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Für Jamie sah er wie die Hollywood-Version eines Russen aus. Klein, massiger Rumpf und schwere Gliedmaßen, dunkles, rötlichbraunes Haar und ein fleischiges Gesicht mit heller, fast rosafarbener Haut. Er erinnerte Jamie eher an einen vierschrötigen Schauspieler, der immer den Verbrecher mimte, als an einen erstklassigen Raketenjockey. Ich muß mir seine Biographie in den Missionsakten ansehen, sagte sich Jamie. Obwohl Wosnesenskis Augen so klar, hell und blau wie ein Sommerhimmel waren, unschuldig und beinahe kindlich, lag ein mürrischer und brütender Ausdruck auf seinem fleischigen Gesicht.

»Und ich bin T. Peter Connors«, sagte der schwarze amerikanische Astronaut mit einem gutmütigen Grinsen. »Meine offizielle Position ist Pilot, Sicherheitsoffizier und stellvertretender Teamleiter.«

Connors’ Lächeln war charmant, aber seine rotgeränderten Augen schauten irgendwie wachsam und traurig drein. Er war höchstens einen Zentimeter größer als der Russe, aber viel dünner und schlanker. Im Vergleich zu Wosnesenski wirkte er nahezu schlaksig. Wie ein Vollblutrennpferd neben einem Ackergaul. Seine Stimme war nicht so tief wie die des Russen, aber volltönender, wie die eines Sängers.

»Eins möchte ich von vornherein klarstellen«, erklärte Wosnesenski den vier Wissenschaftlern beinahe knurrend. »Ich bin nicht als Ihr Freund hier. Ich habe das Kommando über Ihre Gruppe, und zwar von dem Moment an, in dem wir die Mars I hier im Erdorbit betreten, bis zu dem Moment, in dem wir in den Erdorbit zurückgekehrt sind und sie wieder verlassen. Insbesondere während der Zeit, die wir auf der Marsoberfläche verbringen, wird meine Aufgabe darin bestehen, dafür zu sorgen, daß alle Ziele der Mission erreicht werden und daß niemandem etwas zustößt. Ich erwarte, daß meine Befehle unverzüglich und ohne Widerrede ausgeführt werden. Der Mars ist kein Universitätscampus. Wir werden die ganze Zeit über militärische Disziplin aufrechterhalten. Ist das klar?«

»Vollkommen klar«, antwortete Tony Reed.

»Irgendwelche Fragen?«

Niemand sagte etwas. Niemand rührte sich auch nur. Sie standen da, mit den Fußfesseln am Boden verankert.

»Gut«, sagte Wosnesenski.

Connors setzte hinzu: »Wenn Sie irgendwelche Probleme haben, können wir immer darüber reden. Wir werden über neun Monate im Transit sein. Da haben wir Zeit, den Missionsplan so genau wie möglich zu besprechen und alle Änderungen durchzukauen, die Sie vornehmen möchten.«

Die beiden spielen also guter Bulle und böser Bulle, dachte Jamie. Ich wüßte gern, ob sie das so geplant haben oder ob es einfach ihrer natürlichen Wesensart entspricht.

Die vier Wissenschaftler sahen sich unsicher an. Wosnesenski gab Connors ein Zeichen, und die beiden Piloten glitten in Richtung zur Luke davon.

»Tja«, sagte Reed, sobald sie außer Hörweite waren, »sieht so aus, als wären wir Hoffmann nur losgeworden, um uns dafür die russische Version eines waschechten Schinders einzuhandeln.«

3

Jamie war überrascht, wie schwer ihm die geistige Umstellung fiel. Sein Körper hatte sich innerhalb von ein paar Tagen an die Schwerelosigkeit gewöhnt. Aber es bereitete ihm immer noch Schwierigkeiten, sich klarzumachen, daß er wirklich zum Mars flog und sogar zum ersten Team gehörte.

Es half auch nicht gerade, daß alle Mitglieder der Marsmission zu niesen und zu husten begannen und ihm die Schuld daran gaben.

»Wir anderen sind über zwei Wochen lang alle miteinander in Star City eingesperrt gewesen«, erklärte ihm Tony Reed beinahe jovial. »Sie sind die Schlange in unserem Paradies; Sie haben irgendein neues Erkältungsvirus mitgebracht, an das wir noch nicht gewöhnt sind.«

Jamie fühlte sich miserabel, was eher an den anklagenden Blicken lag, die ihm seine Kameraden bei jedem Nieser mit ihren verquollenen Augen zuwarfen, als an seinem eigenen dicken Kopf und seiner rasselnden Brust.

