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Andererseits würde es den Politikern helfen, Konoyes Tod zu vergessen, wenn wir etwas Spektakuläres fänden. Die Überreste einer ausgelöschten Zivilisation! Das wäre phantastisch.

Li machte ein finsteres Gesicht. Andererseits, dachte er, angenommen, ich erlaube Waterman, noch einmal mit ein paar Wissenschaftlern dorthin zu fahren, und sie finden nichts. Die Politiker würden wütend sein. Angenommen, ich erlaube es ihnen, und einer von ihnen wird verletzt. Oder kommt gar ums Leben.

Er setzte sich in dem Ruhesessel kerzengerade auf. Nein. Das durfte nicht geschehen. Er durfte nicht zulassen, daß Waterman die Mission zum Scheitern brachte.

Die Gegensprechanlage auf seinem Schreibtisch summte; das gelbe Lämpchen blinkte. Li streckte einen langen, dünnen Arm aus und drückte auf die Taste, um den Anruf anzunehmen.

»Doktor Li«, sagte die Stimme des diensthabenden Astronauten im Kommandomodul, »wir bekommen gerade eine Sendung von Doktor Brumado an Sie herein.«

Li befahl dem Mann, sie ihm zu überspielen.

Alberto Brumados freundliches, leicht gestresstes Gesicht erschien auf dem Bildschirm des Monitors auf seinem Schreibtisch. Li ging hinüber und schaute auf das Bild hinunter. Dann registrierte er, daß Brumado über James Waterman und die Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten sprach.

Li spürte, wie sich die Last der Verantwortung von seinen Schultern hob. Er zog sich seinen Sessel herüber und setzte sich lächelnd wie die Edamer Katze vor den Bildschirm.

* * *

Das Licht in der Kuppel war auf die gedämpfte Nachtbeleuchtung heruntergedreht worden. Keine Stimmen und keine Musik waren zu hören, nur das zuverlässige Summen der elektrischen Geräte und das schwache Heulen des Windes draußen vor der abgedunkelten Kuppel.

Jamie marschierte innen an der Hülle der Kuppel entlang. Seine schweren Pantoffelsocken machten kein Geräusch auf dem dicken Plastikfußboden, seine Augen hatten sich an das Halbdunkel gewöhnt, sein Verstand drehte und wendete ein und dasselbe Argument immer wieder hin und her.

Du weißt, daß es eine natürliche Gesteinsformation ist; es können keine Gebäude sein. Warum bist du so verdammt stur?

Aber sie könnte künstlich sein. Es wäre möglich. Was, zum Teufel, wissen wir denn schon über diese Welt? Wieviel würde ein marsianischer Wissenschaftler über die Erde erfahren, wenn er in der Sahara landen und sich ein paar Wochen lang umschauen würde?

Die Chancen, daß diese Felsen tatsächlich Wohnbauten sind, stehen eins zu einer Milliarde. Warum verscherzt du es dir mit allen? Was willst du beweisen?

Wovor haben sie Angst? Herrgott noch mal, wir sind schließlich hier, um den Planeten zu erforschen, um herauszufinden, was es hier wirklich gibt. Das geht nicht, wenn man sich sklavisch an einen Plan hält, der zu Hause in Kaliningrad ausgearbeitet worden ist.

»Jamie? Bist du das?«

Er sah sich um und merkte, daß er bei der Messe angelangt war. Im Dunkeln konnte er die winzige Gestalt von Joanna Brumado erkennen. Das einzige Licht in dem Bereich kam von den schwach leuchtenden Führungsstreifen auf dem Fußboden und dem steten roten Auge der permanent einsatzbereiten Kaffeemaschine.

Er tappte zu dem Tisch, an dem sie saß. Ihre Hände lagen um einen großen, dampfenden Becher Kaffee.

»Weshalb bist du denn um diese Zeit noch auf?« fragte Jamie und setzte sich zu ihr.

»Ich konnte nicht schlafen.«

»Und da trinkst du eine Tasse Kaffee?«

»Das brasilianische Beruhigungsmittel«, sagte sie. Er konnte das Lächeln in ihrer leisen Stimme hören, obwohl ihr Gesicht tief im Schatten lag. »Ich brauche die Wärme. Mir ist hier drin immer kalt. Besonders nachts.«

Statt des Projektoveralls trug Jamie ein dunkelblaues Sweatshirt mit dem dezenten Raketensymbol der British Interplanetary Society und leicht ausgeblichene Jeans. In dem schwachen Licht sah er, daß Joanna einen unförmigen Rollkragenpullover und eine Cordhose anhatte.

»Warum kannst du nicht schlafen?« fragte er.

