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Sowohl die Kuppel als auch die Raumschiffe in der Umlaufbahn besaßen doppelte Wände; bei den Schiffen bestanden sie aus Metall, bei der Kuppel aus Kunststoff. Obwohl die Marsatmosphäre so dünn war, daß sie nach irdischen Maßstäben so gut wie gar nicht vorhanden war, bot sie abstürzenden Meteoriten so viel Widerstand, daß die meisten von ihnen zu Asche verbrannten, lange bevor sie den Boden erreichten.

Den Missionsplanern zufolge drohte die größte Gefahr von Meteoriten, die fast senkrecht von oben herabstürzten: Sie hatten die meiste Energie, überstanden aller Wahrscheinlichkeit nach die flammende Hitze ihres Ritts durch die Atmosphäre und waren am Boden immer noch groß genug, um Schaden anzurichten. Meteoriten, die in flacherem Winkel herunterkamen, mußten einen längeren Weg in der Atmosphäre zurücklegen und brannten auf jedem Zentimeter dieser Strecke. Deshalb war die Doppelwand der Kuppel in der oberen Hälfte mit einem schwammartigen Plastikmaterial gefüllt, das die Energie eines Einschlags absorbieren konnte.

Tolbukhins Warnung, die überall in den Schiffen im Orbit zu hören war, plärrte auch aus den Lautsprechern der Funkanlage in der Kuppel.

Wosnesenski unterbrach sich mitten im Satz und brüllte: »Alle Mann in die Anzüge! Sofort! Zieht eure Anzüge an! Auf der Stelle!«

Erst als er zu den Anzugspinden bei der Luftschleusensektion losgerannt war, spürte der Russe die Angst wie eine kalte Faust in seiner Brust.

Connors war der erste, der die winzige Staubwolke bemerkte, die vom Boden aufstob, als ob eine Gewehrkugel eingeschlagen wäre. Der Astronaut kniff die Augen zusammen, beobachtete, wie der Staub langsam wieder zu Boden sank, und dachte: Gut, daß er nichts getroffen hat, was …

Eine weitere Staubwolke spritzte zehn Meter entfernt auf.

»Jesus Christus!« rief er in sein Helmmikrofon. »Meteoriten! Alle Mann zurück in die Kuppel! Sofort!«

Die sechs Geo- und Biowissenschaftler hatten sich auf der steinübersäten Ebene etliche hundert Meter weit verteilt und versuchten, die Dicke der Permafrostschicht unter der Oberfläche detailliert zu vermessen. Die Arbeit ging nur langsam voran, weil sie alles zu Fuß machen mußten. Sämtliche Exkursionen in den Rovern waren vorläufig ausgesetzt worden, bis die Flugkontrolle entschieden hatte, wohin die Rover nun genau fahren durften.

Jamie hielt eine Bohrstange in der Hand, deren gezahntes Bohrende sich in den Boden fraß. Bei Connors’ lauter Warnung richtete er sich ruckartig auf. Der Bohrer an der Stange blieb stehen, als seine behandschuhten Hände die Kontrolltaste losließen, und die Stange ragte schief aus dem Loch im Boden.

Jamie erfaßte mit einem raschen Blick, wo sich die anderen fünf Wissenschaftler befanden. Connors war rechts von ihm, auf halbem Wege zwischen ihm und der Luftschleuse der Kuppel. Joanna war weiter entfernt; sie kämpfte mit ihrem Kernbohrer.

»Los! Macht schon! Macht schon!« Connors brüllte so laut, daß Jamie die Ohren wehtaten. »Los! Los! Los! In die Kuppel!«

Jamie lief zu Joanna hinüber und sah, daß die anderen Gestalten in den Raumanzügen sich schwerfällig wie eine kleine Herde bunter Nilpferde in Bewegung setzten. Eine Staubwolke spritzte in Joannas Nähe auf, aber sie schien es nicht zu bemerken. Er lief auf sie zu, so schnell er konnte, und kam sich dabei wie eine galoppierende Schildkröte vor; gleichzeitig fummelte er an den Helmfunkreglern an seinem Handgelenk herum, um Connors’ drängende Stimme leiser zu stellen.

Er kam bei Joanna an, als diese sich endlich Richtung Kuppel in Bewegung setzte. Jamie bremste ein wenig ab, um sich ihrem Tempo anzupassen. Er wußte, daß er nicht mit ihr sprechen konnte, weil Connors die Anzug-zu-Anzug-Frequenz mit seinem Gebrüll überflutete. Statt dessen streckte er die Hand aus und berührte sie an der Schulter. Durch das getönte Visier ihres Helms konnte er ihr Gesicht nicht sehen; er konnte nicht erkennen, wieviel Angst sie hatte. Dann merkte Jamie, daß er selber Angst hatte; er war in kalten Schweiß gebadet und zitterte.

