»Mr. Kott erwähnte, daß er Sie in der Wüste getroffen hat«, sagte Mr. Yee. »Sein Entschluß, uns anzurufen, beruht sogar auf diesem Treffen.«
»Das gibt's doch nicht.« Er war sprachlos.
»Ich weiß nicht, worum es bei der Sache ging, Jack, aber es ist nicht weiter schlimm. Fliegen Sie nach Lewistown. Wenn es länger dauert als fünf Uhr, bezahle ich Ihnen das Anderthalbfache. Und Mr. Kott, der ja für seine Großzügigkeit bekannt ist, ist so versessen darauf, seinen Chiffrierer wieder in Ordnung zu bekommen, daß er versprochen hat, Sie fürstlich zu bewirten.«
»Also gut«, sagte Jack. Er brachte es beim besten Willen nicht auf die Reihe. Ihm war schleierhaft, was in Arnie Kott vor sich ging.
Kurz darauf ließ er seinen Hubschrauber auf dem Dachlandeplatz des Gildehauses der Kanalarbeiter von Lewistown niedergehen.
Ein Hausdiener schlenderte herbei und musterte ihn mißtrauisch.
»Mechaniker der Yee Company«, sagte Jack. »Arnie Kott hat mich bestellt.«
»Okay, mein Junge«, sagte der Hausdiener und führte ihn zum Fahrstuhl.
Er fand Arnie Kott in einem gut eingerichteten Wohnzimmer, wie man es auf der Erde hatte; der große, kahlköpfige Mann saß am Telefon und nickte nur, als Jack eintrat. Das Kopfnicken wies zu einem Schreibtisch, auf dem ein tragbares Chiffrierdiktaphon stand. Jack ging hinüber, nahm den Deckel ab und schaltete es an. Währenddessen setzte Arnie Kott sein Telefonat fort.
»Klar weiß ich, daß das ein kniffliges Talent ist. Sicher, es hat seinen guten Grund, daß noch keiner Nutzen daraus ziehen konnte - aber was soll ich machen, aufgeben und so tun, als existierte es nicht, nur weil die Leute fünfzigtausend Jahre lang zu bekloppt waren, um die Sache ernstzunehmen? Ich riskier's.« Eine lange Pause. »Okay, Doktor. Danke.« Arnie legte auf. Zu Jack sagte er: »Waren Sie schon mal in Camp B-G?«
»Nein«, sagte Jack. Er war damit beschäftigt, den Chiffrierer zu öffnen.
Arnie kam herbeigeschlendert und stellte sich neben ihn. Jack spürte seinen scharfen Blick, während er arbeitete; das machte ihn nervös, aber ihm blieb nichts anderes übrig, als den Mann zu ignorieren und weiterzuwerkeln. Ein bißchen wie der Rektorschaltkreis, dachte er bei sich. Und dann fragte er sich wie schon so oft, ob er wieder einen Anfall bekäme; sicher, es war lange her, aber jetzt stand wieder eine einflußreiche Person in seiner Nähe und schaute ihn prüfend an, und es war ihm ein wenig so zumute wie damals beim Vorstellungsgespräch mit dem Personalchef von Corona.
»Das eben am Apparat war Glaub«, sagte Arnie Kott. »Der Psychiater. Schon von ihm gehört?«
»Nein«, sagte Jack.
»Was treiben Sie so? Verbringen Sie Ihr ganzes Leben mit dem Kopf unter der Abdeckplatte von Maschinen?«
Jack sah auf und begegnete dem starren Blick des Mannes. »Ich habe Frau und Kind. Das ist mein Leben. Mit dem, was ich hier mache, halte ich meine Familie über Wasser.« Er sprach ruhig. Arnie schien ihm das nicht übelzunehmen; er lächelte sogar.
»Was zu trinken?« fragte Arnie.
»Kaffee, wenn Sie haben.«
»Ich habe echten Heimatkaffee«, sagte Arnie. »Schwarz?«
»Schwarz.«
»Ja, Sie sehen aus wie ein Schwarzer-Kaffee-Typ. Meinen Sie, Sie kriegen die Maschine hier und jetzt wieder hin, oder müssen Sie sie mitnehmen?«
»Ich kriege sie hier wieder hin.«
Arnie strahlte. »Das ist ja großartig! Ohne diese Maschine bin ich nämlich aufgeschmissen.«
»Wo bleibt der Kaffee?«
Arnie wandte sich um und ging pflichtschuldig davon; er hantierte in einem anderen Zimmer und kehrte dann mit einem Keramik-Kaffeebecher zurück, den er auf dem Tisch in Jacks Nähe abstellte. »Hören Sie, Bohlen. Ich bekomme jede Minute Besuch. Ein Mädchen. Das stört Sie doch nicht bei der Arbeit, oder?«
Jack sah flüchtig auf, weil er annahm, daß das sarkastisch gemeint war. Aber anscheinend war es nicht so; Arnie schaute erst ihn und dann die teilweise auseinandergenommene Maschine an, sichtlich besorgt, ob die Arbeit auch Fortschritte machte. Er ist wirklich auf das Ding angewiesen, wurde Jack klar. Merkwürdig, wie die Menschen an ihren Besitztümern hängen, als wären es Verlängerungen ihrer Körper, eine Art maschinelle Hypochondrie. Man sollte meinen, ein Mann wie Arnie Kott könnte den Chiffrierer einfach verschrotten und das Geld für einen neuen lockermachen.
