»Dir steht einfach alles«, sagte Arnie.
»Danke.«
»Hör mal, wie du weißt, hat das, was du da mit Bohlen treibst, meine Billigung. Aber das ist rein oberflächlich, klar? Tief drin sparst du dich für mich auf.«
Spöttisch sagte Doreen: »Was meinst du mit >tief drin<?« Sie musterte ihn, bis er zu lachen anfing. »Paß auf«, sagte sie. »Ja, natürlich gehöre ich dir, Arnie. Alles hier in Lewisburg gehört dir, selbst Ziegel und Stroh. Jedesmal, wenn ich ein bißchen Wasser durch den Küchenabfluß laufen lasse, denke ich an dich.«
»Warum an mich?«
»Weil du der Totemgott des vergeudeten Wassers bist.« Sie lächelte ihn an. »Ein kleiner Scherz, mehr nicht; ich mußte gerade an dein Dampfbad mit den gurgelnden Rinnsalen denken.«
»Ja«, sagte Arnie. »Weißt du noch, als wir einmal spät abends hin sind, und ich hab's mit meinem Schlüssel aufgeschlossen, und wir gingen hinein wie ein paar ungezogene Kinder ... schlichen uns rein, ließen die Warmwasserduschen laufen, bis der ganze Raum voller Dampf war. Und dann zogen wir uns aus - wir müssen total besoffen gewesen sein - und liefen nackt im Dampf herum und spielten Verstecken ...« Er grinste. »Und dann hab ich dich gefangen, genau da, wo die Bank ist, wo einen sonst die Masseuse durchwalkt, daß einem Hören und Sehen vergeht. Und auf der Bank hatten wir doch wirklich jede Menge Spaß.«
»Absolut hemmungslos«, erinnerte sich Doreen.
»In jener Nacht kam ich mir vor, als wäre ich wieder neunzehn«, sagte Arnie. »Für einen alten Knacker bin ich ja noch recht rüstig - ich meine, ich kann immer noch ganz gut, wenn du verstehst, was ich meine.« Er ging im Zimmer auf und ab. »Himmelherrgott, wann kommt denn endlich dieser Bohlen?«
Das Telefon klingelte.
»Herr«, rief Heliogabalus aus der Küche. »Ich kann mich nicht darum kümmern; bitten gehen Sie ran.«
Arnie sagte zu Doreen: »Wenn das Bohlen ist, der sagt, daß er's nicht schafft ...« Er machte eine ärgerliche, halsabschneidende Geste und nahm den Hörer ab.
»Arnie«, erklang eine männliche Stimme. »Tut mir leid, wenn ich störe; hier ist Dr. Glaub.«
Erleichtert sagte Arnie: »Hey, Doc Glaub.« Zu Doreen sagte er: »Es ist nicht Bohlen.«
Dr. Glaub sagte: »Arnie, ich weiß, daß Sie heute abend Jack Bohlen erwarten - er ist doch noch nicht da, oder?«
»Nö.«
Zögernd sagte Glaub: »Arnie, zufällig bin ich heute eine Weile mit Jack zusammen gewesen, und obwohl ...«
»Was ist, hat er wieder einen schizophrenen Schub gehabt?« Instinktiv wußte Arnie, daß es so war; deshalb der Anruf des Arztes. »Okay«, sagte Arnie, »er steht unter Stress, unter Zeitdruck; zugegeben. Aber das tun wir alle. Wenn ich ihn entschuldigen soll wie ein Kind, das zu krank ist, um zur Schule zu gehen, muß ich Sie enttäuschen. Das läuft nicht. Bohlen hat gewußt, worauf er sich einläßt. Wenn er mir heute abend keine Resultate bringt, mache ich ihn dermaßen fertig, daß er sein Leben lang hier auf dem Mars nicht mal mehr einen Toaster repariert.«
Dr. Glaub schwieg und sagte dann: »Es sind Leute wie Sie mit Ihren grausamen Ansprüchen, die überhaupt erst Schizophrenie hervorrufen.«
»Na und? Ich habe gewisse Maßstäbe; an denen muß er sich messen lassen, das ist alles. Sehr strenge Maßstäbe, ich weiß.«
»Er hat auch strenge Maßstäbe.«
Arnie sagte: »Nicht so streng wie meine. Also, gibt es sonst noch was, Doc Glaub?«
»Nein«, sagte Glaub. »Außer ...« Seine Stimme bebte. »Nichts weiter. Danke für Ihre Zeit.«
»Danke für den Anruf.« Arnie legte auf. »Dieser schwanzlose Hurensohn; er ist zu feige zu sagen, was er denkt.« Angeekelt entfernte er sich vom Fon. »Hat Angst, für das, was er glaubt, auch einzutreten; für so einen habe ich nur Verachtung übrig. Wieso ruft er überhaupt an, wenn ihm der Mumm fehlt?«
Doreen sagte: »Erstaunlich, daß er überhaupt angerufen hat. Sich hervorwagte. Was hat er über Jack gesagt?« Ihr Blick verdüsterte sich vor Sorge; sie erhob sich und ging auf Arnie zu, legte ihm die Hand auf den Arm, damit er nicht mehr umherlief. »Sag's mir.«
»Ach, er meinte nur, daß er heute eine Weile mit Jack zusammen war; ich nehme an, Bohlen hatte eine Art Anfall, sein Leiden, weißt du.«
»Kommt er?«
»Herrje, ich weiß nicht. Wieso muß eigentlich immer alles so kompliziert sein? Ärzte rufen an, du schnappst wie ein geprügelter Hund nach mir.« Grollend und ablehnend befreite er sich von ihr und schob sie zur Seite. »Und dann dieser bescheuerte Nigger in der Küche; mein Gott! Braut er da drinnen einen Hexentrunk? Das dauert jetzt schon Stunden!«
Mit leiser, aber beherrschter Stimme sagte Doreen: »Arnie, hör zu. Wenn du Jack zu hart anpackst und ihm wehtust, werde ich nie mehr mit dir schlafen. Ich schwör's.«
»Alle Welt beschützt ihn, kein Wunder, daß er krank ist.«
»Er ist ein guter Kerl.«
»Er sollte lieber auch ein guter Techniker sein; er sollte lieber den Geist dieses Kindes wie eine Straßenkarte vor mir ausbreiten, damit ich drin lesen kann.«
Sie sahen einander an.
