Unter dem Hubschrauber ging die Wüste allmählich in karges, prärieähnliches Weideland über. Ein Stacheldrahtzaun markierte den Beginn der McAuliff-Farm und damit das vom Staat Texas verwaltete Gebiet. McAuliffs Vater war texanischer Ölmillionär gewesen und hatte seine Schiffe für die Auswanderung zum Mars selbst finanziert; er hatte sogar die Leute von der Klempnergilde geschlagen. Jack drückte seine Zigarette aus und steuerte den Hubschrauber nach unten, wobei er versuchte, gegen das grelle Sonnenlicht die Gebäude der Farm auszumachen.
Eine kleine Kuhherde geriet in Panik und floh im Galopp vor dem Hubschrauberlärm; er beobachtete, wie die Tiere sich verteilten, und hoffte, daß McAuliff, ein gedrungener Ire mit mürrischer Miene und zwanghafter Auffassung vom Leben, es nicht bemerkt hatte. McAuliff hatte aus guten Gründen eine hypochondrische Einstellung gegenüber seinen Kühen; er argwöhnte, daß alle möglichen marsianischen Dinge hinter ihnen her waren, was sie abmagern, erkranken und nur noch unregelmäßig Milch geben ließ.
Jack schaltete sein Funkgerät an und sagte ins Mikrofon: »Hier spricht ein Reparaturschiff der Yee Company. Sie haben uns gerufen. Jack Bohlen bittet um Landeerlaubnis auf der McAuliff-Landebahn.«
Er wartete, dann kam die Antwort von der riesigen Farm. »Okay, Bohlen, alles klar. Zwecklos zu fragen, warum Sie so lange gebraucht haben.« McAuliffs resignierte, verdrossene Stimme.
»Bin schon so gut wie bei Ihnen«, sagte Jack mit einer Grimasse.
Sogleich erkannte er vor sich die Gebäude, weiß vor sandigem Grund.
»Wir haben hier fünfzehntausend Gallonen Milch.« McAuliffs Stimme drang aus dem Lautsprecher des Funkgeräts. »Und alles wird verderben, wenn Sie diese verdammte Kühlanlage nicht bald wieder in Gang kriegen.«
»Ich eile«, sagte Jack. Er steckte sich die Daumen in die Ohren und schnitt eine häßliche Fratze in Richtung Funkgerät.
Zwei
Der frühere Klempner Arnie Kott, Oberster Gildebruder der Örtlichen Kanalarbeiter, Filiale Vierter Planet, stieg um zehn Uhr früh aus dem Bett und schlenderte seiner Gewohnheit gemäß geradewegs ins Dampfbad.
»Hallo, Jungs.«
»Grüß dich, Arnie.«
Jeder nannte ihn beim Vornamen, und das war gut so. Arnie Kott nickte Bill und Eddy und Tom zu, und alle grüßten zurück. Die dampfgesättigte Luft bildete Tropfen an seinen Füßen und lief über die Kacheln ab, auf Nimmerwiedersehen. Das gefiel ihm: Die Bäder waren so gebaut, daß sie das ablaufende Wasser nicht sammelten. Es wurde nach draußen in den heißen Sand abgeleitet und verschwand für immer. Wer konnte sich das sonst noch leisten? Er dachte: Ich wüßte doch zu gern, ob diese reichen Juden oben in Neu-Israel ein Dampfbad haben, in dem Wasser vergeudet wird.
Arnie Kott stellte sich unter die Dusche und sagte zu den Kumpels ringsum: »Ich hab da ein Gerücht gehört, das ich so schnell wie möglich überprüft haben will. Ihr kennt doch dieses Kombinat aus Kalifornien, diese Portugiesen, die ursprünglich einen Titel auf die FDR-Berge hatten und versuchten, dort Eisenerz abzubauen, aber es war zu minderwertig und wog die Kosten bei weitem nicht auf? Ich hab gehört, die haben ihren Besitz verkauft.«
»Ja, hab ich auch gehört.« Sämtliche Jungs nickten. »Ich frag mich, wieviel die wohl draufzahlen mußten. Dürften mächtig Prügel bezogen haben.«
Arnie sagte: »Nein, wie ich hörte, haben sie einen Käufer gefunden, der bereit war, mehr hinzublättern, als sie bezahlt haben; nach all den Jahren haben die sogar noch einen Schnitt gemacht. Hat sich für sie also gelohnt, bei der Stange zu bleiben. Ich frag mich, wer bescheuert genug ist, dieses Land zu wollen. Ich hab dort ein paar Schürfrechte, wißt ihr. Ich möchte, daß ihr herausfindet, wer das Land gekauft hat und aus welcher Branche die Leute kommen. Ich möchte wissen, was die da drüben vorhaben.«
»Immer gut, so was zu wissen.« Wieder nickten alle, und einer - es war wohl Fred - riß sich von seiner Dusche los und trottete davon, um sich anzuziehen. »Ich geh der Sache nach, Arnie«, sagte Fred über die Schulter hinweg. »Ich kümmer mich gleich darum.«
