Выбрать главу

»Sensationell«, sagte Jack, »die tollsten Nachrichten seit der Erschließung des Mars.« Er konnte es immer noch nicht glauben.

»Längst überfällig«, sagte Leo. »Hätte von Anfang an so laufen sollen. Aber sie gingen davon aus, daß Privatkapitel aufgebracht würde; sie hatten darauf gesetzt, daß die anderen es tun.«

»Das wird das Leben aller verändern, die auf dem Mars leben«, sagte Jack. Es würde das Machtgleichgewicht verändern, eine völlig neue Herrschaftsklasse etablieren: Arnie Kott, Bosley Touvim

- die Gildesiedlungen und die nationalen Siedlungen -, das wären kleine Fische, wenn erst die Genossenschaft und die UN hier Einzug hielten.

Armer Arnie, dachte er. Das überlebt er nicht. Zeit, Fortschritt und Zivilisation, alles wird über ihn hinwegbranden, Arnie und seine Dampfbäder, in denen er Wasser vergeudet, sein kleines Luxussymbol.

»Jetzt paß mal auf, Jack«, sagte sein Vater, »verbreite diese Information nicht überall, sie ist vertraulich. Worauf wir ein Auge haben müssen, sind die Mauscheleien im Grundbuchamt - der Laden, wo der Anspruch eingetragen wird. Ich meine, wir leisten unsere Anzahlung, und dann bekommen die anderen Spekulanten, vor allem die von hier, Wind davon und machen fein-fein mit dem Grundbuchamt, und ehe man sich versieht ...«

»Verstehe«, sagte Jack. Das Grundbuchamt datierte die Anzahlung eines hiesigen Spekulanten zurück und gab ihm einen scheinbaren Vorrang gegenüber Leo. In diesem Spiel gibt es sicher noch viele Tricks, sagte sich Jack; kein Wunder, daß Leo vorsichtig vorgeht.

»Wir haben Nachforschungen über das Grundbuchamt hier angestellt, und es scheint ehrlich zu sein. Aber wenn soviel auf dem Spiel steht, weiß man ja nie.«

Plötzlich grunzte Manfred Steiner heiser.

Jack und Leo blickten erschrocken auf. Sie hatten ihn ganz vergessen; er saß hinten in der Kabine des Hubschraubers, das Gesicht ans Glas gepreßt, und starrte in die Tiefe. Er deutete aufgeregt.

Weit unten sah Jack eine Gruppe Bleichmänner, die einen Bergpfad entlangzog. »Stimmt«, sagte Jack zu dem Jungen, »da unten sind Menschen, sicher auf der Jagd.« Ihm fiel ein, daß Manfred wahrscheinlich noch nie einen Bleichmann gesehen hatte. Ich wüßte doch zu gern, wie er reagiert, überlegte Jack, wenn er ihnen auf einmal gegenübersteht. Das ließ sich leicht einrichten; er brauchte nur mit dem Hubschrauber genau vor dieser Gruppe zu landen.

»Was sind das für Leute?« fragte Leo, der auch hinunterschaute. »Marsianer?«

»Genau das«, sagte Jack.

»Ich werd verrückt.« Leo lachte auf. »Das sind also Marsianer ... die sehen eher wie schwarze Aborigines aus, wie afrikanische Buschmänner.«

»Sie sind eng mit ihnen verwandt«, sagte Jack.

Manfred war ganz aufgeregt; seine Augen leuchteten, und er lief hin und her, von einem Fenster zum andern, sah hinunter und murmelte vor sich hin.

Was wohl passieren würde, wenn Manfred eine Zeitlang in einer Bleichmannfamilie lebte? überlegte Jack. Sie bewegen sich langsamer als wir; ihr Leben ist nicht so kompliziert und hektisch. Möglicherweise ist ihr Zeitgefühl seinem näher ... für die Bleichmänner waren die Erdenmenschen vielleicht hypermanische Typen, die mit unglaublicher Geschwindigkeit herumsausen und für nichts und wieder nichts riesige Energiemengen vergeuden.

Aber ihn zu den Bleichmännern zu geben, würde Manfred auch nicht helfen, sich in seiner eigenen Gesellschaft zurechtzufinden. Tatsächlich, wurde ihm klar, entfernte ihn das vielleicht noch weiter von uns, so daß es uns nie mehr gelänge, Kontakt mit ihm aufzunehmen.

Bei diesem Gedanken beschloß er, nicht mit dem Hubschrauber zu landen.