Kopfschüttelnd wandte Doreen sich ab, nahm ihren Drink und entfernte sich, mit dem Rücken zu Arnie.
»Okay. Du mußt selbst wissen, was du tust. Du kannst ein Dutzend Frauen haben, die genau so gut im Bett sind wie ich; was bin ich schon für den großen Arnie Kott?« Ihre Stimme klang traurig und verbittert.
Er folgte ihr unbeholfen. »Verdammt, Dor, du bist einmalig, ich schwör's, du bist unglaublich, was für einen irre weichen Rücken du zum Beispiel hast, das Kleid, das du gerade anhattest, darin konnte man's deutlich sehen.« Er streichelte ihren Nacken. »Das war der Hammer, selbst nach irdischen Maßstäben.«
An der Tür läutete es.
»Das ist er«, sagte Arnie und ging sofort hin.
Er öffnete die Tür, und Jack Bohlen stand vor ihm, sichtlich erschöpft. Bei ihm war ein Junge, der unaufhörlich auf Zehenspitzen um ihn herumtänzelte, von einer Seite zur anderen, mit leuchtenden Augen, die alles in sich aufnahmen, ohne sich auf etwas Bestimmtes zu konzentrieren. Plötzlich zwängte der Junge sich an Arnie vorbei ins Wohnzimmer, so daß Arnie ihn aus den Augen verlor.
Verwirrt sagte Arnie zu Jack Bohlen: »Treten Sie ein.«
»Danke, Arnie«, sagte Jack und tat's. Arnie schloß die Tür, und die beiden sahen sich nach Manfred um.
»Er ist in die Küche gegangen«, sagte Doreen.
Und richtig, als Arnie die Küchentür öffnete, stand da der Junge und beobachtete ganz versunken Heliogabalus. »Was ist?« fragte Arnie den Jungen. »Hast du noch nie einen Bleichmann gesehen?«
Der Junge schwieg.
»Was für ein Dessert machst du da, Helio?« fragte Arnie.
»Auflauf«, sagte Heliogabalus. »Ein philippinisches Gericht, Eierkuchen mit Karamelsauce. Aus Mrs. Rombauers Kochbuch.«
»Manfred«, sagte Arnie, »das hier ist Heliogabalus.«
Doreen und Jack standen in der Küchentür und schauten zu. Der Bleichmann schien den Jungen tief zu beeindrucken, fiel Arnie auf. Wie gebannt verfolgte er mit den Augen jede Bewegung, die Helio machte. Ungemein sorgfältig goß Helio die schaumige Masse in Formen, die er ins Gefrierfach des Kühlschranks stellte.
Fast scheu sagte Manfred: »Hallo.«
»He«, sagte Arnie. »Er hat doch wahrhaftig ein Wort von sich gegeben.«
Helio sagte ärgerlich: »Ich muß Sie alle bitten, die Küche zu verlassen. Ihre Anwesenheit macht mich befangen, so kann ich nicht arbeiten.« Er starrte sie an, bis sie einer nach dem anderen die Küche verließen. Die Tür bekam einen Stups, fiel hinter ihnen ins Schloß und schnitt ihnen den Blick auf den arbeitenden Helio ab.
»Er ist schon ein merkwürdiger Kauz«, entschuldigte sich Arnie. »Aber kochen kann er.«
Jack sagte zu Doreen: »Das ist das erste Mal, daß ich Manfred reden höre.« Er wirkte beeindruckt, ging gedankenverloren zum Fenster und blieb davor stehen, ignorierte alle anderen.