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Der Astronaut und Jamie schaufelten den roten Staub weg, der sich seitlich am Rover auftürmte. Jamies Ansicht nach hatte das Zeug ein so geringes Gewicht, daß die Räder sich einfach hindurchfressen würden, wenn sie die Elektromotoren anwarfen. Aber Connors bestand darauf, daß sie kein Risiko eingingen, oder zumindest nur ein möglichst geringes. Daher gruben sie nun beide trotz ihrer Müdigkeit, trotz der Schmerzen, die ihnen durch Arme und Beine schossen, trotz der zunehmenden Übelkeit, die in heißen, widerwärtigen Wellen durch Jamies Gedärme flutete.

Der Morgennebel war beinahe vollständig verschwunden.

Nur ein paar wabernde Ranken hingen noch an jenen Stellen der Felswand, die nicht von der Sonne beschienen wurden.

Die Klippen selbst ragten wie ungeheure, zerklüftete Festungsanlagen über ihnen auf, die den halben Himmel auslöschten und sich links und rechts von ihnen bis über den Horizont hinaus erstreckten.

Die orangefarbenen Flechtenstreifen hoben sich deutlicher denn je gegen die roten Felsen ab. Jamie fragte sich, ob die Flechtenkolonien am Boden sich mit irgendeiner Methode von dem Staub befreien konnten, der den Grund des Canyons mehrere Fuß tief bedeckte. Wir werden nicht lange genug hier sein, um es zu sehen, dachte er. Und wir haben keine ferngesteuerte Kamera, die wir hier aufstellen könnten, damit sie es für uns beobachtet, verdammt.

Der Staub wallte auf, als ihre Schaufeln hineinstießen, stieg in seltsam weichen Wolken langsam empor und wurde wie im Traum von dem leisen Wind fortgetragen, der durch den Canyon wehte. Jamie sah, daß der rostfarbene Staub Connors’

Anzug fast bis zu den Achselhöhlen überzog. Er schaute nach unten und sah, daß sein Anzug auf ähnliche Weise mit Rost bekleckert war.

»Ein Gutes hat dieses Zeug ja«, keuchte Connors, »Es… klebt nicht… am Visier.«

Jamie nickte in seinem Helm.

»Auf dem Mond… klebt der verdammte Staub… wird von…

statischer Elektrizität… aufgeladen.«

»Sparen Sie sich Ihren Atem«, sagte Jamie.

»Ja…«

Die beiden Frauen waren drinnen und machten das Labormodul abfahrbereit. Ihre kostbaren Flechten lagen bereits sicher und geschützt in Isolierbehältern. Ilona hatte Angst gehabt, die Flechten könnten wegen des fehlenden Sonnenlichts eingehen, bis Joanna darauf hingewiesen hatte, daß sie offensichtlich lange Perioden ohne Licht im Ruhezustand bleiben konnten, wenn die Felsen tagelang oder sogar wochenlang unter Sandstürmen begraben lagen.

»Ich denke… das reicht«, keuchte Connors, als Jamie das hinterste Rad des Logistik-Moduls ausgegraben hatte.

»Glauben Sie, daß wir… genug Bodenhaftung haben?« Jamie rang jetzt ebenfalls nach Luft.

»Ja… sieht gut aus.«

»Versuchen wir’s.«

Sie stapften völlig erledigt zur Luftschleuse zurück und kletterten hinein. Jamie hätte seine Schaufel draußen liegenlassen, aber Connors bestand darauf, daß sie beide Schaufeln dort verstauten, wo sie hingehörten, im äußeren Gerätefach des Labormoduls. Pete hat sich zumindest seine Aufmerksamkeit für Details bewahrt, dachte Jamie. Muß an seinem Astronautentraining liegen.

Es dauerte über eine Stunde, bis sie sich aus ihren Anzügen geschält und sie abgesaugt hatten, obwohl Joanna und Ilona ihnen dabei zur Hand gingen. Ilona war allerdings keine große Hilfe; sie war sehr schwach. Wir müssen erbärmlich aussehen, dachte Jamie. Ich bin froh, daß Mikhail nicht hier ist und uns sehen kann.

»Du mußt etwas essen«, sagte Joanna, die selber aschfahl war.

In Jamies Eingeweiden brodelte es. »Ich glaube nicht, daß ich was bei mir behalten könnte.«

»Wenigstens Energieriegel. Die Glukose wird dir guttun.«

Ilona sank auf der Bank in der Mitte des Moduls zusammen.

Ihre Augen waren fast geschlossen.

Connors öffnete den Kühlschrank. »Vielleicht ein bißchen Saft… ich fühle mich, als hätte ich einen Kater. Einen von der schlimmsten Sorte.«

»Saft hebt Ihren Blutzuckerspiegel«, sagte Joanna. »Das ist gut.«

In dem geräumigen Kühlschrank war kein Orangensaft mehr, auch kein anderer Fruchtsaft; nur noch Tomatensaft.

