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Er beendete sein Duschbad und stapfte über die warmen, feuchten Fliesen zum Badewärter, um sich ein Handtuch geben zu lassen. Schon der Gedanke an die UN brachte seinen Magen in Aufruhr, und sein einstiges Zwölffingerdarmgeschwür fing ziemlich weit unten auf der linken Seite, in der Leistengegend, wieder zu brennen an. Ich sollte besser etwas frühstücken, wurde ihm klar.

Als der Badewärter ihn angekleidet hatte und er wieder seine grauen Flanellhosen und das T-Shirt, die weichen Lederstiefel und die Seglermütze trug, verließ er das Dampfbad und ging durch den Flur des Gildehauses in sein Eßzimmer, wo Helio, sein bleicher Koch, bereits mit dem Frühstück auf ihn wartete. Kurz darauf saß er vor einem Stapel Maiskuchen und Schinken, Kaffee und einem Glas Orangensaft und der Sonntagsausgabe der New York Times von voriger Woche.

»Guten Morgen, Mr. Kott.« Auf seinen Knopfdruck hin war eine Sekretärin vom Pool erschienen, ein Mädchen, das er noch nie vorher gesehen hatte. Sieht nicht sonderlich gut aus, entschied er nach einem flüchtigen Blick; er wandte sich wieder der Zeitungslektüre zu. Und sie nannte ihn auch noch Mr. Kott. Er nippte an seinem Orangensaft und las von einem Schiff, das im Weltraum verunglückt war, wobei alle dreihundert Personen an Bord den Tod gefunden hatten. Es handelte sich um ein japanisches Handelsschiff, das Fahrräder geladen hatte. Das brachte ihn zum Lachen. Fahrräder im Weltraum, und jetzt waren alle hin; ein Jammer, denn auf einem Planeten mit so geringer Masse wie dem Mars, wo es - außer dem schlammigen Kanalsystem - praktisch keinerlei Kraftquelle gab und wo sogar Kerosin ein Vermögen kostete, waren Fahrräder von großem ökonomischem Wert. Ein Mensch konnte Hunderte von Meilen kostenlos radeln, und auch noch geradewegs über den Sand. Die einzigen Leute, die mit Kerosin-Turbinen angetriebene Fortbewegungsmittel benutzten, waren überlebenswichtige Funktionäre wie Mechaniker und Wartungstechniker und natürlich bedeutende Personen wie er selber. Selbstverständlich gab es auch öffentliche Verkehrsmittel wie die Traktorbusse, die die Siedlungen untereinander verbanden und außerhalb liegende Wohngebiete mit dem Rest der Welt ... doch sie verkehrten unregelmäßig und waren hinsichtlich des Treibstoffs auf Lieferungen von der Erde angewiesen. Und was ihn betraf, so bewegten die Busse sich ohnehin dermaßen langsam fort, daß sie Klaustrophobie hervorriefen.

Die New York Times zu lesen gab ihm immer eine Weile das Gefühl, wieder zu Hause in South Pasadena zu sein; seine Familie hatte die Westküsten-Ausgabe der Times abonniert, und er erinnerte sich noch, wie er sie als Junge immer aus dem Briefkasten holte, von der mit Aprikosenbäumen gesäumten Straße, der warmen, rauchverhangenen kleinen Straße mit den sauberen, einstöckigen Häusern und geparkten Autos und den Rasenflächen, um die man sich regelmäßig jedes Wochenende kümmerte. Es waren die Rasenflächen mit all ihren Geräten und Pflanzenmitteln, die er am meisten vermißte - den Handwagen für den Dünger, den frischen Grassamen, die Heckenscheren, das Netz gegen die Spatzen im Frühling ... und die Rasensprenger, die den ganzen langen Sommer tätig waren, wann immer das Gesetz es erlaubte. Auch dort herrschte Wasserknappheit. Sein Onkel Paul war einmal eingesperrt worden, weil er an einem Tag, an dem Wasser rationiert war, sein Auto gewaschen hatte.

Als er weiter in der Zeitung las, stieß er auf einen Artikel über den Empfang einer Mrs. Lizner im Weißen Haus, die als Funktionärin des Amts für Geburtenkontrolle achttausend therapeutische Abtreibungen vorgenommen und damit den amerikanischen Frauen ein Beispiel gegeben hatte. Eine Art Krankenschwester, entschied Arnie Kott. Nobler Beruf für Frauen. Er blätterte um.

In großen Lettern stand dort eine viertelseitige Anzeige, die er mitverfaßt hatte, eine zündende Aufforderung an die Menschen, zu emigrieren. Arnie lehnte sich in seinem Stuhl zurück, legte die Zeitung zusammen und empfand großen Stolz beim Studium der Anzeige; sie wirkte gelungen, fand er. Sie würde die Leute sicher ansprechen, sofern sie auch nur ein Quentchen Schneid besaßen und, wie es in der Anzeige hieß, echte Abenteuerlust in ihnen steckte.

