Gut, angemessen war sie nicht gewesen; das mußte er zugeben.
Und nun hatte er also diesen Job bei Norb Steiner, was bedeutete, daß er praktisch in der Einöde der FDR-Berge leben mußte, auf Wochen hinaus der Gesellschaft entfremdet, während er die ganze Zeit immer einsamer und verbitterter wurde. Sein Bedürfnis nach engem persönlichem Kontakt hatte ihn überhaupt erst in diese Lage gebracht, und da saß er nun und hielt Rückschau auf sein Leben. Wie er so in der Lagerhalle auf das Erscheinen der nächsten Rakete wartete, ging ihm durch den Sinn, daß nicht einmal die Bleichmänner willens oder imstande wären, so zu leben wie er, so von allem abgeschnitten. Wenn wenigstens seine eigenen Schwarzmarktgeschäfte Erfolg gehabt hätten! Er hatte sich wie Norb Steiner jeden Tag um den Planeten geschwungen und eine Person nach der anderen besucht.
War es seine Schuld, daß die Waren, die er für die Einfuhr auswählte, so gut gingen, daß sogar die großen Tiere sich dafür interessierten? Er hatte einen zu guten Riecher bewiesen; sein Warenangebot hatte sich zu gut verkauft.
Auf die großen Schieber war er genauso wütend, und auch auf die großen Gilden. Er haßte Größe an sich; Größe hatte das amerikanische System des freien Unternehmertums zerstört und den Kleinunternehmer ruiniert - tatsächlich war er selbst vielleicht der letzte wahre Kleinunternehmer im Sonnensystem. Das war sein eigentliches Verbrechen: Er hatte versucht, den American way of life zu leben, statt immer nur davon zu reden.
»Zum Teufel mit denen«, sagte er sich. Er saß auf einer Kiste, umgeben von Kanistern, Kartons und Paketen und den Bestandteilen mehrerer auseinandergenommener Raketen, die er wieder auf Vordermann bringen sollte. Vor dem Fenster des Blechschuppens ... soweit das Auge reichte, nur stumme, trostlose Felsanhöhen mit einigen wenigen Sträuchern, verdorrt und abgestorben.
Und wo steckte Norb Steiner in diesem Augenblick? Zweifellos ließ er es sich gerade in einer Bar oder einem Restaurant oder im feudalen Wohnzimmer einer Frau gutgehen, pries seine Waren an, überreichte Dosen mit geräuchertem Lachs und bekam dafür ...
»Zum Teufel mit allen«, murmelte Otto, erhob sich und ging auf und ab. »Wenn sie es so wollen, sollen sie doch. Diese Tiere.«
Bei den kleinen Israelinnen ... dort steckte Steiner jetzt, in einem Kibbutz voll heißer, schwarzäugiger, vollippiger, großbusiger sexy Weiber, die braungebrannt waren von der Arbeit auf den Feldern, bei der sie nichts als Shorts und Baumwollblusen trugen, die sich der Figur anschmiegten, ohne BHs, nur diese festen, großen Brüste - man konnte sogar die Brustwarzen sehen, weil der Stoff ihnen feucht an der Haut klebte.
Darum wollte er auch nicht, daß ich ihn begleite, sagte sich Otto.
Die einzigen Frauen, die er hier draußen in den FDR-Bergen jemals zu Gesicht bekam, waren diese verschrumpelten, schwarzen, ausgedorrten Bleichmannfrauen, die nicht einmal menschlich waren, jedenfalls nicht in seinen Augen. Er glaubte den Anthropologen nicht, die behaupteten, daß Bleichmänner und Homo sapiens dieselben Ahnen hatten und daß wahrscheinlich beide Planeten vor einer Million Jahren von derselben interplanetaren Rasse kolonisiert worden waren. Diese Kröten - Menschen? Mit einer von denen schlafen? Himmel, lieber hackte er ihn sich ab.
In der Tat tauchte gerade eine Bleichmanngruppe auf, stieg vorsichtig auf nackten Sohlen die unwegsame Felsoberfläche eines Hügels im Norden hinab. Hierher unterwegs, stellte Otto fest. Wie gewöhnlich.
Er öffnete die Tür der Lagerhalle und wartete, bis sie ihn erreicht hatten. Vier Nigger, zwei davon schon älter, eine ältere Frau, mehrere magere Kinder, die die Bögen, Hackbretter und Paka-Eierschalen trugen.
