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Wie Sie wissen, gehört er zum engeren Umfeld unserer Mission und war stets auf dem laufenden über die täglichen Operationen. Natürlich ist er über Ihre… mißliche Lage informiert worden. Er ist bereits auf dem Weg nach Houston. Ich habe strikte Anweisungen gegeben, daß niemand außerhalb des Kontrollzentrums etwas über das Problem erfahren darf, dem wir uns momentan gegenübersehen, bis es gelöst worden ist.

Damit wollen wir die Medien daran hindern, die Situation zu Sensationszwecken auszuschlachten, verstehen Sie.«

Jamie dachte: Und ob ich verstehe, daß sie den Medien nichts darüber sagen wollen, in welcher Klemme wir stecken. Sie würden in Reportern ertrinken.

»Ihr Vater wird jedoch offenbar von einer Vertreterin der amerikanischen Nachrichtenmedien begleitet, einer jungen Fernsehjournalistin«, fuhr der oberste Flugleiter fort. »Wir konnten nicht in Erfahrung bringen, für wen sie arbeitet, aber wir kennen ihren Namen.« Der Russe senkte den Blick und las ihn offenkundig von einem Blatt Papier ab. »Edie Elgin«, sagte er steif.

Joanna runzelte die Stirn. Jamie durchzuckte eine jähe Überraschung. Edith? Bei Brumado?

Der oberste Flugleiter schaute ausgesprochen unbehaglich drein. »Ihr Vater wird natürlich mit Ihnen sprechen wollen.

Die Journalistin, die bei ihm ist, wünscht offenbar die Erlaubnis, Ihr Gespräch aufzuzeichnen, um es eventuell auszustrahlen – nachdem diese Krise bewältigt ist. Ohne die Genehmigung der Verantwortlichen des Marsprojekts würde das Band natürlich nicht veröffentlicht werden. Und natürlich auch nicht ohne die Genehmigung Ihres Vaters.«

Sie hat sich an Brumado gehängt, erkannte Jamie.

Das ist ja ein tolles Ding! Und sie will ihr Gespräch aufzeichnen. Wie kaltblütig und zugleich auch genial! Wenn wir sterben, wird sie grandioses Bildmaterial von den letzten zärtlichen Momenten zwischen Vater und Tochter haben. Und wenn wir überleben, hat sie immer noch großartiges Material über die menschliche Seite der Mission.

Und sie hat nicht darum gebeten, mit mir Kontakt aufnehmen zu dürfen. Ich bin ihr piepegal. Und wieso auch nicht, zum Teufel? Sie hat ja jetzt Brumado.

Der oberste Flugleiter fragte Joanna: »Werden Sie ein kurzes Gespräch mit Ihrem Vater führen können – natürlich unter Berücksichtigung der Verzögerung zwischen dem Ausgang und dem Eingang der Botschaften?«

Joanna warf Jamie einen Blick zu, dann schien sie sich im Cockpitsitz aufzurichten.

»Ich weiß Ihre Sorge um meinen Vater und mich zu schätzen und danke Ihnen dafür. Aber bitte machen Sie sich nicht die Mühe, eine spezielle Übertragung für uns zu arrangieren«, sagte Joanna fester, als Jamie sie jemals hatte sprechen hören.

»Ich wiederhole: Stellen Sie keine Verbindung mit Houston her.

Ich will keine Sonderrechte. Wenn Sie beschlossen haben, eine Nachrichtensperre über das Problem zu verhängen, mit dem wir es zu tun haben, dann machen Sie meinetwegen bitte keine Ausnahme.«

Jamie schaltete den Sender ab. »Warte einen Moment«, sagte er. »Hat dein Vater nicht ein Recht…«

Ihre rotgeränderten Augen blitzten ihn an. »Ich bin kein kleines Mädchen, das mit seinem Papa sprechen muß, wenn es in Schwierigkeiten steckt. Ich will genauso behandelt werden wie du und die anderen.«

»Aber er ist Alberto Brumado«, sagte Jamie. »Sie wollen nicht dir eine Sonderbehandlung angedeihen lassen, sondern ihm.«

Joanna versuchte den Kopf zu schütteln. Das hatte zur Folge, daß sie sich am Rand der Kontrolltafel festhalten mußte; ihre Knöchel wurden weiß. »Nein. Ich könnte ihm gegenüber nicht stark bleiben. Ich würde zusammenbrechen und weinen. Ich will nicht, daß das auf Video aufgenommen wird.«

»Oh. Ich verstehe. Glaube ich.«

»Jamie – wenn wir… wenn es feststeht, daß wir hier sterben werden, habe ich immer noch massenhaft Zeit, mit meinem Vater zu sprechen. Dann wird sicherlich jeder von uns Botschaften für seine Angehörigen aufzeichnen.«

»Da hast du wohl recht.« Und Edith wird sie alle kriegen, um sie in den gottverdammten Abendnachrichten auszustrahlen.