Da ertönte ein Klopfen an der Tür, und Arnie beeilte sich mit dem Öffnen. »Oh, hey.« Seine Stimme drang zu Jack herüber. »Komm rein. He, ich kriege gerade mein Dingsda repariert.«
Eine Mädchenstimme sagte: »Arnie, dein Dingsda wirst du nie repariert kriegen.«
Arnie lachte nervös. »He, darf ich vorstellen? Mein neuer Mechaniker Jack Bohlen. Bohlen, das ist Doreen Anderton, unsere Gildeschatzmeisterin.«
»Hey«, sagte Jack. Aus den Augenwinkeln - er unterbrach seine Arbeit nicht - konnte er sehen, daß sie rotes Haar hatte, extrem weiße Haut und wunderschöne große Augen. Alle stehen bei ihm auf der Lohnliste, dachte er säuerlich. Was für eine tolle Welt. Was für eine tolle Gilde du hier doch am Laufen hast, Arnie.
»Fleißig, wie?« sagte das Mädchen.
»O ja«, stimmte Arnie zu, »diesen Mechanikerfritzen liegt echt was daran, gute Arbeit zu leisten, ich meine, denen von außerhalb, nicht unseren eigenen - unsere sind bloß ein Haufen Schlappschwänze, die herumsitzen und sich auf unsere Kosten amüsieren. Von denen habe ich die Nase voll, Dor. Ich meine, dieser Bohlen hier ist der reinste Zauberer; er ist mit dem Chiffrierer jetzt jeden Moment fertig, nicht wahr, Jack?«
»Ja«, sagte Jack.
Das Mädchen sagte: »Sagen Sie nicht mal Hallo, Jack?«
Er unterbrach seine Arbeit und wandte sich ihr zu; er sah sie offen an. Ihr Gesichtsausdruck war kühl und intelligent, mit einem leicht spöttischen Zug, der seltsam wohltuend und zugleich ärgerlich war. »Hallo«, sagte Jack.
»Ich habe Ihren Hubschrauber auf dem Dach gesehen«, sagte das Mädchen.
»Laß ihn arbeiten«, sagte Arnie mürrisch. »Gib mir deinen Mantel.« Er stellte sich hinter sie und half ihr heraus. Das Mädchen trug ein dunkles Wollkostüm, offenbar ein Import von der Erde und deshalb horrend teuer. Ich wette, das hat die Rentenkasse der Gilde eine ganze Stange gekostet, dachte Jack.
Er betrachtete das Mädchen und fand, daß sie der lebende Beweis für eine alte Weisheit war. Hübsche Augen, Haare und Haut machten eine Frau schön, aber erst eine wirklich schöne Nase ergab eine bezaubernde Frau. Dieses Mädchen hatte so eine Nase: Ausgeprägt und gerade beherrschte sie ihr Gesicht und bildete die Grundlage für alle übrigen Züge. Frauen aus dem Mittelmeerraum kamen dem gängigen Schönheitsideal viel eher entgegen als zum Beispiel Irinnen oder Engländerinnen, wurde ihm klar, weil genetisch gesprochen die mediterrane Nase, ob spanisch, hebräisch, türkisch oder italienisch, naturgemäß eine viel größere Rolle für die Anordnung der Gesichtszüge spielt. Seine Frau Silvia hatte eine freche Stupsnase; sie war nach jedermanns einhelligem Urteil einfach schön. Aber - da gab es doch einen Unterschied.
Er schätzte Doreen auf Anfang Dreißig. Dennoch hatte sie eine Frische, die ihr den Eindruck von Ausgeglichenheit gab. So rosige Farben hatte er bisher nur bei High-School-Mädchen gesehen, die ins heiratsfähige Alter kamen, und gelegentlich sah man sie auch bei fünfzigjährigen Frauen mit voll ergrautem Haar und großen, liebevollen Augen. Dieses Mädchen würde in zwanzig Jahren noch attraktiv sein und war es vermutlich immer gewesen; anders konnte er sie sich gar nicht vorstellen. Arnie tat gut daran, die ihm anvertrauten Gelder in sie zu investieren; sie würde nicht nachlassen. Er sah diesen Ausdruck von Reife in ihrem Gesicht, und das war bei Frauen eine Seltenheit.
Arnie sagte zu ihm: »Wir gehen aus, einen trinken. Wenn Sie die Maschine rechtzeitig hinkriegen ...«