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Er legte auf. Mit einemmal fühlte er sich innerlich hohl und leer, als wäre er endlich durch eine Tür gebrochen, die ihm verschlossen gewesen war, und hätte festgestellt, daß dahinter nichts als leere Luft lag.

Er stieg aus dem Bett, duschte, rasierte sich, packte erneut seine vielbenutzte Reisetasche und fuhr zum Zentrum hinaus. Im Reisebüro wartete natürlich ein Team grinsender Männer und Frauen auf ihn.

»In einer halben Stunde steht eine Maschine für Sie auf dem Rollfeld bereit.«

»Was ist mit meinem Auto?« Jamie stellte plötzlich fest, daß er keine Vorsorge für den Wagen, die Wohnung, die Möbel getroffen hatte. Absurderweise fragte er sich, was er mit seinen Zeitschriften- und Zeitungsabonnements machen sollte.

»Wir kümmern uns um alle Einzelheiten. Unterschreiben Sie nur diese Formulare.«

Jamie kritzelte seinen Namen hin, ohne die Formulare zu lesen. Scheiß drauf, dachte er. Sie können den Wagen und alles andere haben. Werde ich auf dem Mars nicht brauchen!

Sie fuhren ihn zum Rollfeld. Sämtliche Mitarbeiter im Raum quetschten sich in einen grauen Station Wagon der Agentur und drückten sich an Jamie, weil sie dem Mann, der zum Mars fliegen würde, so nahe wie möglich sein wollten. Jamie hatte nichts gegen ihre Nähe, er war dankbar, daß er chauffiert wurde; er hätte sich nicht zugetraut, selber zu fahren. Allmählich packte ihn die Erregung. Der Mars. Geologe des ersten Landeteams. Der Mars.

Edith stand in Jeans und einem leichten Pullover am Eingang des Hangars. Offenkundig nicht ihre Arbeitskleidung. Er schämte sich auf einmal, daß er sie nicht angerufen hatte.

»Wie hast du’s erfahren?« fragte er, die Reisetasche in einer Hand.

Sie grinste zu ihm hinauf. »Ich habe meine Quellen. Ich bin bei den Nachrichten, weißt du.«

»Ich …« Jamie wußte nicht, was er sagen sollte. Die Mitarbeiter, die ihn hergefahren hatten, die Flughafenmechaniker — zu viele Menschen beobachteten ihn.

Ediths Grinsen wurde wehmütig. »Tja, wir haben gewußt, daß es nicht für immer sein würde. Es war aber schön mit dir.«

»Du bist der wichtigste Mensch auf der Welt für mich, Edith.«

»Aber nur auf dieser Welt. Jetzt mußt du an eine andere denken.«

»Ja.« Er lachte. Er fühlte sich unsicher und ganz schwach.

Sie schlang ihm die Arme um den Hals und gab ihm einen dicken Kuß. »Viel Glück, Jamie. Ich wünsche dir alles Gute in beiden Welten.«

Ihm fiel nichts anderes ein als: »Ich komme zurück.«

»Aber sicher«, antwortete sie.

SOL 3

VORMITTAG

»Heute ist der große Tag, hm?«

Obwohl Pete Connors Düsenjägerpilot war und als Astronaut über zwanzig Shuttle-Einsätze vorzuweisen hatte, erinnerte er Jamie an einen Highschool-Footballspieler Sekunden vor dem Kickoff. Seine dunklen braunen Augen, die normalerweise besorgt dreinblickten, zeigten jetzt eine Erregung, die die meisten Menschen nach ihrer Jugendzeit verlieren, eine kaum zu bändigende Abenteuerlust.

Connors, Jamie und die meisten anderen zogen sich für ihren ersten Tag richtiger wissenschaftlicher Arbeit auf dem Mars an. Heller Sonnenschein fiel durch den transparenten, doppelwandigen Kunststoff im unteren Teil der aufgeblasenen Kuppel herein; die Wettervorhersage versprach einen typischen Spätsommertag: klarer Himmel, leichter Wind, hohe Temperatur, die nach nächtlichen minus achtzig Grad Celsius bis auf rund minus fünfzehn Grad ansteigen würde.

»Der große Tag«, pflichtete ihm Jamie bei und zerrte an der himmelblauen Hose seines Raumanzugs.

Ihre Kleidung bestand aus mehreren Schichten. Zuerst kam der enganliegende Unteranzug, der von dünnen, biegsamen Wasserschläuchen durchzogen war. Das Wasser führte die Körperwärme ab und sorgte dafür, daß die Temperatur in dem stark isolierten Raumanzug für den Träger akzeptabel blieb. Als nächstes kam ein Stoff-Overall und dann der harte Anzug selbst, der so konstruiert war, daß in seinem Innern ein normaler erdähnlicher Luftdruck von etwa neunhundert Millibar herrschte, selbst wenn sich nichts als reines Vakuum außerhalb seiner Metall- und Kunststoffhülle befand.

