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»Die geben sie eigentlich für mich. Sie ... äh ... wollen, daß ich meinen Neffen als Lehrling nehme, damit er dann später in der Gilde ist.«

Purdy sprach leiernd weiter: »... und ich habe nachts wach gelegen und überlegt, wie ich da wieder rauskomme

- ich meine, es sind meine Verwandten, und ich kann wohl schlecht ankommen und nein sagen. Aber ich kann einfach nicht hingehen, dazu fühle ich mich nicht gut genug. Und darum bin ich jetzt hier.«

»Verstehe«, sagte Dr. Glaub. »Also, dann erzählen Sie mir mal Näheres über die Party, wann und wo sie stattfinden soll, die Namen der beteiligten Personen, damit ich alles perfekt erledigen kann, wenn ich dort bin.«

Erleichtert kramte Purdy in seiner Manteltasche und brachte ein sauber getipptes Dokument zum Vorschein. »Ich weiß es wirklich zu schätzen, daß Sie an meiner Stelle gehen wollen, Doc. Ihr Psychiater nehmt einem eine ungeheure Last ab; ich scherze nicht, wenn ich sage, daß ich deswegen schon schlaflose Nächte hatte.« Er staunte den Mann vor ihm in dankbarer Ehrfurcht an, diesen Mann, der sich auf sozialen Umgang verstand, der fähig war, auf dem schmalen, gefährlichen Grat der vielfältigen zwischenmenschlichen Beziehungen zu wandeln, auf dem im Laufe der Jahre so viele Gildemitglieder gescheitert waren.

»Zerbrechen Sie sich darüber nicht weiter den Kopf«, sagte Dr. Glaub. Schließlich, dachte er, was ist schon eine kleine Schizophrenie? Das ist es nämlich, was dir fehlt, weißt du? Ich befreie dich von deinem gesellschaftlichen Druck, und du kannst weiter in deinem chronischen Zustand unzureichender Anpassung verharren, wenigstens ein paar Monate lang. Bis die Gesellschaft wieder mit einer dramatischen Forderung an dich herantritt, die deine begrenzten Fähigkeiten übersteigt ...

Als Gildebruder Purdy das Sprechzimmer verließ, sann Dr. Glaub darüber nach, daß diese Form der Psychotherapie, die sich hier auf dem Mars entwickelt hatte, ganz zweifellos praktisch war. Statt den Patienten von seinen Phobien zu heilen, wurde man nach Art eines Anwalts zu seinem tatsächlichen Fürsprecher bei ...

Jean rief ins Sprechzimmer: »Milt, da ist ein Anruf für dich aus Neu-Israel. Bosley Touvim.«

O Gott, dachte Dr. Glaub. Touvim war der Präsident von Neu-Israel; etwas stimmte nicht. Hastig nahm er den Hörer ab. »Hier Dr. Glaub.«

»Doktor«, ertönte die dunkle, ernste, kraftvolle Stimme, »hier spricht Touvim. Wir haben einen Todesfall, einer Ihrer Patienten, wie ich höre. Wären Sie wohl so freundlich, noch einmal hierher zu fliegen und sich darum zu kümmern? Gestatten Sie, daß ich Ihnen ein paar Einzelheiten gebe ... Norbert Steiner, Deutscher ...«

»Er ist nicht Patient bei mir, Sir«, unterbrach Dr. Glaub. »Aber sein Sohn - ein kleines autistisches Kind in Camp B-G. Wie meinen Sie das, Steiner ist tot? Um Himmels willen, ich hab doch heute morgen noch mit ihm gesprochen - sind Sie sicher, daß es derselbe Steiner ist? In dem Fall habe ich eine Akte über ihn, über die ganze Familie, wegen der Art der Erkrankung seines Sohns. Bei autistischen Kindern muß man unserer Auffassung nach erst die familiäre Situation begreifen, ehe man mit der Therapie beginnen kann. Ja, ich komme sofort.«

Touvim sagte: »Anscheinend war es Selbstmord.«

»Das kann ich nicht glauben«, sagte Dr. Glaub.

»Ich habe die vergangene halbe Stunde mit den Mitarbeitern von Camp B-G darüber diskutiert; sie sagten, sie hätten noch ein langes Gespräch mit Steiner geführt, kurz bevor er das Camp verließ. Bei der gerichtlichen Untersuchung wird die Polizei wissen wollen, ob Steiner Anzeichen für eine depressive oder krankhaft introspektive Gemütsverfassung zeigte und welcher Art sie unter Umständen waren, ob etwas von dem, was er sagte, Ihnen vielleicht Gelegenheit gegeben hätte, ihn von seinem Vorhaben abzubringen oder, wenn das nicht im Rahmen der Möglichkeiten gelegen hat, ihn zu veranlassen, sich einer Therapie zu unterziehen. Ich nehme an, daß der Mann nichts gesagt hat, was Sie vor seinen Absichten gewarnt haben könnte.«

»Absolut nichts«, sagte Dr. Glaub.

