»Hier draußen etwas bauen zu lassen kostet ein Vermögen«, sagte Silvia, »das ist nicht so wie drüben auf der Erde.«
»Weiß ich«, sagte Großvater Leo, »aber man muß seine Investitionen schützen - dieses Haus ist viel wert, und das Land; ihr habt Wasser in der Nähe, vergeßt das nicht.«
»Wie könnten wir das vergessen?« sagte Silvia. »Großer Gott, ohne den Graben müßten wir sterben.«
»Hat man den Kanal dieses Jahr verbreitert?« fragte Großvater Leo.
»Wie gehabt«, sagte Jack.
David meldete sich zu Wort. »Sie haben ihn ausgebaggert, Großvater Leo. Ich hab zugesehen; die UNLeute haben eine große Maschine benutzt, die den Sand vom Grund gesaugt hat, und jetzt ist das Wasser viel sauberer. Also hat mein Dad das Filtersystem abgeschaltet, und wenn jetzt der Schiffer kommt und das Tor für uns aufmacht, können wir so schnell pumpen, daß mein Dad mir erlaubt hat, einen neuen Gemüsegarten anzulegen, den ich mit dem überlaufenden Wasser fluten kann, und ich hab Mais und Kürbisse und ein paar Karotten, aber irgend etwas hat die ganzen Rüben gefressen. Gestern abend gab's bei uns Mais aus meinem Garten. Wir haben einen Zaun gezogen, um zu verhindern, daß die kleinen Tiere reinkommen - wie heißen sie noch gleich, Dad?«
»Sandratten, Leo«, sagte Jack. »Kaum konnte man in Davids Garten was ernten, da zogen die Sandratten ein. Sie sind irre lang.« Er hielt seine Hände hoch, um es zu zeigen. »Harmlos, nur daß sie in zehn Minuten ihr eigenes Körpergewicht verdrücken können. Die älteren Siedler haben uns gewarnt, aber wir mußten es einfach probieren.«
»Prima Sache, wenn man sein Gemüse selber anbaut«, sagte Großvater Leo. »Ja, du hast mir von dem Garten geschrieben, David. Morgen sehe ich ihn mir gern an. Heute abend bin ich zu müde dafür; die lange Reise, die ich hinter mir habe, selbst mit den neuen Schiffen, die sie jetzt haben - wie nennen sie die? - Lichtschnell. Das sind sie aber eigentlich gar nicht; dauert immer noch eine ganze Weile, das Starten und Landen, und dann die Erschütterungen. Neben mir saß eine Frau; sie hatte furchtbare Angst, dachte, daß wir verbrennen, so heiß wurde es da drin, trotz Klimaanlage. Ich verstehe nicht, warum sie es so heiß werden lassen, wo der Flug doch teuer genug ist. Aber das ist schon eine große Verbesserung, verglichen mit ... Erinnert ihr euch noch an das Schiff, mit dem ihr vor zwei Jahren ausgewandert seid? Zwei Monate!«
Jack sagte: »Leo, du hast doch deine Sauerstoffmaske mitgebracht, hoffe ich. Unsere ist inzwischen zu alt und unzuverlässig.«
»Sicher, ich hab sie in meinem braunen Koffer. Macht euch um mich keine Sorgen, ich vertrage diese Atmosphäre - hab eine neue Herztablette bekommen, um einiges besser. Drüben auf der Erde wird jetzt alles besser. Klar ist es da überfüllt. Aber immer mehr Menschen wollen hierher auswandern - glaubt mir. Der Smog drüben auf der Erde ist so schlimm, daß er einen fast umbringt.«
David unterbrach ihn: »Großvater Leo, der Mann von nebenan, Mr. Steiner, er hat sich das Leben genommen, und jetzt ist sein Sohn Manfred aus dem Camp für abnorme Kinder zurück, und mein Dad baut einen Apparat, damit er mit uns sprechen kann.«
»Schau an«, sagte Großvater Leo freundlich. Er strahlte den Jungen an. »Das ist ja interessant, David. Wie alt ist der Junge denn?«
»Zehn«, sagte David, »aber er kann noch kein bißchen mit uns reden. Na, das wird mein Dad mit seinem Apparat schon hinkriegen, und weißt du, für wen mein Dad gerade arbeitet? Für Mr. Kott, der die Kanalarbeitergilde und ihre Siedlung leitet; das ist ein ungeheuer wichtiger Mann.«
»Ich glaube, ich hab von ihm gehört«, sagte Großvater Leo und zwinkerte Jack zu, was der Junge bemerkte.
Jack sagte zu seinem Vater: »Dad, hast du immer noch vor, in den FDR-Bergen Land zu erwerben?«
»Oh, gewiß«, sagte Großvater Leo. »Da kannst du sicher sein, Jack. Natürlich bin ich aus familiären Gründen hierhergereist, um euch alle wiederzusehen, aber wenn es nicht auch ums Geschäft ginge, hätte ich mir nicht so lange frei nehmen können.«
»Ich hatte gehofft, du hättest es aufgegeben«, sagte Jack.
