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»Ich lasse Sie beide allein«, sagte Li leise, beinahe im Flüsterton. Er verschwand aus dem Raum wie eine Rauchfahne, die von einer starken Brise verweht wird.

Joanna kam zu ihrem Vater herüber, küßte ihn auf beide Wangen und setzte sich auf den Stuhl, auf dem Li zuvor gesessen hatte.

Brumado musterte ihr Gesicht. Sie wirkte ernst, aber nicht aufgeregt. Eher entschlossen als ängstlich.

»Doktor Li sagt, du führst eine Meuterei unter den Wissenschaftlern an.« Brumado ertappte sich dabei, daß er sie bei diesen Worten anlächelte. Nicht nur, daß es ihm schwerfiel, eine solch ungeheuerliche Geschichte zu glauben – selbst wenn sie stimmte, konnte er seiner reizenden Tochter nicht böse sein.

»Wir haben gestern abend eine Abstimmung durchgeführt«, berichtete Joanna in ihrer beider Muttersprache, brasilianischem Portugiesisch. »Von den sechzehn Wissenschaftlern, die mitfliegen sollen, werden elf hierblieben, falls Hoffmann mit von der Partie ist.«

Brumado strich sich mit einer Fingerspitze über die Oberlippe, ein Rückfall in seine Jugend, als er einen üppigen Schnurrbart gehabt hatte.

»Zu den sechzehn gehört auch Hoffmann selbst. Hat er ebenfalls abgestimmt?«

Joanna lachte. »Nein. Natürlich nicht. Wir haben ihn nicht gefragt.«

»Warum?« fragte ihr Vater. »Was ist der Grund dafür?«

Sie stieß einen kleinen Seufzer aus. »Im Grunde kann keiner von uns Hoffmann leiden. Er ist ein sehr schwieriger Mensch.

Wir glauben, daß es unmöglich sein wird, unter den äußerst beengten Verhältnissen der Mission mit ihm zusammenzuarbeiten.«

»Aber warum habt ihr bis jetzt gewartet? Warum habt ihr nicht schon früher etwas gesagt?«

»Wir waren der Ansicht, Pater DiNardo könnte Hoffmann unter Kontrolle halten. Hoffmann bewundert DiNardo, er blickt zu ihm auf, ihm ordnet er sich unter. Aber der Gedanke, Hoffmann ohne Pater DiNardo dabeizuhaben – und auch noch als Hauptgeologen der Mission – nun, uns ist klargeworden, daß wir das nicht aushalten könnten. Er würde unausstehlich sein. Unerträglich.«

Brumado sagte nichts. Ich fliege nicht mit ihnen ins All, dachte er. Ich werde nicht fast zwei Jahre lang mit jemandem in ein Raumschiff eingesperrt sein, den ich nicht leiden kann.

»Außerdem«, fuhr seine Tochter fort, »ist Hoffmann hauptsächlich aus politischen Gründen ins Team aufgenommen worden. Das weißt du.«

»Er ist ein ausgezeichneter Geologe«, erwiderte Brumado zerstreut. Er dachte gerade an die Schwierigkeiten, denen seine Tochter sich auf seinen Wunsch hin aussetzen würde. Zwei Jahre im All. Die Belastungen. Die Gefahren.

»Es gibt andere Geologen, die mit uns zusammen das Training absolviert haben«, sagte Joanna und beugte sich ein wenig näher zu ihrem Vater. »O’Hara kommt aus Australien. Er könnte nachrücken. Und da ist dieser Navajo-Mestize, Waterman.«

Brumados Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf einmal auf die Augen seiner Tochter. »Der Mann, der in McMurdo geblieben ist, um deiner Gruppe zu helfen, das Antarktis-Training durchzustehen.«

»Und den Gruppen nach uns. Ja, der.«

»Und O’Hara.«

»Waterman hat umfangreiche Forschungsarbeiten über Meteoriteneinschläge durchgeführt. Er hat einen marsianischen Meteoriten im Eis gefunden, obwohl Hoffmann das Verdienst dafür in Anspruch genommen hat.«

»Ist er der Mann, den ihr haben wollt?«

Sie zog sich wieder zurück. »Ich denke, er ist der Qualifizierteste, oder nicht? Und jeder schien sehr gut mit ihm auszukommen.«

»Aber er ist Amerikaner«, sagte Brumado leise. »Die Politiker wollen nicht, daß mehr Amerikaner als Russen mitfliegen.