Die Anzeige führte sämtliche Berufe auf, für die auf dem Mars Nachfrage bestand, und das war eine lange Liste, auf der, wenn überhaupt etwas, dann lediglich Kanarienvogelzüchter und Fachärzte für Darmkrankheiten fehlten. Sie wies darauf hin, wie schwierig es zur Zeit war, auf der Erde Arbeit zu finden, und daß es auf dem Mars sogar gutbezahlte Jobs für Leute gab, die nichts weiter als einen Bachelor hatten.

Das mußte wirken, dachte Arnie. Er selbst war auch ausgewandert, weil er nur den niedrigsten akademischen Grad hatte. Alle Türen waren ihm verschlossen geblieben, und dann war er als simpler Gildeklempner auf den Mars gekommen, und schon innerhalb weniger Jahre - seht her! Auf der Erde würde ein Klempner, der nur einen Bachelor hatte, in Afrika tote Heuschrecken zusammenkehren, im Einsatz des US-Entwicklungshilfe-Korps. Sein Bruder Phil machte das übrigens gerade; er hatte einen Abschluß der Universität von Kalifornien und nie die Chance gehabt, seinen Beruf, den eines Milchprüfers, auszuüben. In seiner Klasse hatten über einhundert Milchprüfer die Abschlußprüfung bestanden, und wozu? Es gab keine Möglichkeiten auf der Erde. Da mußt du schon auf den Mars kommen, sagte sich Arnie. Hier können wir dich gebrauchen. Sieh dir nur die knochigen Kühe draußen auf den Milchfarmen vor der Stadt an. Die könnten ein paar Stichproben gebrauchen.

Aber der Haken an der Anzeige war einfach der, daß dem Einwanderer, sobald er erst auf dem Mars war, nichts garantiert wurde, noch nicht einmal die Gewißheit, aufgeben und wieder nach Hause zurückkehren zu können; Rückflüge waren wegen der unzureichenden Startanlagen viel teurer. Und hinsichtlich seiner Anstellung gab es schon mal gar keine Garantien. Schuld waren die Großmächte zu Hause, China und die Vereinigten Staaten, Rußland und Deutschland. Statt die Entwicklung der Planeten angemessen zu fördern hatten sie ihre Aufmerksamkeit auf weitere Entdeckungen gerichtet. Sie hatten ihre Zeit, ihr Geld und ihren Verstand samt und sonders Sternenprojekten gewidmet, wie diesem verflixten Flug zum Centaurus, der bereits Milliarden von Dollar und Arbeitsstunden verschlungen hatte. Arnie Kott konnte den Sinn der Sternenprojekte nicht einsehen. Wer wollte schon auf einen Vierjahresflug zu einem anderen Sonnensystem gehen, das es womöglich nicht einmal gab?

Und doch fürchtete Arnie auch einen Wandel im Verhalten der irdischen Großmächte. Angenommen, sie erwachten eines Morgens und sahen die Kolonien auf Mars und Venus in einem neuen Licht? Angenommen, sie nahmen die lasche Erschließung des Planeten genauer unter die Lupe und entschieden, daß etwas dagegen unternommen werden mußte? Mit anderen Worten, was wurde aus Arnie Kott, wenn die Großmächte zu Verstand kämen? Diese Möglichkeit durfte man nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Allerdings zeigten die Großmächte keinerlei Anzeichen von Vernunft. Nach wie vor beherrschte sie verbissener Konkurrenzkampf; in eben diesem Augenblick kreuzten sie zu Arnies Erleichterung zwei Lichtjahre entfernt die Klingen.

Beim Weiterlesen in der Zeitung stieß er auf einen kurzen Artikel, der von einer Frauenorganisation im schweizerischen Bern handelte, die zusammengekommen war, um erneut ihrer Besorgnis über die Kolonisierung Ausdruck zu verleihen.

Koloniales Sicherheitskomitee entsetzt über Zustände auf Marslandeplätzen Die Damen hatten in einer Eingabe an das Kolonialministerium der UN noch einmal ihre überzeugung bekräftigt, daß die Marsbereiche, auf denen Schiffe von der Erde landeten, sich zu weit von den Wohngebieten und vom Wassersystem entfernt befänden. In einigen Fällen hatte man von Passagieren verlangt, mehr als hundert Meilen durch die Einöde zu ziehen, darunter Frauen, Kinder und alte Leute. Das Koloniale Sicherheitskomitee verlangte, daß die UN eine Vorschrift erließ, wonach die Schiffe gezwungen würden, auf Landeplätzen niederzugehen, die in fünfundzwanzig Meilen Umkreis eines größeren (bekannten) Kanals lagen.