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»Vielleicht sollte ich wieder zurückgehen und ihnen helfen.«

»Sie bleiben hier«, sagte Iwschenko fest. »Mikhail Andrejewitsch hat strikte Anweisungen gegeben. Er macht das schon.«

Jamie verspürte ein Gefühl zwischen Frustration und Schuldbewußtsein und merkte, wie sein Körper sich verspannte. Er wollte helfen, wollte aktiv sein und nicht wie ein Zuschauer herumsitzen. Aber eine Stimme in seinem Hinterkopf sagte ihm: Du bist nicht in der Verfassung, wieder hinauszugehen. Du hast dein Teil getan. Du kannst nicht alles tun. Laß die anderen helfen. Die Spannung löste sich.

Widerstrebend akzeptierte er die Situation, blieb im Cockpit sitzen und lauschte den Gesprächen der Leute im anderen Rover. Joanna wollte nicht ohne ihre Probenbehälter gehen, die Boxen mit den kostbaren Exemplaren marsianischer Flechten darin. Jamie hörte ihrer Diskussion über Sprechfunk zu. Joannas Stimme war schwach, erschöpft, atemlos. Aber ihr Wille war stärker als der härteste Stahl. Sie weigerte sich strikt, den Rover ohne die Probenbehälter zu verlassen.

Wosnesenski legte das Problem abrupt in Jamies Schoß. »Waterman, Sie sind der wissenschaftliche Leiter. Was schlagen Sie vor?«

Iwschenko schaute durch das enge Cockpit zu Jamie herüber.

»Wir sind den ganzen Weg hierher gekommen, um festzustellen, ob es hier Leben gibt«, sagte Jamie. »Können Sie die Behälter am Kabel festmachen und sie zusammen mit den Leuten herüberschicken?«

Eine lange Pause, dann murmelte Wosnesenski: »Also gut.«

»Danke«, sagte Joannas Stimme wie aus weiter Ferne.

Die Außenkamera des Rovers war nach vorn auf das straff gespannte Kabel zwischen den beiden Fahrzeugen gerichtet und auf maximale Vergrößerung eingestellt. Auf dem Bildschirm in der Mitte der Kontrolltafel sah Jamie den halb begrabenen Luftschleusendeckel des Rovers aufschwingen. In der Luke stand Joanna in ihrem leuchtend orangefarbenen Raumanzug; Wosnesenski stand in seinem knallroten Anzug neben ihr. Der Kosmonaut half ihr ins Klettergeschirr und befestigte es dann am Seil der Winde.

»Wir sind soweit«, hörte Jamie in seinem Kopfhörer. »Setzt die Winde in Gang.«

Der Motor begann zu heulen. Joanna wurde von den Füßen gerissen und kam auf Jamie zu. Sie baumelte in dem Geschirr, und ihre Stiefel glitten nur wenige Zentimeter über dem gewellten Sand dahin. Hinter ihr befestigte Wosnesenski vier sperrige Boxen am Kabeclass="underline" die Biokästen mit den sicher verstauten Proben der marsianischen Flechten darin.

Joanna gab keinen Mucks von sich, während sie über den trügerischen Sandsee schwebte. Jamie hörte, wie Wosnesenski und Connors sich über Sprechfunk unterhielten und vor Anstrengung grunzten und keuchten, als sie die halb bewußtlose Ilona in ihren Anzug verfrachteten. Joanna glitt in ihrem Anzug an ihm vorbei. Ihre behandschuhten Hände umklammerten das Kabel, aber ihre Füße baumelten herab, als wäre sie bewußtlos. Oder tot.

Es geht ihr gut, sagte sich Jamie. Sie weiß nur nicht, wie man sich richtig festhält. Sie hat vergessen, was sie uns beim Training gezeigt haben: wie man sich mit dem Sicherheitskabel aus dem Shuttle entfernt, wenn es einen Defekt auf der Abschußrampe gibt. Sie kommt schon wieder in Ordnung.

Trotzdem schien es ihm eine Stunde zu dauern, bis er hörte, wie sich die Luftschleuse in seinem Rücken mit einem seufzenden Laut öffnete. Jamie drehte sich im Cockpitsitz um und sah Joanna in ihrem leuchtenden Anzug erschöpft ins Modul wanken. Reed stützte sie in seinem gelben Anzug wie ein dienstbeflissener Roboter, der einem von seinesgleichen half. Die beiden stapften schwerfällig bis zur Mitte des Moduls, wo Joanna halb auf einer der eingeklappten Bänke zusammenbrach.

Jamie stemmte sich aus seinem Sitz hoch und stolperte nach hinten zu ihr, erstaunt darüber, wie schwach er immer noch war.

»Können Sie sich um sie kümmern?« Reeds Stimme kam gedämpft aus dem Innern des Helms. »Die Probenbehälter sind unterwegs, und Mikhail schreit schon herum, daß ich sie vom Seil nehmen soll.«

»Klar, mache ich«, sagte Jamie mit zittriger Stimme.