Oder umgekehrt.«

»Er ist Indianer, Papa. Das ist nicht dasselbe. Und O’Hara würde die Australier glücklich machen.«

»Die Politiker wollten Hoffmann als Vertreter Europas.«

»Wir haben schon einen Griechen, einen Polen und einen Deutschen, die Europa vertreten. Und einen Engländer auch noch. Wenn Hoffmann mitfliegt, wird es Ärger geben«, sagte Joanna fest. »Sein psychologisches Profil ist schrecklich! Wie haben versucht, mit ihm zusammenzuarbeiten, Papa. Er ist einfach unerträglich!«

»Also habt ihr abgestimmt.«

»Ja. Wir haben eine Entscheidung getroffen. Wenn Hoffmann ins Team berufen wird, werden mindestens elf von uns sofort aus dem Programm ausscheiden.«

Brumado verstummte erneut. Er wußte nicht, was er sagen, wie er mit dieser Situation fertigwerden sollte.

»Frag Antony Reed«, schlug Joanna vor. »Er hat die beste psychologische Ausbildung von allen, die für die Mission ausgewählt worden sind. Es war seine Idee, die Abstimmung durchzuführen.«

»So?«

»Ja! Ich habe das nicht alles allein gemacht, Papa. Die meisten anderen können Hoffmann ebenfalls nicht ausstehen.«

Brumado stand langsam auf und ging zum Schreibtisch. Er nahm das Telefon ab und bat den Mann, der sich meldete, Dr.

Reed zu suchen. Der Engländer öffnete die Bürotür, bevor Brumado zum Konferenztisch zurückkehren konnte. Mein Gott, dachte er, sie müssen alle im Vorzimmer sitzen. Ob dieser Hoffmann wohl auch da ist?

Reed schien die ganze Sache ein wenig zu amüsieren.

»Keiner von uns kommt mit Hoffmann zurecht«, sagte er mit leisem Lächeln, als er entspannt auf einem Stuhl am Tisch Platz nahm, gegenüber von Brumado und seiner Tochter. »Offen gestanden, ich bin – und war schon immer – der Meinung, es wäre eine Katastrophe, wenn wir ihn zum Mars mitnehmen würden.«

»Aber er hat sämtliche psychologischen Tests bestanden.«

Reed zog eine Augenbraue hoch. »Das würde ein ausreichend motivierter Schimpanse auch schaffen. Aber sie würden doch nicht mit ihm im selben Käfig leben wollen, oder?«

»Ihr alle habt euch im Lauf der letzten zwei Jahre gegenseitig beurteilt!« Brumado hörte, wie sich seine Stimme mit mehr als nur einer Spur von Zorn darin hob. Er zwang sich, sie wieder zu senken. »Ich gebe zu, daß die Berichte über Professor Hoffmann nicht gerade überschwenglich waren, aber es gab keinen Hinweis darauf, daß er so unbeliebt ist.«

»Ich kann Ihnen sagen, was es mit diesen Beurteilungen auf sich hat«, erklärte Reed mit einem beinahe höhnischen Grinsen. »Niemand hat jemals seine wahren Gefühle in diesen Berichten zum Ausdruck gebracht. Nicht schriftlich. Der psychologische Druck, gute Miene zu allem und jedem zu machen, war enorm stark. Jeder von uns war sich von Anfang an dar

über im klaren, daß diese Berichte ebensoviel über den Verfasser aussagen würden wie über die Person, um die es jeweils ging.«

Das hätte uns von vornherein klar sein müssen, dachte Brumado. Dies sind sehr intelligente Männer und Frauen – intelligent genug, alle Möglichkeiten zu erkennen.

»Um eine Redensart von Scotland Yard zu benutzen«, fuhr Reed fort, »wir haben begriffen, daß alles, was wir in diesen Beurteilungsformularen schrieben, als Beweismittel festgehalten und gegen uns verwendet werden konnte.«

Mit einem Kopfschütteln sagte Brumado: »Ich verstehe immer noch nicht, weshalb ihr bis zum letzten Augenblick damit gewartet habt, eure Opposition offen zum Ausdruck zu bringen.«

»Eigentlich aus zwei Gründen«, sagte Reed. »Erstens haben wir alle damit gerechnet, daß es DiNardo gelingen würde, Hoffmann unter Kontrolle zu halten. Unser guter Priester schien eine beruhigende Wirkung auf ihn zu haben – sagen wir mal, so wie der alte Hindenburg auf Hitler.«

Joanna gelang es nur mit Mühe, ein Kichern zu unterdrücken.

»Zweitens glaube ich, daß bis zu diesem Wochenende keiner von uns ernsthaft der schrecklichen Möglichkeit ins Auge geblickt hat, fast zwei Jahre auf engstem Raum mit Hoffmann zusammenleben zu müssen. Nachdem aber nun die endgültigen Entscheidungen getroffen worden waren und man DiNardo ins Krankenhaus eingeliefert hatte – nun ja, ich schätze, da hat es uns plötzlich gedämmert, daß es mit Hoffmann einfach nicht funktionieren würde.«