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Sie waren im Geschäft. Jetzt galt es, die Zustimmung der Projektadministratoren einzuholen und die Abmachung dann zusammen mit den Beratern der Vizepräsidentin in die Tat umzusetzen. Und dafür Sorge zu tragen, daß sie sich kein Hintertürchen offenhielt.

Brumado beendete seine Übertragung zum Mars und erhob sich erschöpft und nicht wenig besorgt aus seinem Sessel. Wie ein Sportler, der sein letztes Quentchen Kraft gegeben hatte und nun auf das Urteil des Punktrichters wartete. Eine weitere Expedition muß zum Mars geschickt werden. Unbedingt. Wenigstens eine. Allerwenigstens.

Er warf einen Blick auf den leeren grauen Bildschirm der Kommunikationskonsole und erkannte, daß Waterman sowohl ein Gewinn als auch eine Belastung war. Es ist ein Fehler, ihn in die politischen Ränkespiele hinter den Kulissen hineinzuziehen. Er denkt nicht politisch; ihn interessiert nur die Wissenschaft. Er brennt darauf, eine große Entdeckung auf dem Mars zu machen. So sehr, daß er alles ruinieren könnte.

Gott sei Dank konnten wir uns unter vier Augen unterhalten, sagte sich Brumado. Bei der Zeitverzögerung zwischen uns war es schwierig genug, sich auf etwas zu einigen. Es wäre unmöglich gewesen, wenn andere zugehört hätten.

* * *

Über hundertfünfzig Millionen Kilometer entfernt schaute Tony Reed nachdenklich auf den toten Bildschirm seines eigenen Laptops. Er war vom Kommunikationszentrum der Kuppel in sein Krankenrevier gegangen, hatte die Falttür zugezogen und sich sofort in Jamies Gespräch mit Brumado eingeschaltet.

Als Arzt und Psychologe des Teams habe ich Anspruch darauf, genau zu wissen, was vorgeht, hatte er sich gesagt. Zum Teufel mit der Heimlichtuerei! Sie haben kein Recht, Dinge vor mir geheimzuhalten.

Nun nahm er den Stöpsel aus dem Ohr und zog den haarfeinen Draht heraus, der ihn mit dem Computer verband. Jamie zwingt sie also, ihn zum Tithonium Chasma zurückzuschicken. Gut! Je eher er verschwindet, desto besser.

SOL 14

NACHMITTAG

Jamie war beim Mittagessen ungewöhnlich schweigsam und schlecht gelaunt gewesen, dachte Reed. Selbst für unseren stoischen roten Mann ist er reichlich still und in sich gekehrt.

Reed saß am Schreibtisch seines Krankenreviers und grübelte über Jamies Gespräch mit Brumado nach. Der Kerl ist wirklich unverschämt, dachte Tony beinahe bewundernd. Welche inneren Dämonen ihn auch immer treiben, er besitzt die Frechheit, Forderungen an Brumado persönlich zu stellen. Und an die Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten.

Reed lächelte in sich hinein und dachte: Wenn ich auch nur ein bißchen Glück habe, wird er auf das Schiff im Orbit verbannt, und ich habe Joanna für mich. Es würde nicht einfach sein, aber er würde es schaffen, wenn der Kerl von der Bildfläche verschwunden war. Er spürte eine heftige Erregung bei dem Gedanken, die Kleine im Bett zu haben.

Tonlos vor sich hinsummend, tippte Reed auf seiner Tastatur und rief das Nachmittagsprogramm auf. Sechs der sieben Wissenschaftler sollten mit der Vermessung der Dicke und Ausdehnung der unterirdischen Permafrostschicht fortfahren. Langweilige Arbeit. Toshima, der siebte, würde in der Kuppel bleiben und mit seinen meteorologischen Meßgeräten arbeiten. Reed hatte keine Aufgaben draußen im Freien zu erfüllen; einer der Vorteile, wenn man Teamarzt ist, sagte er sich.

Tony holte sich sein persönliches Missionsprogramm auf den Computerbildschirm und sah, daß es an der Zeit für seine wöchentliche Inventur der pharmazeutischen Vorräte war. Mit einem kaum unterdrückten gelangweilten Stöhnen machte er sich daran, die Bestände an Schmerzmitteln und Vitaminen zu überprüfen. Danach waren die Muntermacher und die Beruhigungsmittel an der Reihe. Bei denen muß ich besonders aufpassen. Nicht daß mir die Leute noch drogenabhängig werden.

Pock!

Das Geräusch schreckte ihn auf. Was in aller Welt war das? Reed spitzte die Ohren, hörte aber nichts mehr, nur das übliche Summen der Maschinen und die fernen, gedämpften Stimmen der anderen. Achselzuckend konzentrierte er sich wieder auf seine Arbeit.