Man lehnte sich an einen Spind und zog sich mühsam die Hose des harten Anzugs über die Hüften. Das Oberteil ruhte auf einem Gestell, so daß man geduckt daruntertreten und die Arme in die Ärmel stecken konnte, während man gleichzeitig den Kopf durch den glänzenden Metallring des Halsverschlusses steckte. Wenn man den Anzug erst einmal angelegt hatte, war es praktisch unmöglich, sich zu bücken und die Stiefel anzuziehen. Die Forscher kleideten sich immer paarweise an und halfen einander mit den Stiefeln und den Tornistern, die den Luftaufbereiter, die Heizung sowie die Batterien, Pumpen und das Gebläse des Lebenserhaltungssystems enthielten.

Als Jamie auf der Erde zum ersten Mal versucht hatte, einen harten Anzug anzulegen, hatte er mehr als eine Stunde dafür gebraucht, und es war ihm wie eine besonders ausgeklügelte Kombination von Folter und Demütigung erschienen. Als er es zum ersten Mal bei marsianischer Schwerkraft versucht hatte, während ihr Raumschiff sich im Anflug auf den roten Planeten befand, war es viel leichter gewesen. Jetzt jedoch gewöhnte er sich allmählich an die geringe Marsschwerkraft, und es wurde wieder eine schwierige Aufgabe, in den Anzug zu steigen.

Acht Mitglieder des Teams bereiteten sich darauf vor, die Kuppel zu verlassen. Sie zwängten sich in ihre Anzüge wie eine nicht ganz vollständige Football-Mannschaft, die ihre Polster und Trikots anzog. Oder wie Ritter, die ihre Rüstung anlegten. Jamie fragte sich, ob König Artus’ Männer gemurrt und geflucht hatten, wenn sie sich rüsteten.

Der Ankleidebereich bestand aus einer Reihe von Gestellen und Spinden, an und in denen die Anzüge untergebracht waren, mit zwei langen Plastikbänken davor. Die Bänke waren für die Marsschwerkraft gebaut und sahen für Jamie zu dünn aus, als daß man sich gefahrlos daraufsetzen konnte; ihre zierlichen Beine standen zu weit auseinander.

Connors ließ sich jedoch mit Anzug und allem auf eine fallen, um sich von Jamie in seine dicksohligen Stiefel helfen zu lassen. Die anderen taten das gleiche, sah Jamie. Die Bänke sackten unter ihrem Gewicht ein wenig durch, aber nur geringfügig.

Nachdem Jamie die Reißverschlüsse an den Stiefeln zugezogen hatte, stand Connors auf und stampfte auf dem Kunststoffboden herum.

»Gut«, sagte er und nickte in seinem Anzug. »Jetzt Ihre.«

Jamie setzte sich vorsichtig hin. Er bemerkte, daß Ilona Malater neben Joanna stand. Sie waren beide bis auf die Helme voll angekleidet und unterhielten sich leise. Biochemikerin und Mikrobiologin. Von allen Wissenschaftlern, die man zum Mars gebracht hatte, dachte Jamie, hatten die beiden das meiste zu gewinnen. Oder zu verlieren. Wenn sie auch nur einen klitzekleinen Beweis für Leben fanden, würden sie internationale Berühmtheiten werden. Aber wenn sie gar nichts fanden, würde sich die ganze Welt und vielleicht sogar die wissenschaftliche Gemeinde immer fragen, ob ihnen nicht etwas entgangen war.

Hatte die Kommission deshalb nur Frauen für die Biowissenschaften ausgewählt? Das dritte Mitglied des Bio-Teams war Monique Bonnet, die französische Geochemikerin, die einen Schnellkurs in Paläontologie gemacht hatte — nur für den Fall, daß sie in dem roten Sand oder den roten Steinen Fossilien finden sollten.

Die hochgewachsene Israeli beugte sich näher zu Joanna und sagte etwas, das diese zum Lächeln brachte; dann legte sie eine Hand vor den Mund, um nicht laut loszulachen. Sie schauen mich an, stellte Jamie fest. Alle anderen haben bereits ihre Anzüge an und warten darauf, daß wir gehen können. Ich bin der Nachzügler.

Er saß auf der Bank, die Hände um deren Hinterkante geklammert, ein Bein erhoben, so daß sein Fuß ungefähr in Connors Leistengegend ruhte. Die Frauen finden das komisch, dachte Jamie. Er wurde rot.