»Also, Jack«, sagte Großvater Leo, »mach dir darüber mal keine Sorgen; überlaß ruhig mir, ob das richtig ist; ich bin jetzt schon viele Jahre im Maklergeschäft. Paß auf. Du fliegst mich zu diesem Gebirgszug raus, damit ich mir aus erster Hand einen Eindruck verschaffen kann, ja? Ich hab eine Menge Landkarten; aber ich möchte es mit eigenen Augen sehen.«
»Du wirst enttäuscht sein, wenn du es siehst«, sagte Silvia. »Es ist so trostlos dort, kein Wasser, kaum Lebewesen.«
»Zerbrechen wir uns darüber jetzt nicht den Kopf«, sagte Großvater Leo und lächelte David zu. Er knuffte den Jungen in die Rippen. »Tut gut, hier draußen so einen kräftigen, gesunden jungen Mann zu sehen, weit weg von der verschmutzten Luft auf der Erde.«
»Nun, der Mars hat auch seine Nachteile«, sagte Silvia. »Versuch mal, für eine Weile mit schlechtem oder gar keinem Wasser auszukommen, dann wirst du schon sehen.«
»Ich weiß«, sagte Großvater Leo nüchtern. »Wer hier draußen leben will, muß wirklich Schneid haben. Aber es ist gesund; vergeßt das nicht.«
Unter ihnen glitzerten jetzt die Lichter von Bunchewood Park. Jack drehte der Hubschrauber nach Norden, Richtung Heimat.
*
Während er den Hubschrauber der Yee Company steuerte, warf Jack Bohlen seinem Vater einen kurzen Blick zu und staunte darüber, wie wenig er gealtert war, wie kräftig und gut beieinander er für einen Mann Ende Siebzig wirkte. Und immer noch den ganzen Tag am Ackern, das Spekulieren machte ihm soviel Spaß wie eh und je.
Aber auch wenn es nicht danach aussah, er war sicher, daß die lange Reise von der Erde Leo stärker erschöpft hatte, als er zugab. Nun ja, jetzt war es nicht mehr weit bis zum Haus. Der Kreiselkompaß zeigte genau 7.08054 an; sie waren nur noch Minuten entfernt.
Als sie auf dem Hausdach geparkt hatten und die Treppe hinuntergestiegen waren, löste Leo sofort sein Versprechen ein; frohen Mutes machte er sich in der Küche ans Werk und bereitete jedem ein koscheres Cornedbeefsandwich mit jüdischem Brot zu. Bald saßen alle im Wohnzimmer und aßen. Ein jedes war friedlich und entspannt.
»Du glaubst ja nicht, wie sehr wir uns nach dieser Art Essen gesehnt haben«, sagte Silvia endlich. »Sogar auf dem Schwarzmarkt ...« Sie warf Jack einen Blick zu.
»Manchmal kann man auf dem Schwarzmarkt Leckereien bekommen«, sagte Jack, »obwohl es in letzter Zeit schwieriger geworden ist. Wir tun das aber nicht. Nicht aus moralischen Gründen: Es ist einfach zu teuer.«
Sie schwatzten noch eine Weile miteinander, erfuhren einiges über Leos Reise und die Zustände daheim. David wurde um halb elf ins Bett geschickt, und um elf entschuldigte sich dann Silvia und ging ebenfalls zu Bett. Leo und Jack blieben im Wohnzimmer sitzen, nur sie beide.
Leo sagte: »Können wir nicht noch mal hinausgehen und uns den Garten des Jungen anschauen? Du hast doch sicher eine gute Taschenlampe?«
Jack kramte sein Prüflicht hervor und führte sie aus dem Haus hinaus in die kalte Nachtluft.
Als sie am Rand des kleinen Maisfelds standen, raunte Leo ihm zu: »Wie läuft's denn jetzt so mit Silvia und dir?«
»Gut«, sagte Jack, leicht bestürzt über die Frage.
»Mir scheint, daß ihr recht kühl miteinander umgeht«, sagte Leo. »Es wäre wirklich schrecklich, Jack, wenn ihr euch auseinanderlebt. Ist eine prima Frau, die du da hast
- eine unter Millionen.«
»Ist mir klar«, sagte Jack kleinlaut.
»Zu Hause auf der Erde«, sagte Leo, »als du noch ein Jungspund warst, hast du immer viel herumgetechtelt. Aber jetzt bist du ja zur Ruhe gekommen.«
»Bin ich«, sagte Jack. »Und ich glaube, du siehst Gespenster.«
»Du machst so einen verschlossenen Eindruck«, sagte sein Vater. »Ich hoffe, dein altes Leiden - du weißt schon, wovon ich rede - macht dir nicht wieder zu schaffen. Ich meine ...«