»Arbeiten diese Leute überhaupt?« fragte Leo. »Diese Marsianer?«

»Einige hat man gezähmt«, sagte Jack, »wie es so schön heißt. Aber die meisten von ihnen leben noch so, wie sie es immer getan haben, als Jäger und Sammler. Das Stadium des Ackerbaus haben sie noch nicht erreicht.«

*

Als sie den Henry Wallace erreichten, setzte Jack mit dem Hubschrauber auf, und er betrat mit seinem Vater und Manfred den ausgedörrten, felsigen Boden. Manfred bekam Papier und Buntstifte, um sich zu beschäftigen, und dann machten die beiden Männer sich auf die Suche nach einer geeigneten Stelle, um den Pflock einzuschlagen.

Die Stelle, ein niedriges Plateau, wurde gefunden, und das Gelände abgesteckt, in erster Linie durch Jack; sein Vater wanderte umher und begutachtete mit sichtlich verwirrtem und ungeduldigem Stirnrunzeln Felsformationen und Pflanzen. Es schien ihm in dieser menschenleeren Gegend nicht sonderlich zu gefallen - aber er sagte nichts; höflich nahm er den Abdruck eines Fossils zur Kenntnis, auf den Jack ihn aufmerksam machte.

Sie fotografierten den Pflock und die Umgebung und kehrten nach getaner Arbeit zum Hubschrauber zurück. Manfred saß immer noch auf dem Boden und zeichnete eifrig mit seinen Buntstiften. Die Trostlosigkeit der Gegend schien ihn nicht sehr zu stören, fand Jack. Völlig von seiner Innenwelt eingenommen, zeichnete der Junge weiter und beachtete sie gar nicht; ab und zu blickte er auf, aber nicht zu den beiden Männern. Seine Augen waren ausdruckslos.

Was zeichnet er da? fragte sich Jack und näherte sich dem Jungen von hinten, um nachzuschauen.

Manfred, der gelegentlich mit leerem Blick in die Landschaft sah, hatte große, flache Apartmenthäuser gezeichnet.

»Sieh dir das an, Dad«, sagte Jack, und es gelang ihm, seine Stimme ruhig und gelassen klingen zu lassen.

Die beiden standen hinter dem Jungen und sahen zu, wie er zeichnete, sahen zu, wie die Gebäude auf dem Papier immer genauer wurden.

Also, jetzt gibt es keinen Zweifel mehr, dachte Jack. Der Junge zeichnet die Häuser, die eines Tages hier stehen werden. Er zeichnet die Landschaft der Zukunft, nicht jene Landschaft, die wir mit den Augen wahrnehmen.

»Ob er das Foto gesehen hat, das ich dir gezeigt habe?« sagte Leo. »Das mit den Modellen?«

»Kann schon sein«, sagte Jack. Das wäre zumindest eine Erklärung; der Junge hatte ihr Gespräch mitbekommen, die Skizzen gesehen und sich davon inspirieren lassen. Aber das Foto hatte die Gebäude von oben gezeigt; das hier war eine andere Perspektive. Der Junge hatte die Gebäude so gezeichnet, wie sie dem Betrachter von unten erscheinen würden. Wie sie jemandem erscheinen würden, wurde Jack klar, der an der Stelle stand, wo sie jetzt standen.

»Es würde mich nicht überraschen, wenn an der Zeittheorie etwas Wahres wäre«, sagte Leo. Er schaute auf seine Armbanduhr. »Ach, und da wir gerade von Zeit sprechen, ich finde, wir ...«

»Ja«, willigte Jack nachdenklich ein, »wir sollten zurückfliegen.«

Noch etwas war ihm an der Zeichnung des Kindes aufgefallen. Er fragte sich, ob sein Vater es auch bemerkt hatte. Die Gebäude, die weiträumigen Genossenschaftswohnungen, die der Junge skizziert hatte, veränderten sich vor ihren Augen auf verhängnisvolle Weise. Beim Betrachten entdeckte er einige letzte Details, die Leos Blick erstarren ließen; er schnaufte und sah seinen Sohn an.

Die Gebäude waren alt, sackten schon durch. Ihre Fundamente wiesen große Risse auf, die nach oben ausstrahlten. Fenster waren zerbrochen. Und auf dem Land um sie herum wuchs etwas, das wie hohe Unkrautbüsche aussah. Es war ein Bild des Verfalls und der Verzweiflung und einer schweren, zeitlosen Bürde.

»Jack, er zeichnet einen Slum!« rief Leo aus.

Das war es: ein verfallender Slum. Gebäude, die Jahre, vielleicht schon Jahrzehnte gestanden hatten, deren Blütezeit vorbei war und die man dem Verfall preisgegeben hatte, altersschwach und teilweise verlassen.