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Als er auf dem gepflasterten Platz vor dem Eingang aufsetzte, stellte er fest, daß seine Fingerspitzen blaß und taub geworden waren, ein ihm vertrautes Anzeichen, daß er unter Stress stand. David hingegen, der gemeinsam mit anderen Kindern aus seiner Leistungsgruppe dreimal die Woche hergeflogen und wieder ab geholt wurde, beunruhigte der Ort nicht. Offenbar lag es an seiner persönlichen Veranlagung; vielleicht konnte er, weil er soviel über Maschinen wußte, die Illusion der Schule nicht einfach hinnehmen, das Spiel nicht mitmachen. Für ihn waren die Artefakte der Schule weder leblos noch am Leben; in gewisser Hinsicht waren sie beides.

Bald darauf saß er in einem Wartezimmer, den Werkzeugkasten neben sich.

Er entnahm einem Zeitungsständer ein Exemplar der Motorwelt und hörte mit geübtem Ohr, wie ein Relais klickte. Die Schule hatte seine Anwesenheit zur Kenntnis genommen. Sie zeichnete auf, welche Zeitschrift er auswählte, wie lange er dasaß und las und was er anschließend tat. Sie vermaß ihn.

Eine Tür ging auf, und eine Frau mittleren Alters im Tweedanzug sagte lächelnd zu ihm: »Sie müssen Mr. Yees Mechaniker sein.«

»Ja«, sagte er und erhob sich.

»Ein Glück, daß Sie da sind.« Sie bedeutete ihm, ihr zu folgen. »Es hat schon so viel Wirbel um diesen einen Lehrer gegeben, das Problem ist wohl die Leistungsabgabe.« Sie ging durch einen Flur und hielt ihm eine Tür auf, bis er sie eingeholt hatte. »Der Zornige Hausmeister«, sagte sie und deutete auf den Apparat.

Er erkannte ihn aus den Beschreibungen seines Sohns.

»Er ist ganz plötzlich ausgefallen«, sagte ihm die Dame ins Ohr. »Verstehen Sie? Mitten im Arbeitsgang - er war die Straße hinuntergelaufen und hatte geschrien und wollte gerade mit der Faust drohen.«

»Weiß der Rektorschaltkreis ...?«

»Ich bin der Rektorschaltkreis«, sagte die Frau mittleren Alters und lächelte ihn fröhlich an, wobei die Nickelbrille vom Leuchten ihrer Augen aufblitzte.

»Natürlich«, sagte er ärgerlich.

»Wir meinen, daß es daran liegen könnte«, sagte die Frau - oder vielmehr diese wandelnde Verlängerung der Schule - und hielt ihm ein gefaltetes Stück Papier hin.

Er strich es glatt und erkannte eine graphische Darstellung zahlloser selbsttätiger Rückkopplungsventile.

»Er ist eine Autoritätsperson, nicht wahr?« sagte er. »Bringt den Kindern bei, Eigentum zu achten. Enorm redlicher Typ, soweit es Lehrer angeht.«

»Ja«, sagte die Frau.

Er stellte den Zornigen Hausmeister von Hand neu ein und startete ihn. Eine Weile klickte er, dann drehte er sich mit rotem Gesicht um, hob den Arm und brüllte: »Ihr Jungs habt hier nichts zu suchen, verstanden?« Beim Anblick der bärtigen Wangen, die vor Empörung zitterten, und des auf und zu klappenden Munds konnte Jack Bohlen sich gut vorstellen, welche Wirkung das auf ein Kind haben mußte. Er selbst reagierte mit Abscheu. Wie dem auch sei - diese Konstruktion war der Inbegriff der erfolgreichen Lehrmaschine; sie machte ihre Arbeit gut, zusammen mit zwei Dutzend weiteren Konstruktionen, die wie Buden in einem Vergnügungspark hier und da entlang der Flure aufgestellt waren, aus denen die Schule sich zusammensetzte. Gleich um die Ecke sah er schon die nächste Lehrmaschine; mehrere Kinder standen respektvoll davor, während sie ihre Ansprache hielt.

»... und dann dachte ich«, erzählte sie ihnen locker und zwanglos, »mein Gott - was können wir eigentlich aus so einer Erfahrung lernen? Weiß das einer von euch? Du, Sally.«

Die Stimme eines kleinen Mädchens: »Ehm ... na ja, vielleicht können wir daraus lernen, daß in jedem ein guter Kern steckt, egal, wie schlecht er auch handelt.«

»Was meinst du, Victor?« plauderte die Lehrmaschine weiter. »Laßt uns mal Victor Plank hören.«

Ein Junge stammelte: »Ich bin ungefähr derselben Meinung wie Sally, daß die meisten Leute tief drinnen gut sind, wenn man sich nur die Mühe macht, genau hinzusehen. Richtig, Mr. Whitlock?«