Er ging die Schmerzmittel-Datei durch. Der Verbleib jeder Aspirintablette mußte erklärt werden. Niemand durfte sich selbst auch nur eine einzige nehmen; nur der Teamarzt konnte die Tabletten verteilen, und er mußte präzise Buch darüber führen, wer was bekommen hatte.

Vitamine nahmen sie natürlich alle. Reed zog den Kasten mit den Vitaminflaschen aus dem Gestell im Container und schleppte ihn zu seinem Schreibtisch. Vier große Flaschen mit jeweils fünfhundert Pillen. Schon eine deckte den gesamten täglichen Vitaminbedarf einer Person; zweitausend auf die Oberfläche mitzunehmen, war typischer Missions-Overkill.

Mit einem Lichtstift begann Reed, die Strichcodes zu überprüfen, die auf die Deckel der Gefäße gedruckt waren, so wie eine Kassiererin im Supermarkt die Lebensmittel eingibt. Verdammt alberne Beschäftigung, knurrte er in sich hinein. Aber wenn der Computer nicht anzeigte, daß das Inventar Flasche für Flasche überprüft worden war, würde Wosnesenski an die Decke gehen. Alle Missionsaufgaben mußten genauestens erfüllt werden, wenn es nach dem Russen ging, ganz gleich, wie belanglos oder langweilig sie waren.

Dann kam ihm plötzlich ein neuer Gedanke. Wenn Jamie seinen Kopf durchsetzt und zum Grand Canyon zurückkehrt, dann wird er Joanna wahrscheinlich mitnehmen wollen. Sie ist immerhin die Missionsbiologin. Der Teufel soll ihn holen, fauchte Reed stumm. Es muß eine Möglichkeit geben, diese unverschämte Rothaut von der brasilianischen Prinzessin zu trennen. Hoffentlich verbannen sie den Kerl in den Orbit.

Pock! Wieder das Geräusch, nur diesmal leiser. Was konnte das sein? fragte sich Reed, als er die erste Vitaminflasche aufschraubte. Ich könnte die Kapseln auch gleich in die kleineren Flaschen umfüllen, wenn ich sie eh schon heraushole. Tony schimpfte stumm über die Effizienzexperten, die die Missionslogistik geplant hatten; es war ihnen entgangen, daß diese riesigen Flaschen nicht in die Borde der Kombüse paßten. Deshalb mußte er die Vitaminkapseln per Hand in kleinere Gefäße umfüllen. So ein Schwachsinn.

Pock! Pock!

Reed sprang auf und stieß dabei die offene Flasche um. Vitaminpillen ergossen sich über den Schreibtisch, rollten auf den Fußboden.

»Alle Mann in die Anzüge!« dröhnte Wosnesenskis schwere Stimme durch die Kuppel. »Sofort! Zieht eure Anzüge an! Auf der Stelle!«

* * *

Kosmonaut Leonid Tolbukhin, der im Kommandozentrum der Mars 2 Dienst tat, richtete sich in seinem Stuhl kerzengerade auf, als das erste Ping ertönte. Kalter Schweiß bildete sich auf seiner Oberlippe.

Mein Gott, das muß an mir liegen, dachte er. Ich bin verhext, ich bringe nur Unglück. Erst Konoye und nun das.

Doch obwohl seine Gedanken rasten, bewegten sich seine Hände beinahe genauso schnell. Er schaltete den Radarschirm ein und gab wie aus einem Reflex heraus fast sofort Alarm.

»Meteoriten! Wir geraten in einen Meteoritenschwarm!« schrie er so aufgeregt ins Mikrofon der Gegensprechanlage des Schiffes, daß er dabei ins Russische verfiel.

Will Martin, der amerikanische Geophysiker, saß zufällig gerade an der Kommunikationskonsole und überspielte ein Band mit einem langen Bericht zur Erde.

»Was ist?« rief er über das Blöken des Alarms hinweg. »Sprechen Sie Englisch, verdammt!«

»Meteoriten!« rief Tolbukhin zurück. »Ziehen Sie sofort Ihren Anzug an!«

* * *

Wosnesenski war im Kommandozentrum der Kuppel in ein Gespräch mit Mironow und Abell über die Logistik der bevorstehenden Exkursion zum Pavonis Mons vertieft, obwohl er eigentlich die Wissenschaftler überwachen sollte, die mit Pete Connors draußen waren. Er hatte die ersten leisen, warnenden Geräusche nicht gehört, mit denen die Meteoriten auf die Außenhülle der Kuppel geprallt waren.