Connors griff sich den Plastikbehälter und zog den Deckel ab.

Er hob ihn an die Lippen, trank vier große Schlucke und reichte ihn Jamie.

Jamie dachte, daß es nun auch nichts mehr ausmachte, wenn das, was sie quälte, ansteckend war, und trank den Behälter fast leer.

»Im Gefrierfach sind Saftkonzentrate«, sagte Ilona.

»Haben wir genug Wasser?« fragte Jamie.

»Ja, müßten wir eigentlich«, sagte Joanna. »Ich kümmere mich darum.«

Connors schlurfte in Richtung Cockpit, kam aber nicht weiter als bis zu den Bänken auf halber Strecke. Dann sackte er auf die Bank gegenüber von Ilona.

»Meine… Beine… Herrgott, sie… wollen mich nicht mehr tragen.«

Von einem plötzlichen Adrenalinstoß beflügelt, schob Jamie sich an Joanna vorbei und ging zu dem Astronauten. In Connors’ Augen stand Angst. Joanna schaute erschrocken drein.

»Was ist los, Pete?«

»Geht nicht… ich fühle mich einfach… so verdammt schwach…«

»Okay. Okay. Bleiben Sie nur sitzen, bis Sie wieder zu Kräften kommen.«

»Aber wir… wir müssen aufbrechen.«

»Ich kann fahren.«

»Sie?«

»Ja. Ich weiß, wie es geht.«

»Ja… aber…«

Jamie lächelte. »Ist genauso, als würde man einen Pickup fahren. Kein Problem.«

Jamie wünschte, er wäre wirklich so zuversichtlich. Er ging nach vorn ins Cockpit und glitt auf den Fahrersitz. Im Rahmen des Trainings hatte er natürlich gelernt, den Rover im Notfall zu bedienen, und er hatte Wosnesenski und Connors lange genug zugesehen. Er hatte den Rover sogar unter ihren skeptischen Blicken schon kurze Strecken gefahren.

Schaffst du’s auch ganz allein? fragte sich Jamie. Ja, zum Teufel, antwortete er sich stumm. Ich muß.

Er ließ sich Zeit und sah sich die Kontrolltafel bewußt langsam und sorgfältig von einem Ende zum anderen an. Dann drückte er auf den Schalter, der die Fahrmotoren startete. Das Heulen des Stromgenerators unter seinem Sitz wurde höher.

Komisch, daß man das verdammte Ding nie summen hört, bis es die Tonlage ändert, sagte sich Jamie. Oder bis es verstummt.

»Auf geht’s«, rief er über die Schulter hinweg. Ilona lächelte ihm matt zu. Joanna saß mit einem Plastikbecher in der Hand neben Connors. Sie verwandelt sich in Florence Nightingale, dachte Jamie. Wird Pete wieder gesund werden? Wird Ilona durchkommen? Herrgott, sie könnten beide sterben. Wir könnten alle sterben.

Der Rover machte einen Satz nach vorn, brach ein wenig nach links aus und fuhr dann wieder geradeaus, als Jamie vom Gas ging und das Lenkrad festhielt.

»Wir fahren!« brüllte er. »Wir sind unterwegs.«

Von den dreien hinter ihm kam kein Ton.

Dann dachte Jamie: Wir fahren in die falsche Richtung. Zum Felsendorf geht es dort entlang; wir lassen es hinter uns zurück.

Trotz seiner Schmerzen und der fürchterlichen Schwäche, die ihm alle Kraft aus dem Körper saugte, legte Mikhail Wosnesenski verbissen den Raumanzug an. Abell und Mironow halfen ihm, aber sie sahen beide nicht besser aus, als Wosnesenski sich fühlte.

Es ist der Staub, sagte sich der Russe. Er muß es sein. Nach außen hin hatte er die Idee einer unheimlichen marsianischen Infektion als so grotesk abgetan, daß es sich nicht einmal lohnte, darüber nachzudenken. Aber im tiefsten Innern fürchtete er, daß sie alle von einem fremdartigen Bazillus vergiftet worden waren, für den es keine Heilung gab.

Obwohl Dr. Li gesagt hatte, er müsse nicht draußen sein, wenn der Lander komme, hatte Wosnesenski die Vorschriften zitiert, bis der Expeditionskommandant sich widerstrebend gefügt und eingewilligt hatte.

Ich bin vielleicht krank, sagte sich Wosnesenski, aber ich kenne immer noch meine Pflichten. Die Vorschriften verlangen, daß ein Kosmonaut den Anzug trägt und bereit ist, dem Landungstrupp zu helfen, sobald der Lander aufsetzt. Es gibt einen triftigen Grund für diese Vorschrift, und solange ich auf meinen eigenen zwei Beinen stehen kann, werde ich nicht zulassen, daß eine Vorschrift verletzt wird.