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»Wußtest du, daß der UN ein Gesetzentwurf zur Schließung von Camp B-G vorliegt?« sagte Anne ruhig.

»Nein«, sagte Arnie.

»Beunruhigt dich der Gedanke denn nicht, daß das B-G geschlossen wird?«

»Zum Teufel, wir werden Sam in private Obhut geben.«

»Was ist mit den anderen Kindern dort?«

»Du hast das Thema gewechselt«, sagte Arnie. »Hör zu, Anne, du wirst dich dem unterwerfen, was du männliche Vorherrschaft nennst, und meine Leute durchsehen lassen, was du schreibst. Bei Gott, es richtet mehr Schaden an, als es nützt - ich hasse es, dir das ins Gesicht zu sagen, aber es ist die Wahrheit. So wie du die Dinge anpackst, hätte ich dich lieber zum Feind als zum Freund. Du bist ein Dilettant! Wie die meisten Frauen. Du bist - verantwortungslos.« Er schnaubte vor Wut. Ihr Gesicht zeigte keine Reaktion; seine Worte hatten keine Wirkung auf sie.

»Kannst du irgendwelchen Druck ausüben, damit Camp B-G nicht geschlossen wird?« fragte sie. »Vielleicht können wir ein Abkommen treffen. Ich will nicht, daß es geschlossen wird.«

»Ein hehres Ziel«, sagte Arnie grimmig.

»Ja.«

»Willst du meine ehrliche Antwort?«

Sie nickte und musterte ihn kühl.

»Dieses Camp ist mir schon ein Greuel, seit die Juden es aufgemacht haben.«

Anne sagte: »Sei gesegnet, ehrlicher, aufrechter Arnie Kott, Freund der Menschheit.«

»Es verrät der ganzen Welt, daß wir hier auf dem Mars Verrückte haben, daß man, wenn man den Weltraum durchquert, um hierher zu gelangen, wahrscheinlich an den Geschlechtsorganen Schaden nimmt und ein Monster zur Welt bringt, gegen das diese deutschen Flossenwesen wie der freundliche Nachbar von nebenan erscheinen.«

»Dir und dem Gentleman, der das Red Fox leitet.«

»Ich bin einfach nur beinharter Realist. Wir kämpfen um unser Leben; wir müssen die Leute dazu bringen, hierher auszuwandern, sonst sind wir verratzt, Anne. Das weißt du. Wenn es Camp B-G nicht gäbe, dann könnten wir damit werben, daß es fernab der Wasserstoffbombentests und der vergifteten Atmosphäre auf der Erde keine abnormen Geburten gibt. Ich hatte gehofft, das durchsetzen zu können, aber das B-G verhindert es.«

»Nicht das B-G. Die Geburten selbst.«

»Niemand wäre in der Lage, das nachzuprüfen und auf unsere abnormen Geburten hinzuweisen«, sagte Arnie, »wenn es B-G nicht gäbe.«

»Das würdest du sagen, obwohl du weißt, daß es nicht stimmt, wenn du nur damit durchkämst? Denen zu Hause erzählen, daß sie hier sicherer sind?«

»Klar.« Er nickte.

»Das ist - unmoralisch.«

»Nein. Hör zu. Du bist unmoralisch, du und diese anderen Damen. Daß ihr Camp B-G geöffnet haltet, führt doch nur dazu ...«

»Streiten wir nicht, wir einigen uns ja doch nie. Laß uns essen, und dann fliegst du nach Lewistown zurück. Ich ertrag's nicht mehr.«

Schweigend aßen sie.

*

Dr. Milton Glaub, Mitglied des Psychiaterpools von Camp B-G, von der Gildesiedlung der Interplanetaren Trucker freigestellt, saß nach Erledigung seines heutigen Tagespensums im B-G wieder allein in seinem Sprechzimmer. Er hielt eine Rechnung für Dachreparaturen in Händen, die er im vorigen Monat an seinem Haus hatte durchführen lassen. Er hatte die Arbeiten vor sich hergeschoben - sie erforderten einen Planierpflug, der verhinderte, daß der Sand sich auftürmte -, aber schließlich hatte ihm der Gebäudeinspektor    der    Siedlung    einen Zwangsenteignungsbescheid zugestellt, der ihm noch dreißig Tage ließ. Also hatte er sich mit der Dachdeckergilde in Verbindung gesetzt, wohl wissend, daß er nicht bezahlen konnte; aber er hatte keinen anderen Ausweg mehr gesehen. Er war pleite. Das war für ihn bisher der schlimmste Monat gewesen.

