Выбрать главу

Dennoch ist der Mars der erdähnlichste der Planeten im Sonnensystem. Es gibt Jahreszeiten auf dem Mars — Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Weil er weiter von der Sonne entfernt seine Bahn zieht, ist das Marsjahr annähernd zwei Mal so lang wie das irdische Jahr (ein paar Minuten weniger als 689 Erdentage), und seine Jahreszeiten sind entsprechend fast doppelt so lang wie die auf der Erde.

Der Mars dreht sich fast genauso schnell um seine Achse wie die Erde. Ein Erdentag dauert 23 Stunden, 56 Minuten und 4,09 Sekunden. Ein Tag auf dem Mars ist nur geringfügig länger: 24 Stunden, 37 Minuten und 22,7 Sekunden.

Um Konfusion zu vermeiden, bezeichnen die Raumforscher den Marstag als ›Sol‹. Ein Marsjahr umfaßt also 669 Sol, sowie überständige vierzehn Stunden, sechsundvierzig Minuten und zwölf Sekunden.

Gibt es Leben auf dem Mars?

Diese Frage hat den menschlichen Geist jahrhundertelang beschäftigt. Sie ist die stärkste Antriebskraft hinter unserem Bestreben, zu dem Roten Planeten zu gelangen. Wir wollen mit eigenen Augen sehen, ob es dort Leben geben kann.

Oder früher einmal gegeben hat.

Oder gibt.

SOL 2

NACHMITTAG

Im Anschluß an ihre kleinen Ansprachen nach der Landung sammelten die Wissenschaftler als erstes vorläufige Proben vom Gestein, dem Erdreich und der Atmosphäre des Mars.

Nur für den Fall, daß ein plötzlicher Notfall sie zwingen würde, in aller Eile wieder in ihr L/AV-Fahrzeug zu klettern und in den Orbit um den Planeten zurückzukehren, verbrachten sie ihre ersten zwei Stunden auf dem Mars damit, Steine und Bodenproben in luftdichte Behältnisse zu stecken und Fläschchen mit Luftproben zu füllen, die sie vom Boden bis in eine Höhe von zehn Metern nahmen, letztere mit Hilfe einer langen, dünnen Titanstange.

Währenddessen rollte der Bauroboter über den steinigen Boden zu den drei unbemannten Frachtmodulen, die am Vortag in einem Radius von zwei Kilometern um ihren vorgesehenen Landeplatz herum gelandet waren. Geschäftig wie eine übergroße mechanische Ameise schleppte er ihre Fracht zu der aufgeblasenen Kuppel, die für die nächsten acht Wochen das Zuhause der Forscher sein würde.

Mikhail Andrejewitsch Wosnesenski, Veteran eines Dutzends Raumfahrtmissionen, saß oben im Cockpit auf dem Platz des Kommandanten und behielt sowohl die Wissenschaftler als auch den Missionsplan im Auge. Neben ihm überwachte Pete Connors den Roboter und unterhielt sich mit der Expeditionsleitung im Orbit. Obwohl beide Männer ihre Raumanzüge anbehalten hatten und bereit waren, sofort nach draußen zu stürzen, wenn ein Notfall ihre Hilfe erforderlich machte, hatten sie die Helme abgenommen.

Connors schaltete das Funkgerät aus und drehte sich zu dem Russen um. »Die Jungs oben bestätigen, daß wir nur hundertdreißig Meter von unserem geplanten Zielpunkt entfernt gelandet sind. Sie übermitteln uns ihre Glückwünsche.«

Wosnesenski ließ ein seltenes Lächeln sehen. »Wir wären noch näher herangekommen, aber die Felsblöcke weiter südlich waren zu groß.«

»Sie haben verdammt gute Arbeit geleistet«, sagte Connors. »Kaliningrad wird sich freuen.« Sein voller Bariton war in Kirchenchören ausgebildet worden. Der Amerikaner hatte ein langes, beinahe pferdeartiges Gesicht mit milchschokoladefarbener Haut und großen, sorgenvollen, rotgeränderten braunen Augen. Sein Haar war militärisch kurz geschnitten und wies das charakteristische V eines mitten über der Stirn spitz zulaufenden Haaransatzes auf.

»Sie wissen, was die alten Piloten sagen«, erwiderte Wosnesenski.

Connors schmunzelte. »Jede Landung, nach der man auf den eigenen Beinen gehen kann, ist eine gute Landung.«

»Alle System funktionieren. Wir sind genau in der Zeit.« Das war Wosnesenskis Art, seine exzellente Landung herunterzuspielen. Der Russe mißtraute Schmeicheleien, selbst wenn sie von einem Mann kamen, mit dem er seit fast vier Jahren zusammenarbeitete. Für gewöhnlich lag ein finsterer Ausdruck auf seinem breiten, fleischigen Gesicht. Seine himmelblauen Augen schauten immer skeptisch drein.