Überall um sie herum stoben Staubwolken vom Boden auf, als ob ein Trupp Gewehrschützen sie unter Feuer genommen hätte. Etwas knallte hinten gegen seinen Helm; eigentlich war es nur ein leises Klopfen, aber er erschrak so sehr, als hätte er eine Kugel abbekommen. Er blickte auf und sah, daß die Kuppel hier und dort von auftreffenden Meteoriten eingeteilt wurde. O mein Gott, wenn einer von ihnen die Wand durchschlägt …

Einer tat es. Jamie sah, wie das transparente Material im unteren Bereich der Kuppel einen Moment lang Falten warf, dann spritzte ein kleiner Geysir aus Gischt in die trockene, dünne Luft, als würde ein Wal blasen.

»Die Kuppel hat ein Loch!« schrie jemand.

Das Loch wurde größer, entwickelte sich zu einem klaffenden Riß; feuchte Luft schoß in die Marsatmosphäre hinaus, und das Kunststoffmaterial der Kuppel begann durchzusacken.

* * *

Nachdem er in diesem ersten Augenblick einer Panik nahe gewesen war, überkam Wosnesenski eine kalte Ruhe. Während die anderen zu ihren Anzügen rannten, bog er ab, lief innen an der Peripherie der Kuppel entlang und vergewisserte sich, daß die Reparaturflicken noch dort waren, wo sie hingehörten. Er hatte die Flicken erst einen Tag zuvor im Rahmen seiner regulären Routineinspektion kontrolliert. Aber nun überprüfte er sie erneut, während ein Hagel von Pock-Pock-Geräuschen sanft über seinem Kopf niederging, beinahe übertönt von den ängstlichen Stimmen von Toshima und den anderen Flüchtenden, die sich verzweifelt bemühten, in ihre Anzüge zu kommen.

Er sah nicht, wie die Kuppel ein Loch bekam. Der Meteorit, der beide Kunststoffschichten durchschlug, war ein fast mikroskopisch kleines Staubkorn. Aber Wosnesenski hörte ein anderes Geräusch, als würde jemand abrupt und heftig Atem holen — ein Laut, wie ihn ein Mensch von sich gibt, wenn er in die Brust gestochen wird.

Er spürte den Zug, als die Luft in der Kuppel zu dem Loch strömte. Bücher flatterten offen im Wind; lose Papiere flogen wie ein Schwarm aufgescheuchter Vögel in der Kuppel umher. Das Zischen wurde lauter, entwickelte sich zu einem Seufzen, einem rauschenden Luftstrom.

Wosnesenski wirbelte herum und sah, wie Dutzende der leichten Reparaturflicken vom Boden abhoben und an die Kuppelwand gesaugt wurden. Dort blieben sie platt und mit wild flatternden Rändern kleben, als die Luft an ihnen vorbeirauschte und aus der Kuppel entwich. Die Kunststoffwände zwischen den steifen Stützrippen der Kuppel sackten ein. Die Wand riß wesentlich schneller auf, als die Flicken das Loch schließen konnten.

Mit knackenden Ohren und klopfendem Herzen rannte Wosnesenski zu der Stelle, bückte sich, um weitere Reparaturflicken aufzuheben, und knallte sie auf das größer werdende Loch. Sie rutschten herunter, wollten nicht haften. Sie flatterten immer noch, und Wosnesenski hörte die Luft in der Kuppel inzwischen brüllen, wie sie in das Beinahe-Vakuum draußen hinausrauschte. In ein paar Minuten würde nichts mehr von ihr übrig sein. Die Kraft des entweichenden Windes zerrte an ihm, versuchte, ihn durch das Loch in der Wand ins tödliche Freie hinauszusaugen.

Ohne ein Wort zu sagen oder jemanden zu rufen, kämpfte er sich breitbeinig zum Zentrum der Kuppel zurück, stemmte sich gegen den Wind, taumelte wie ein Betrunkener, bahnte sich mühsam seinen Weg an den Arbeitsplätzen der Wissenschaftler vorbei, umging Stühle in der Messe, die achtlos irgendwo stehengelassen worden waren. Seine Ohren schrien vor Schmerz, als ob jemand Eispickel in sie hineingetrieben hätte.

Das Lebenserhaltungssystem. Pumpen, die trockene, kalte Marsluft ansaugten. Abscheider, die den spärlichen Stickstoff und den noch spärlicheren Sauerstoff aus der hiesigen Atmosphäre gewannen. Weitere Pumpen, die das Stickstoff-Sauerstoff-Gemisch so verdichteten, daß Menschen es atmen konnten. Zylinder mit Sauerstoffreserven für den Notfall.