»Aber jetzt nicht. Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Du doch auch nicht, oder?«

»Nein, verdammt«, sagte er mit einer Inbrunst, die er in Wahrheit gar nicht verspürte.

»Dann schalte den Sender wieder ein.«

Jamie tat es. Joanna holte Luft und fuhr sich mit den Händen unbewußt durch die zerzausten Haare.

»Ich weiß Ihr Angebot zu schätzen«, sagte sie ruhig, mit großer Würde, »aber meine Entscheidung lautet, daß ich genauso behandelt werden will wie die anderen. Ich erwarte von Ihnen, daß Sie meinen Vater über unsere Lage auf dem laufenden halten – und die Journalistin, die bei ihm ist, ebenfalls.

Vielen Dank.«

Sie ist genauso sauer wegen Edith wie ich, merkte Jamie. Die Erkenntnis spendete ihm aber überhaupt keinen Trost.

Dimitri Josifowitsch Iwschenko saß mit einem schiefen Grinsen an den Steuerelementen des Ersatzrovers. Er ist glücklich, daß er hier unten auf dem Mars ist und etwas Nützliches tun kann, statt oben im Orbit herumzuhocken, dachte Wosnesenski.

Reed saß hinten auf einer der Bänke in der Mitte des Segments. Wosnesenski machte sich Gedanken über den Engländer. Er ist hier bei uns, weil er sich schuldig fühlt; er will für den Unfall mit den Vitaminen büßen. Wird er eine Hilfe für uns sein, oder wird er uns nur im Weg stehen? Er kann den Rover nicht fahren. Er hat keine richtige Erfahrung mit EVAs.

Ich bezweifle, daß er seit unserer Landung alles in allem mehr als ein paar Stunden außerhalb der Kuppel war. Was wird er uns in einem Notfall nützen?

Der Russe drehte sich in dem Cockpitsitz um und schaute über die Schulter hinweg zu Reed. Der Arzt schien tief in Gedanken, ja geradezu benommen zu sein; er saß zurückgelehnt auf der Bank und hielt sich mit beiden Händen an ihrem Rand fest.

Wosnesenski schüttelte den Kopf – und bereute es sofort.

Ihm war immer noch schwummrig, und er fühlte sich furchtbar schwach. Daß ich meinen Leibarzt an Bord habe, hat meinen Gesundheitszustand auch nicht verbessert, grummelte er in sich hinein.

Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Iwschenko. Als er den Burschen musterte, wurde ihm zum ersten Mal bewußt, daß er eindeutig nicht wie ein Russe aussah. Er war gertenschlank und hatte einen dichten, mitternachtschwarzen Lockenschopf. Seine Augen waren ebenfalls kohlschwarz. Dünne Adlernase und noch dünnere Lippen. Seine Haut war von einem hellen, blutleeren Weiß, aber Wosnesenski dachte, daß er tiefbraun werden würde, wenn er ein bißchen Sonne bekam.

Er ist jünger als ich, dachte Wosnesenski, neidisch auf die Energie, die von dem straffen, drahtigen Körper des Kosmonauten ausging. Jünger und gesünder. Wosnesenski dröhnte der Kopf. Die Arme und Beine taten ihm elend weh. Wenn Reed recht hat, sollten diese Vitamindosen helfen, aber ich fühle mich jedenfalls kein bißchen besser. Vielleicht sogar eher noch schlechter.

»Sag mal, Dimitri Josifowitsch«, sagte Wosnesenski laut, wobei seine Stimme selbst in seinen eigenen Ohren rauh und angestrengt klang, »wie kommt es eigentlich, daß du so gut aussiehst?«

Der jüngere Mann warf ihm einen einigermaßen verblüfften Blick zu und konzentrierte sich dann rasch wieder aufs Fahren. »Meine Mutter ist Armenierin, falls du das meinst«, antwortete er.

»Ach, ich habe mich bloß gewundert. Ich dachte, du hättest vielleicht ein bißchen türkisches Blut in dir.«

Iwschenkos Nasenflügel blähten sich. »Nein. Armenisches.«

»Ich verstehe«, sagte Wosnesenski. »Und wie sieht’s mit deinem Liebesleben da oben im Orbit aus?«

Iwschenkos Grinsen kehrte zurück. »Passabel, Genosse. Sogar sehr passabel. Besonders wenn diese deutsche Ärztin sich bei ihrer Arbeit langweilt.«

»Diels? Die Blonde?«

»Sie führt eine sehr körperbetonte Therapie mit mir durch, bei der ich ganz neue Dinge lerne.«