Er half Joanna, den Helm abzunehmen. Sie lächelte ihn kraftlos an. Er drückte sie sanft nach hinten, so daß sie halb lag und mit dem Rücken am Schott des Rovers lehnte, und versuchte dann, ihr die staubigen Stiefel auszuziehen. Der stechende Geruch von Ozon war beinahe angenehm — belebend wie Riechsalz.

»Ich glaube, ich schaffe den Rest«, sagte Joanna, als er ihr die Stiefel ausgezogen hatte.

Jamie sank neben ihr auf die Bank und drehte sie dann halb um, so daß er an ihren Tornister herankam.

»Ich helfe dir.«

»Ich hatte Angst … du könntest da draußen gestorben sein.«

»Ich auch.«

»Das war sehr tapfer, was du getan hast.«

Er versuchte zu lachen. Es klang eher wie ein Stöhnen. »Tapferkeit und Angst sind zwei Seiten einer Medaille, nehme ich an. Ich hatte Angst, wir würden alle sterben.«

»Du hast uns gerettet. Du hast mich gerettet.«

»Tony hat mich gerettet. Tony und Mikhail. Hier gibt es soviel Heldentum, daß es für alle reicht.«

Er löste den letzten Anschluß des Tornisters und nahm ihr das unförmige Ding ab. Es war schwer, schwerer als Jamie es in Erinnerung hatte. Er langte hinüber und stellte es auf die gegenüberliegende Bank. Dann half er ihr beim Öffnen des Anzugoberteils.

»Bitte, Jamie«, sagte Joanna. »Das schaffe ich jetzt allein. Du solltest dich bereitmachen, Ilona zu helfen. Sie ist wirklich in schlimmer Verfassung.«

Er nickte. »Okay.«

Bevor er sich jedoch von der Bank erheben konnte, hob Joanna eine Hand an seine Wange und zog sein Gesicht zu ihrem herunter. Sie küßte ihn zärtlich.

»Danke«, flüsterte sie.

Er legte eine Hand um ihren Nacken, fühlte ihr seidiges dunkles Haar und küßte sie.

Bevor ihm etwas einfiel, was er sagen konnte, hörten sie beide dumpfe Geräusche aus der Luftschleuse.

»Ilona«, sagte Joanna. »Sie braucht Hilfe.«

Jamie stand auf und ging zur Schleusenluke. Ilona war kaum bei Bewußtsein und völlig außerstande, unter dem Gewicht ihres Anzugs auf den eigenen Beinen zu stehen. Jamie und Reed legten sie auf die andere Bank und nahmen ihr den Helm und den Tornister ab.

Sie sieht halbtot aus, dachte Jamie. Ihr Blick war leer, die Augen waren glasig und blutunterlaufen, mit tiefen dunklen Ringen darunter. Ihre Wangen waren hohl und eingefallen, und ihr Atem stank entsetzlich.

Aber sie brachte ein mühsames kleines Lächeln zustande, als sie zu Jamie aufblickte. »Ein Mann … sollte eine Frau nie … morgens in aller Frühe sehen.«

»Dieser Morgen zählt nicht«, sagte Jamie.

»Na gut … aber nur … dieses eine Mal.«

Connors und schließlich auch Wosnesenski schwebten an dem Kabel über den sandgefüllten Krater. Als die Sonne an ihrem höchsten Punkt stand, hatten sie alle ihre Anzüge abgelegt, und Wosnesenski saß mit einem breiten Grinsen im Gesicht an den Steuerelementen im Cockpit.

»Jetzt fahren wir zur Kuppel zurück«, sagte er. »Und dann geht es in ein paar Tagen in den Orbit.«

»Und aus dem Orbit zurück zur Erde«, sagte Connors, der auf einer der Bänke hockte.

Iwschenko war vorn im Cockpit bei Wosnesenski. Jamie saß auf der Bank zwischen Joanna und dem Astronauten. Reed stand neben der Kombüse, mit dem Rücken zur Schleusenluke. Sie hatten die untere Liege auf der anderen Seite heruntergelassen, damit Ilona darauf liegen konnte. Sie schien zu schlafen. Der Rover setzte sich abrupt in Bewegung.

»Sie haben uns den Hals gerettet, Mann«, sagte Connors.

»Ich nicht«, sagte Jamie. »Tony …«

Aber Joanna unterbrach ihn, indem sie ihm eine Hand auf den Oberschenkel legte. »Du hast uns gerettet. Und nicht nur uns. Auch unsere Marsproben.«

Jamie schaute in ihr verhärmtes, blasses Kleinmädchengesicht hinunter. Hat sie mich nur deshalb geküßt? Weil ich ihre verdammten Flechten gerettet habe?