liefen rangiert und ebenfalls nahezu vier Jahre lang jede Sekunde jedes Tages gewußt, daß er nur der Form halber an dem Training für eine Mission teilnahm, bei der er garantiert nicht mit von der Partie sein würde. Und dann war DiNardo von seinem Gott mit einer Gallenblaseninfektion niedergestreckt worden, die operativ behandelt werden mußte, und sein designierter Ersatzmann war prompt politischen Ränken zum Opfer gefallen. Plötzlich, o Wunder, hatte James Waterman — der amerikanische Indianer — unglaublicherweise zu dem Team gehört, das tatsächlich den Fuß auf den Mars setzen würde.

Ein Roter auf dem Roten Planeten, sinnierte Jamie. Ich bin hier, aber nur durch blindes Glück. Sie akzeptieren mich, aber DiNardo war ihre erste Wahl; ich bin nur ein Ersatz.

Ja, hörte er die leise Stimme seines Großvaters. Aber du bist hier, auf dem Mars, und der Anglo-Priester nicht.

Jamie hätte beinahe gelächelt. Für seinen Großvater war sogar ein Jesuit aus dem Vatikan ein Anglo. Jamie freute sich, daß er zu dem ersten Forscherteam auf dem Mars gehörte, doch gerade diese Freude rief ein latentes Schuldgefühl in ihm wach. Er hatte dieses Vorrecht auf Kosten des Leids anderer errungen. Ein echter Navajo würde Angst vor Vergeltung haben.

Wosnesenksi stieß sich vom Tisch ab und stand auf.

»Wir sollten jetzt Schlafengehen«, sagte er barsch, als rechnete er mit Widerspruch. »Morgen müssen wir für die Ankunft des zweiten Teams bereit sein. Und bevor wir zu Bett gehen, müssen wir noch die Anzüge reinigen und ordentlich verstauen.«