Wie in der ersten Schulwoche, sagte er sich. Jeder kriegt alles. Aber er fühlte sich mehr denn jemals zuvor als Außenseiter. Selbst nachdem die Erkältungen ihren üblichen Verlauf genommen hatten und alle wieder gesund waren, blieb Jamie weitgehend für sich, allein und unglücklich — bis ihm einfiel, daß er ja zum Mars flog.

4

Raum und Zeit sind zwei Aspekte ein und derselben Sache, Dimensionen des Universums. In der Raumzeit gab es ein Schlüsselloch oder ein Fenster, wie die Ingenieure im Kontrollzentrum es nannten. Die beiden Marsfahrzeuge mußten zu einer bestimmten Zeit und in einer präzise festgelegten Richtung aus der Erdumlaufbahn starten und mit genau der richtigen Geschwindigkeit durch dieses Schlüsselloch — dieses Fenster — fliegen, wenn sie den sich bewegenden Lichtpunkt erreichen wollten, der schließlich ihr Ziel war.

Dreiundzwanzig Tage lang prüften die zwei Dutzend Männer und Frauen der Marsmission zusammen mit ihrem Expeditionskommandanten, Dr. Li, immer und immer wieder jeden Ausrüstungsgegenstand, der an Bord der langen, schlanken Marsschiffe verladen wurde. Währenddessen brachten Spezialistenteams aus Technikern und Robotern unförmige, ovoide Treibstofftanks am hinteren Ende jedes Schiffes an. Die Raumschiffe sahen damit wie dünne weiße Bleistifte mit Trauben mattgrauer Hustenpastillen am Radiergummiende aus.

Der Treibstoff war auf dem Mond hergestellt und von der luftlosen Mondoberfläche aus zu den im Erdorbit wartenden Raumschiffen katapultiert worden. Die Marsmission nahm nicht nur die Ressourcen der Erde in Anspruch, sondern auch die der Bergbau- und Verarbeitungszentren auf dem Mond.

Am vierundzwanzigsten Tag verließen alle, die zum Mars fliegen würden, endgültig die Montagestation und brachten ihre persönlichen Habseligkeiten zu den Raumschiffen hinüber. Zwölf Männer und Frauen an Bord des Habitatmoduls von Mars 1, zwölf plus Dr. Li in der Mars 2. Niemand erwähnte auch nur ein einziges Mal, daß sich dreizehn Personen an Bord der Mars 2 befinden würden. Keiner der Wissenschaftler oder Piloten würde zugeben, daß er abergläubisch war; trotzdem sprach niemand das Wort ›dreizehn‹ laut aus.

Techniker in Raumanzügen befestigten das lange Raumseil, das die beiden fertig montierten Raumschiffe miteinander verband. Es war in der Mikroschwerkraft-Umgebung einer Raumstation hergestellt worden, und ihre Reißfestigkeit war um ein Vielfaches größer als die irgendeines Materials, das auf der Erde produziert werden konnte.

Sobald sie auf dem Weg zum Mars waren, würden winzige Kaltgas-Schubdüsen in einer exakt programmierten Abfolge feuern und die Raumschiffe in eine gemessene, anmutige Kreisbahn um ein gemeinsames Zentrum versetzen. Das Seil würde sich bis auf seine volle Länge von fünf Kilometern spannen, und in den verbundenen Marsschiffen würde wieder das Gefühl normaler Schwerkraft einkehren, während das Universum draußen sich langsam an ihren Beobachtungsfenstern vorbeidrehen würde.

Ein Haufen astronomische Teleskope und Sensoren für hochenergetische Strahlung waren im Mittelpunkt der Verbindung plaziert worden, wo sie effektiv schwerelos sein und exakt auf die Ziele ausgerichtet bleiben würden, auf die sie von den Astronomen eingestellt wurden, die sie von der Erde aus per Fernbedienung steuern würden.

Andere Schubdüsen würden die Rotation der Schiffe später so weit abbremsen, daß sich die Schwerkraft in ihnen aufs Marsniveau reduzierte. Zu dem Zeitpunkt, wenn sie den Mars erreichten, würden die Forscher vollständig an die niedrige Marsschwerkraft gewöhnt sein. Auf dem neunmonatigen Rückflug nach Hause würde sich die Rotation der Schiffe dann wieder auf ein normales terrestrisches Ge beschleunigen.

Das Innere des Habitatmoduls sah genauso aus wie das Innere jedes Raumschiffes, in dem Jamie jemals gewesen war: ein zentraler Korridor, der entweder von den geschlossenen Türen der Privatkabinen oder den offenen Tischen und Geräteborden der Arbeitsplätze gesäumt wurde.