Also lauschte Jack der Whitlock-Lehrmaschine. Sein Sohn hatte oft von ihr gesprochen; sie gehörte zu seinen Lieblingen. Während er sein Werkzeug auspackte, hörte Jack weiter zu. Der Whitlock war ein älterer, weißhaariger Herr mit mundartlichem Akzent, vielleicht aus Kansas ... Er war freundlich und entlockte anderen ihre Meinung; er war eine geduldige Spielart der Lehrmaschine und legte weder die Grobheit noch das autoritäre Gehabe des Zornigen Hausmeisters an den Tag; eigentlich war er eine nahezu perfekte Verbindung aus Sokrates und Dwight D. Eisenhower.

»Schafe sind lustig«, sagte der Whitlock. »Beobachtet mal, wie sie sich verhalten, wenn man billiges Futter über den Zaun wirft, etwa Getreidehalme. Also, das merken die aus einer Meile Entfernung.« Der Whitlock kicherte. »Sie sind klug, wenn es sie selbst angeht. Und vielleicht hilft uns das, zu sehen, was wahre Klugheit ist; das hat nichts damit zu tun, daß man viele tolle Bücher gelesen hat oder lange Wörter kennt ... es geht darum, daß man erkennt, was für einen von Vorteil ist. Nur wenn etwas nützlich ist, handelt es sich um echte Klugheit.«

Jack kniete sich hin und begann den Rücken des Zornigen Hausmeisters abzuschrauben. Der Rektorschaltkreis der Schule stand daneben und sah zu.

Diese Maschine, wußte er, spulte ihr aufwendiges Programm als Antwort auf ein Unterrichtsband ab, aber ihr Benehmen war jederzeit offen für Änderungen, je nach dem Verhalten des Publikums. Sie war kein geschlossenes System; sie verglich die Antworten der Kinder mit ihrem Band, ordnete zu, gruppierte und reagierte dann. Für eigenwillige Antworten war jedoch kein Platz, weil die Lehrmaschine nur eine begrenzte Anzahl von Kategorien erkannte. Dennoch bot sie die überzeugende Illusion, lebendig und lebensfähig zu sein; sie war ein Triumph des Ingenieurwesens.

Ihr Vorteil gegenüber einem menschlichen Lehrer bestand darin, daß sie sich mit jedem Kind einzeln befassen konnte. Sie erzog, statt lediglich zu unterrichten. Eine Lehrmaschine konnte mit bis zu tausend Schülern gleichzeitig umgehen und würde doch nie den einen mit dem anderen verwechseln; bei jedem Kind änderte sich ihre Reaktion, so daß sie eine etwas andere Person wurde. Mechanisch, ja - aber fast unbegrenzt vielfältig. Die Lehrmaschinen bewiesen etwas, dessen Jack Bohlen sich wohl bewußt war: Das sogenannte »Künstliche« war erstaunlich tiefgründig.

Und doch fand er die Lehrmaschinen abstoßend. Die ganze Public School war nämlich auf ein Ziel ausgerichtet, das ihm gegen den Strich ging: Die Schule diente nicht der Information und Bildung, sondern der Formung, und zwar nach äußerst engen Richtlinien. Sie war das Bindeglied zur ererbten Kultur und ging mit dieser gesamten Kultur bei der Jugend hausieren. Sie bog die Schüler zurecht; das erklärte Ziel war die Weiterführung dieser Kultur, und jeder eigenständige Zug in den Kindern, der sie vielleicht in eine andere Richtung führte, mußte glattgebügelt werden.

Es war eine Schlacht, wurde Jack klar, zwischen der gemischten Psyche der Schule und den individuellen Psychen der Kinder, und die erstere hielt alle Trümpfe in der Hand. Ein Kind, das nicht richtig reagierte, wurde als autistisch angesehen - das heißt, an einem subjektiven Faktor gemessen, der Vorrang vor seinem Sinn für objektive Realität hatte. Und so ein Kind warf man schließlich von der Schule; dann kam es in eine ganz andere Art von Schule, die dazu da war, es zu rehabilitieren: Es kam ins Camp Ben-Gurion. Man konnte ihm nichts beibringen; man konnte es lediglich als einen Kranken behandeln.

Autismus, überlegte Jack, während er weiter den Rücken des Zornigen Hausmeisters abschraubte, war für die Autoritäten, die den Mars regierten, zu einem Begriff geworden, den sie nach Belieben verwendeten. Er war an die Stelle des älteren Begriffs »Psychopath« getreten, der damals den des »moralisch Schwachsinnigen« abgelöst hatte, der früher einmal für »krimineller Wahnsinn« stand. Und in Camp B-G hatte das Kind einen menschlichen Lehrer oder vielmehr einen Therapeuten.