»Dann würde ich mir an Ihrer Stelle keine Sorgen machen«, sagte Touvim. »Bereiten Sie sich lediglich darauf vor, die Krankengeschichte des Mannes darlegen zu müssen ... mögliche Motive, die dazu geführt haben könnten, daß er sich das Leben nahm. Sie wissen schon.«

»Danke, Mr. Touvim«, sagte Dr. Glaub schwach. »Es ist durchaus möglich, daß er wegen seines Sohns deprimiert war. Ich habe ihm in groben Zügen eine neue Therapie unterbreitet; wir setzen große Hoffnungen darauf. Sicher, er wirkte zynisch und verschlossen; er reagierte nicht so darauf, wie ich erwartet hatte. Aber Selbstmord?«

Was wird, wenn ich den B-G-Auftrag verliere? fragte sich Dr. Glaub. Das darf nicht sein. Die Arbeit dort einmal die Woche brachte ihm gerade genug zusätzliches Einkommen, daß finanzielle Sicherheit zumindest in Aussicht stand - wenn sie auch noch nicht erreicht war. Der B-G-Scheck ließ das Ziel wenigstens näherrücken.

Hatte dieser Idiot Steiner denn nicht daran gedacht, welche Auswirkungen sein Tod vielleicht auf andere hatte? Doch, er muß daran gedacht haben; er hat es getan, um sich an uns zu rächen. Um es uns heimzuzahlen

- aber warum? Weil wir versuchen, sein Kind zu heilen?

Das ist eine ernste Sache, wurde ihm klar. Ein Selbstmord, so kurz nach einem Gespräch zwischen Arzt und Patient. Gott sei Dank hatte Mr. Touvim ihn gewarnt.

Trotzdem, die Zeitungen werden es aufgreifen, und all jene, die Camp B-G gern geschlossen sähen, werden Nutzen daraus ziehen.

*

Als er die Kühlanlage auf McAuliffs Milchfarm repariert hatte, kehrte Jack Bohlen zu seinem Hubschrauber zurück, verstaute seinen Werkzeugkasten hinter dem Sitz und nahm mit seinem Arbeitgeber Mr. Yee Verbindung auf.

»Die Schule«, sagte Mr. Yee. »Sie müssen hin, Jack; ich habe immer noch keinen, der Ihnen den Auftrag abnehmen könnte.«

»Okay, Mr. Yee.« Er ließ den Hubschraubermotor an und fand sich damit ab.

»Eine Nachricht von Ihrer Frau, Jack.«

»Ach?« Er war erstaunt; sein Arbeitgeber mißbilligte es, wenn die Ehefrauen seiner Angestellten anriefen, und Silvia wußte das. Vielleicht war David etwas zugestoßen. »Können Sie mir sagen, worum's geht?« fragte er.

Mr. Yee sagte: »Mrs. Bohlen hat unsere Telefonistin gebeten, Ihnen mitzuteilen, daß einer Ihrer Nachbarn, ein Mr. Steiner, sich das Leben genommen hat. Mrs. Bohlen wollte Sie wissen lassen, daß sie sich um die SteinerKinder kümmert. Außerdem fragte sie, ob es Ihnen möglich wäre, heute abend nach Hause zu kommen, aber ich sagte ihr, daß wir Sie bedauerlicherweise nicht entbehren könnten. Sie müssen uns noch bis Ende der Woche zur Verfügung stehen, Jack.«

Steiner tot, sagte sich Jack. Der arme schwache Streber. Na ja, vielleicht ist es so besser für ihn.

»Danke, Mr. Yee«, sagte er ins Mikrofon.

Als der Hubschrauber vom kargen Gras des Weidelands abhob, dachte Jack: Das wirkt sich noch auf uns alle aus, und zwar kräftig. Es war ein starkes und brennendes Gefühl, eine Eingebung. Ich glaube nicht, daß ich jemals mehr als ein Dutzend Worte am Stück mit Steiner gewechselt habe, und doch - der Tod hat etwas Ungeheuerliches an sich. Der Tod besitzt gewaltige Autorität. Eine Verwandlung, so ehrfurchtgebietend wie das Leben selbst, und um soviel schwerer für uns zu verstehen.

Er schwenkte den Hubschrauber in Richtung des UNHauptquartiers auf dem Mars und machte sich auf den Weg zum großen automatischen Gebilde des Lebens, dem einzigartigen künstlichen Organismus, der ihre Public School war, ein Ort, den er nach allen Erfahrungen, die er fern der Heimat bisher gemacht hatte, mehr fürchtete als jeden anderen.

Fünf

Weshalb machte ihn die Public School nur so nervös? Er warf ihr aus der Höhe einen prüfenden Blick zu und erkannte ein Gebäude, das wie ein Entenei geformt war und sich weiß vor der dunklen, verschwommenen Oberfläche des Planeten abzeichnete, als hätte es jemand in aller Eile dort fallengelassen; es paßte nicht in die Umgebung.