»Ja. Und jetzt muß das zweite Team dort landen, wo wir sind. Mal sehen, wie gut Mironow und mein alter Kumpel Abell ihre Sache machen.«

»Mironow ist sehr gut. Ein ausgezeichneter Pilot. Er könnte auf unserem Dach landen, wenn er wollte.«

Connors lachte unbekümmert. »Na, dann hätten wir aber ein höllisches Problem, nicht wahr?«

Wosnesenski zog die Mundwinkel nach oben, aber es kostete ihn offensichtlich Mühe.

Die Wissenschaftler verstauten ihre vorläufigen Proben in der Luftschleusensektion des L/AV. Bei einem Notfall würden die Luftschleusensektion und das darüberliegende Cockpit allein starten. Die untere Hälfte der Landefähre — die Ladebuchten und die Aerobremse — würde auf dem Mars bleiben. Selbst wenn ein oder mehrere Forscher zurückgelassen werden mußten, würden die kostbaren Proben zu den Expeditionsschiffen in der Umlaufbahn und von dort zu den wartenden Wissenschaftlern auf der Erde gelangen.

Nachdem diese erste Aufgabe zu Wosnesenskis Zufriedenheit ausgeführt worden war, befahl er dem Team, Vorräte in die Kuppel zu schaffen. Sie beeilten sich, um der sonderbar kleinen Sonne zuvorzukommen, die sich bereits dem westlichen Horizont näherte. Das Baufahrzeug zog die schweren Paletten mit Geräten, während die Forscher mit scheinbar übermenschlicher Kraft mannshohe, zylindrische grüne Sauerstofftanks und unförmige Kisten schleppten, die auf der Erde mehr als hundert Kilo gewogen hätten.

Jamie, der in seinem Druckanzug wie ein Hafenarbeiter schwitzte, lächelte bitter bei dem Gedanken, daß die erste Aufgabe der ersten Forscher auf dem Mars darin bestand, wie Kulis zu schuften und sich stundenlang ächzend mit schweren Lasten abzuplacken. In den Erklärungen für die Öffentlichkeit und auf den Fernsehbildern erschien alles immer so verdammt leicht, dachte er. Niemand schaut einem Wissenschaftler jemals bei der Arbeit zu — schon gar nicht, wenn er sich wie ein Pferd abrackert.

Weder er noch die anderen schenkten ihrer auf der geringen Gravitation beruhenden Stärke besondere Aufmerksamkeit. Während des etwas über neunmonatigen Fluges von der Erde waren ihre Raumschiffe an einem fünf Kilometer langen Raumseil umeinander rotiert, um den Eindruck von Schwere zu erzeugen, weil längere Perioden in der Schwerelosigkeit die Muskeln gefährlich schwächten und die mineralischen Substanzen in den Knochen abbauten. Ihre künstliche Schwerkraft hatte anfangs ein normales irdisches Ge betragen und war dann während der Monate ihres Fluges langsam auf den marsianischen Wert von ungefähr einem Drittel Ge reduziert worden. Jetzt konnten sie sich auf dem Boden des Mars normal bewegen, mit ihren auf der Erde entwickelten Muskeln aber trotzdem ungeheure Lasten heben.

Am Ende ihres langen, anstrengenden Tages begaben sie sich schließlich ins Innere der aufgeblasenen Kuppel. Die winzige Sonne färbte den Himmel feuerrot, und die Temperatur draußen betrug bereits 45 Grad unter Null.

Den Meßinstrumenten zufolge war die Kuppel mit atembarer Luft gefüllt; Luftdruck und Temperatur entsprachen denen der Erde. Das Thermometer zeigte genau einundzwanzig Grad Celsius.

Sie behielten jedoch alle sechs ihre Druckanzüge an und würden sie auch erst ablegen, wenn Wosnesenski entschied, daß man die Luft in der Kuppel problemlos atmen konnte. Jamies Anzug lag schwer auf seinen Schultern. Er hatte nicht mehr diesen ›Neuwagen‹-Geruch nach sauberem Plastik und unberührtem Stoff; er roch nach Schweiß und Maschinenöl. Der Luftaufbereiter im Tornistergerät tauschte zwar Kohlendioxid gegen atembaren Sauerstoff aus, aber die Filter und Miniaturlüfter im Innern des Anzugs konnten nicht alle Gerüche entfernen, die sich bei körperlich anstrengender Arbeit ansammelten.