Wenn nur seine Frau Jean weniger Geld ausgäbe. Aber auch das wäre keine Lösung gewesen; die einzige Lösung bestand darin, mehr Patienten zu bekommen. Die GIT bezahlte ihm ein monatliches Gehalt, aber für jeden Patienten erhielt er noch einen Extrabonus von fünfzig Dollar: Leistungsanreiz nannten sie das. In Wirklichkeit bedeutete es den Unterschied zwischen Verschuldung und Zahlungsfähigkeit. Niemand, der Frau und Kind hatte, konnte von dem Gehalt leben, das Psychiater bezogen, und die GIT, das wußte jeder, war besonders knauserig.

Trotzdem blieb Dr. Glaub weiterhin in der GIT-Siedlung; es handelte sich um eine geordnete Gemeinschaft, in vieler Hinsicht jener auf der Erde ähnlich. Neu-Israel hatte, wie die anderen staatlichen Siedlungen auch, eher eine geladene, explosive Atmosphäre.

Übrigens hatte Dr. Glaub schon einmal in einer staatlichen Siedlung gelebt, der Vereinigten Arabischen Republik, einer besonders feudalen Gegend, in der es gelungen war, viele von zu Hause importierte Pflanzen ansässig zu machen. Aber die ständigen Feindseligkeiten der Siedlung gegenüber den Nachbarkolonien hatten ihn zunächst irritiert und dann entsetzt. Die Männer grübelten bei ihrer täglichen Arbeit über begangenes Unrecht nach. Die liebeswürdigste Person konnte, auf bestimmte Themen angesprochen, explodieren. Und nachts nahmen die Feindseligkeiten konkrete Formen an; die staatlichen Kolonien lebten für die Nacht. Dann wurden die Forschungslabors, die tagsüber Schauplatz wissenschaftlicher Versuche und Entwicklungen waren, für die Öffentlichkeit geöffnet, und man schleppte Höllenmaschinen heraus - das alles geschah mit großer Aufregung und heller Freude, und natürlich aus Nationalstolz.

Zum Teufel mit ihnen, dachte Dr. Glaub. Sie vergeudeten ihr Leben; sie hatten einfach die alten Streitereien von der Erde mit herübergebracht - und den Zweck der Kolonisierung vergessen. Erst heute morgen hatte er zum Beispiel in der UN-Zeitung von einem Aufruhr in den Straßen der Elektriker-Siedlung gelesen; der Zeitungsbericht ließ durchblicken, daß die nahegelegene italienische Siedlung dafür verantwortlich sei, weil einige Unruhestifter diesen langen pomadisierten Schnurrbart getragen hatten, der in der italienischen Kolonie so beliebt war ...

Ein Klopfen an der Sprechzimmertür riß ihn aus seinen Gedanken. »Ja«, sagte er und schob die Rechnung über die Dachreparatur in eine Schublade.

»Bist du für Gildebruder Purdy zu sprechen?« fragte seine Frau, als sie die Tür berufsmäßig öffnete, so wie er es ihr beigebracht hatte.

»Schick Gildebruder Purdy herein«, sagte Dr. Glaub. »Wart aber ein paar Minuten damit, ich muß erst noch seine Fallgeschichte überfliegen.«

»Hast du schon zu Mittag gegessen?« fragte Jean.

»Natürlich. Jeder ißt zu Mittag.«

»Du siehst blaß aus«, sagte sie.

Das ist schlecht, dachte Dr. Glaub. Er ging vom Sprechzimmer ins Bad, wo er sorgfältig sein Gesicht mit dem karamelfarbenen Puder, der gerade in Mode war, dunkler tönte. Es verbesserte sein Aussehen, aber nicht seine geistige Verfassung. Die Theorie hinter dem Puder war die, daß die herrschenden Kreise in der GIT spanischer und puertoricanischer Herkunft waren und es sie einschüchtern könnte, wenn ein Lohnarbeiter hellere Haut hatte als sie selbst. Die Werbung drückte es natürlich anders aus; die Werbung wies die Lohnarbeiter in der Siedlung lediglich darauf hin, daß »das Marsklima dazu neigt, den natürlichen Hautton zu einem unansehnlichen Weiß auszubleichen«.

Jetzt wurde es Zeit, sich seinem Patienten zu widmen.

»Guten Tag, Gildebruder Purdy.«

»Tag, Doc.«

»Ich sehe in Ihrer Akte, daß Sie Bäcker sind.«

»Ja, stimmt.«

Pause. »Weshalb wünschen Sie meinen Rat?«

Gildebruder Purdy starrte zu Boden und nestelte an seiner Mütze herum, während er sagte: »Ich bin noch nie bei einem Psychiater gewesen.«

»Nein, ich kann hieraus entnehmen, daß das stimmt.«

»Da ist diese Party, die mein Schwager gibt ... mir liegt nichts daran, auf Parties zu gehen.«

»Müssen Sie denn hingehen?« Dr. Glaub hatte unauffällig die Uhr auf dem Schreibtisch gestellt; sie tickte die halbe Stunde herunter, die dem Gildebruder zustand.