Sie blieben stehen und musterten ihn schweigend, dann sagte einer der Nigger: »Regen fällt von mir auf deine ehrenwerte Person herab.«
»Gleichfalls«, sagte Otto. Er lehnte sich gegen den Schuppen und fühlte, wie ihn die dumpfe Last der Hoffnungslosigkeit niederdrückte. »Was wollt ihr?«
Der bleiche Nigger hielt ihm einen kleinen Papierfetzen hin, und als Otto ihn nahm, sah er, daß es der Aufkleber von einer Dose Schildkrötensuppe war. Der Bleichmann hatte die Suppe gegessen und das Etikett für diesen Zweck aufgehoben; sie konnten ihm nicht sagen, was sie wollten, weil sie nicht wußten, wie man es nannte.
»In Ordnung«, sagte er. »Wie viele?« Er klappte einen Finger nach dem anderen hoch. Bei fünf nickten sie. Fünf Dosen. »Was kriege ich dafür?« fragte Otto, ohne sich zu rühren.
Eine der jungen Bleichmannfrauen trat vor und deutete auf die Stelle an ihr, die Otto in Gedanken schon seit langer Zeit beschäftigte.
»O Gott«, sagte Otto verzweifelt. »Nein, geht weiter. Haut ab! Schluß jetzt; ich mag nicht mehr.« Er wandte ihnen den Rücken zu, kehrte in die Lagerhalle zurück und schlug so laut die Tür zu, daß die Wände wackelten; er ließ sich auf eine Kiste fallen und stützte den Kopf in die Hände. »Ich werde noch verrückt«, sagte er sich, während sich seine Kiefer verkrampften und die Zunge anschwoll, so daß er kaum sprechen konnte. Die Brust tat ihm weh. Und dann begann er zu seiner Verblüffung zu weinen. Herrje, dachte er erschrocken, ich werde wahrhaftig verrückt; ich breche zusammen. Warum? Tränen liefen ihm über die Wangen. Er hatte seit Jahren nicht mehr geweint. Was soll das alles? fragte er sich. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen; sein Körper flennte einfach los, und ihm blieb nichts weiter übrig, als es geschehen zu lassen.
Aber es erleichterte ihn. Er wischte sich mit dem Taschentuch die Augen, das Gesicht und fluchte, als er merkte, daß seine Hände steif waren, gekrümmt wie Klauen.
Vor dem Fenster der Lagerhalle standen nach wie vor die Bleichmänner herum und sahen ihn vielleicht sogar; er war sich nicht sicher. Ihre Mienen waren ausdruckslos, aber zweifellos hatten sie es mitbekommen, und bestimmt waren sie genauso perplex wie er. Es ist schon ein Wunder, dachte er. Da habt ihr recht.
Die Bleichmänner drängten sich zusammen und berieten, und dann löste sich einer von der Gruppe und näherte sich dem Schuppen. Otto hörte es an der Tür klopfen. Er ging und öffnete und stellte fest, daß draußen ein Bleichmann stand, der ihm etwas entgegenstreckte.
»Dann das hier«, sagte der junge Bleichmann.
Otto nahm es, hätte aber beim besten Willen nicht sagen können, was es war. Es bestand aus Glas und Metall und hatte Eichstriche. Und dann wurde ihm klar, daß es sich um ein Instrument handelte, das bei der Landvermessung benutzt wurde. Auf einer Seite war ein Stempeclass="underline" EIGENTUM der un.
»Das will ich nicht«, sagte er verwirrt und drehte es hin und her. Die Bleichmänner mußten es gestohlen haben, wurde ihm klar. Er gab es zurück; der junge Bleichmann nahm es mit stoischem Gleichmut entgegen und kehrte zu seiner Gruppe zurück. Otto schloß die Tür.
Diesmal gingen sie; er sah ihnen durchs Fenster nach, als sie die Hügelflanke hinaufzogen. Klaut euch doch dumm und dämlich, sagte er sich. Trotzdem, was machte ein Landvermessungstrupp der UN in den FDR-Bergen?
Um sich aufzumuntern, stöberte er herum, bis er eine Dose geräucherte Froschschenkel fand; er machte sie auf, setzte sich und verzehrte den Inhalt schlecht gelaunt; er hatte nichts von den Leckerbissen, aß die Dose aber methodisch leer.
*
Jack Bohlen sagte ins Mikrofon: »Schicken Sie einen anderen, Mr. Yee - ich bin Kott heute schon begegnet und habe ihn beleidigt.« Müdigkeit überfiel ihn. Natürlich bin ich Kott über den Weg gelaufen, zum ersten Mal in meinem Leben, und natürlich habe ich ihn prompt angepöbelt, dachte er bei sich. Und genauso natürlich -so ist das nun mal in meinem Leben - muß Arnie Kott am selben Tag beschließen, die Yee Company anzurufen und meine Dienste anzufordern. Das ist typisch für das Spielchen, das ich mit den mächtigen, seelenlosen Kräften des Lebens spiele.