Arnie wandte sich an die Übrigen und sagte, wobei er sich gründlich einseifte: »Wißt ihr, ich muß meine Schürfrechte schützen; ich kann nicht zulassen, daß so ein aalglatter Knilch von der Erde hier reinschneit und aus diesen Bergen womöglich eine Art Nationalpark für Picknicker macht. Ich sag euch, was ich gehört hab. Ich weiß, daß vor zirka einer Woche ein Haufen kommunistischer Funktionäre aus Rußland und Ungarn hier war, hohe Tiere, zweifellos, um sich umzuschauen. Meint ihr etwa, die haben aufgegeben, weil ihr Kollektiv letztes Jahr den Bach runtergegangen ist? Nein. Die haben den Verstand von Wanzen, und wie Wanzen kommen sie immer wieder. Diese Roten brennen doch darauf, auf dem Mars ein erfolgreiches Kollektiv auf die Beine zu stellen; das ist für die daheim so was wie ein feuchter Traum. Würde mich nicht überraschen, wenn sich herausstellt, daß diese Portugiesen aus Kalifornien an Kommunisten verkauft haben, und demnächst sehen wir dann, wie sie den Namen FDR-Berge, der richtig und zutreffend ist, in so was wie Joe-Stalin-Berge abwandeln.«
Die Männer lachten alle beifällig.
»Also, ich hab heut noch einiges zu erledigen«, sagte Arnie Kott und spülte sich mit wilden Heißwasserströmen den Seifenschaum vom Leib. »Deswegen kann ich mich auch nicht weiter drum kümmern; ich verlaß mich drauf, daß ihr der Sache nachgeht. Zum Beispiel bin ich neulich in den Osten gefahren, wo wir diesen Melonenversuch am Laufen haben, und es scheint, als würd's ein voller Erfolg, die New-England-Melonen hier in der Umgebung heimisch zu machen. Ich weiß, daß ihr euch das alle schon gefragt habt, weil doch jeder, wenn irgend möglich, morgens gern eine schöne Scheibe Cantaloupe zum Frühstück hat.«
»Stimmt, Arnie«, pflichteten die Jungs bei.
»Aber die Melonen«, sagte Arnie, »sind nicht alles, was mir im Kopf herumspukt. Gestern hat uns einer dieser UN-Knilche einen Besuch abgestattet und gegen unsere Behandlung der Nigger protestiert. Oder vielleicht sollte ich's anders ausdrücken; vielleicht sollte ich's wie die UN-Knilche machen und von >Resten der einheimischen Bevölkerung< sprechen oder einfach von Bleichmännern. Worauf er rauswollte war, daß wir für den Betrieb der Bergwerke, die im Besitz unserer Siedlung sind, Bleichmann-Nigger unter Tarif beschäftigen, ich meine, unter dem Mindestlohn -schließlich ziehen ja nicht mal diese Torfköpfe von der UN ernsthaft in Betracht, daß wir bleiche Nigger nach Tarif bezahlen. Wie auch immer, wir haben dieses Problem, daß wir den bleichen Niggern keinen Mindestlohn zahlen können, weil die bei der Arbeit so wankelmütig sind, daß wir glatt bankrott gehen würden, und wir müssen sie unter Tage beschäftigen, weil sie die einzigen sind, die da unten atmen können, und wir Sauerstoffgeräte in größeren Mengen nur zu Preisen herschaffen lassen können, die einfach schwindelerregend sind. Jemand verdient sich daheim an diesen Sauerstofftanks und Kompressoren dumm und dämlich. Das ist Schiebung, sag ich euch, und wir lassen uns nicht abzocken.«
Alle nickten finster.
»Wir können doch nicht zulassen, daß die UN-Büro-kraten uns vorschreiben, wie wir unsere Siedlung zu verwalten haben«, sagte Arnie. »Schließlich hatten wir schon den Betrieb aufgenommen, als die UN hier noch nichts weiter waren als eine Flagge im Sand; wir haben Häuser bauen lassen, ehe sie noch einen Topf zum Pissen auf dem Mars hatten, einschließlich des ganzen Geländes im Süden, um das sich die Vereinigten Staaten und Frankreich prügeln.«
»Genau, Arnie«, stimmten die Jungs allesamt zu.
»Allerdings«, sagte Arnie, »gibt's da das Problem, daß diese UN-Früchtchen die Wasserwege kontrollieren, und wir brauchen Wasser; wir brauchen es als Verkehrsweg in unsere Siedlung rein und wieder raus und als Energiequelle und zum Trinken und wie jetzt, wie hier zum Baden. Ich meine, diese Schweine können uns doch jederzeit das Wasser abdrehen; die haben uns an der Kandare.«