»Das könnte ich dich auch fragen.«

Er wollte lachen, aber es war kein Lachen in ihm.

»Ich hab zuerst gefragt. Außerdem weißt du, warum ich hier herumlaufe.«

»Du wartest auf eine Antwort von Doktor Li.«

Er nickte, merkte dann, daß sie die Kopfbewegung wahrscheinlich nicht sehen konnte, und murmelte: »Mhm.«

»Bist du so sicher, daß du wirklich ein Dorf gesehen hast?«

»Nein, verdammt! Darum geht es doch gerade: Ich bin absolut nicht sicher. Deshalb sollten wir noch mal hinfahren und es uns aus der Nähe ansehen. Es anfassen. Es beschnuppern. Es sogar schmecken. Die ganzen schicken Instrumente und Geräte, die wir benutzen, sind doch nur Werkzeuge, die uns sensorische Informationen vermitteln sollen. Bevor wir entscheiden können, worum es sich bei diesem Steinhaufen wirklich handelt, brauchen wir mehr Informationen.«

Sie trank einen Schluck von ihrem Kaffee.

»Aber du hast mir nicht gesagt, was dich wachhält«, sagte Jamie leise.

»Oh … vieles. Einsamkeit, zum Beispiel. Ich liege in meinem Bett und lausche dem Wind draußen und denke daran, daß wir fast zweihundert Millionen Kilometer von zu Hause entfernt sind.«

»Macht dir das angst?«

»Nein, ich fühle mich nur — allein. Es ist merkwürdig. Tagsüber haben wir viel zu tun, und da kommt es mir manchmal sogar so vor, als ob die Kuppel viel zu voll wäre. Aber nachts …«

»Ich weiß«, sagte Jamie. »Entweder schauen einem zu viele über die Schulter, oder man ist ganz allein. Es ist ein merkwürdiges Gefühl.«

»Geht es dir auch so?«

Er runzelte die Stirn. »Joanna, ich bin allein. Ich bin hier der Außenseiter.«

»Nein, das stimmt nicht.«

»So sieht es jedenfalls für mich aus. Es ist nicht nur wegen dieser Sache mit den Felsenbehausungen. Ich bin ein Ersatzmann, der erst im letzten Moment dazugekommen ist. Keiner der anderen akzeptiert mich wirklich als Teil des Teams.«

Es überraschte ihn, daß er ihr das erzählte. Joanna schwieg eine Weile. In dem dämmrigen Licht konnte er nicht einmal ihre Miene erkennen.

»Ich hatte gedacht«, hörte Jamie sich sehr leise, fast im Flüsterton sagen, »daß du mich wegen dem, was in McMurdo geschehen ist, auf der Mission dabeihaben wolltest. Jetzt weiß ich, daß es dir nicht so sehr darum ging, mich hierzuhaben, sondern vielmehr darum, Hoffmann loszuwerden.«

»Jamie …«

»Ist schon okay«, sagte er rasch. »Ich kann verstehen, wie du dich gefühlt hast. Ich weiß, daß Hoffmann dich belästigt hat.«

Sie packte die Manschette seines Sweatshirts und schüttelte sie leicht, wie eine Lehrerin, die versucht, die Aufmerksamkeit eines unachtsamen Schülers auf sich zu lenken.

»Jamie, es gab fünf weitere Geologen, die ich hätte vorschlagen können. Sie hatten alle hervorragende Qualifikationen. Ich habe meinen Vater gebeten, dich ins Team zu holen.«

»Weil ich dir in McMurdo geholfen habe.«

»Weil du ein talentierter, sturer, sensibler, einsamer Mann bist. Weil du nett zu mir warst, statt mich abzulehnen. Weil du mich in Ruhe gelassen hast und mir nicht weiter nachgelaufen bist, als ich vor dir weggerannt bin.«

Jamie war auf einmal durcheinander. »Weil ich dich in Ruhe …«

»Was in McMurdo zwischen uns geschehen ist, hätte gegen dich sprechen müssen, wenn ich auch nur ein Fünkchen Verstand gehabt hätte. Wir sollen keine Bindungen oder gar Beziehungen eingehen. Das weißt du! Aber ich habe dich dennoch vorgeschlagen, trotz der Gefahr.«

»Gefahr?«

Joanna sagte: »Du bist ein außerordentlich attraktiver Mann, James Waterman. Wenn diese Mission vorbei ist und wir wieder wohlbehalten auf der Erde sind, dann können wir uns einander gegenüber vielleicht so verhalten, wie es normale Männer und Frauen tun. Im Moment müssen wir solche Gefühle beiseiteschieben.«