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Arnie gesellte sich zu ihm und sagte: »Was möchten Sie trinken?«

»Bourbon mit Wasser.«

»Ich mache Ihnen einen«, sagte Arnie. »Helio kann ich mit solchen Lappalien nicht behelligen.« Er lachte, aber Jack nicht.

Eine Zeitlang saßen die drei über ihren Drinks. Manfred, dem man einige alte Zeitschriften zu lesen gegeben hatte, lag auf dem Teppich ausgestreckt und schien ihre Anwesenheit auch diesmal nicht zu bemerken.

»Wartet nur ab, bis ihr das Essen zu kosten bekommt«, sagte Arnie.

»Riecht wunderbar«, sagte Doreen.

»Alles Schwarzmarkt«, sagte Arnie.

Doreen und Jack nickten.

»Das ist ein wichtiger Abend«, sagte Arnie.

Wieder nickten sie.

Arnie erhob seinen Drink und sagte: »Auf die Kommunikation. Ohne die es verdammt noch mal nichts gäbe.«

Düster sagte Jack: »Darauf trinke ich, Arnie.« Aber er hatte seinen Drink schon geleert; er starrte ins leere Glas, sichtlich verlegen.

»Ich hole Ihnen einen anderen«, sagte Arnie und nahm es ihm aus der Hand.

Als er Jack vor der Anrichte einen neuen Drink machte, sah er, daß Manfred die Zeitschriften inzwischen satt hatte; der Junge war wieder auf den Beinen und streifte durchs Zimmer. Vielleicht möchte er etwas ausschneiden und aufkleben, befand Arnie. Er gab Jack seinen neuen Drink und ging dann in die Küche.

»Helio, besorg ein wenig Leim und eine Schere für das Kind, und einige Bögen Papier, damit es etwas aufkleben kann.«

Helio war mit dem Auflauf fertig; seine Arbeit war anscheinend getan, und er hatte sich mit einer Nummer von Life hingesetzt. Widerstrebend erhob er sich und machte sich auf die Suche nach Leim, Schere und Papier.

»Komisches Kind, nicht?« sagte Arnie zu Helio, als der Bleichmann zurückkam. »Was hältst du von ihm? Dasselbe wie ich?«

»Kinder sind alle gleich«, sagte Helio und ging aus der Küche, ließ Arnie einfach stehen.

Arnie folgte ihm. »Bald gibt's was zu essen«, verkündete er. »Hat sich schon jeder vom Danish-blue-Horsd'reuvre bedient? Braucht noch einer was?«

Das Fon klingelte. Doreen, die am nächsten stand, ging ran. Sie reichte den Hörer Arnie. »Für dich. Ein Mann.«

Es war wieder Dr. Glaub. »Mr. Kott«, sagte Dr. Glaub mit dünner, unnatürlicher Stimme, »es ist für meine Integrität unerläßlich, meine Patienten zu schützen. Dieses tyrannische Spiel können auch zwei spielen. Wie Sie wissen, befindet sich Ihr uneheliches Kind Sam Esterhazy in Camp B-G, und ich bin dort der Leiter.«

Arnie stöhnte auf.

»Wenn Sie Jack Bohlen nicht anständig behandeln«, fuhr Glaub fort, »wenn Sie Ihre unmenschlichen, grausamen, aggressiven und despotischen Taktiken bei ihm anwenden, werde ich Sam Esterhazy aufgrund des Umstands, daß er geistig zurückgeblieben ist, aus Camp B-G entlassen. Haben Sie verstanden?«

»Du meine Güte, jedes einzelne Wort«, stöhnte Arnie. »Wir sprechen morgen darüber. Gehn Sie zu Bett oder machen Sie sonstwas. Werfen Sie eine Pille ein. Nur lassen Sie mich jetzt in Ruhe.« Er schmiß den Hörer auf die Gabel.

Das Tonband war abgelaufen; die Musik hatte schon vor langer Zeit aufgehört, und Arnie ging zu seiner Sammlung und griff sich eine beliebige Schachtel. Dieser Quacksalber, sagte er sich. Der kann noch was erleben, aber nicht jetzt. Keine Zeit. Bestimmt hat er auch Dreck am Stecken; irgendeine Leiche wird er schon im Keller haben.

Er prüfte die Schachtel und las:

W. A. Mozart, Symphonie Nr. 40 g-moll, KV 550

»Ich liebe Mozart«, sagte er zu Doreen, Jack Bohlen und dem Steiner-Jungen. »Ich lege einmal dieses Band ein.« Er nahm die Spule aus der Schachtel und setzte sie auf den Transportmechanismus; er fingerte an den Knöpfen des Verstärkers herum, bis er hörte, wie das Band knisternd über die Tonköpfe lief. »Bruno Walter dirigiert«, verkündete er seinen Gästen. »Eine Rarität aus der goldenen Zeit der Schallplatte.«

Ein schauerliches Kreischen und Kratzen drang aus den Lautsprechern. Lärm wie bei den letzten Zuckungen eines Sterbenden, dachte Arnie entsetzt. Er lief hinüber und stellte das Bandgerät ab.

*

Manfred Steiner saß auf dem Teppich und schnitt gerade mit der Schere Bilder aus Zeitschriften aus, die er dann in neuer Zusammensetzung wieder aufklebte, als er den Lärm hörte und hochschaute. Er sah, wie Mr. Kott zum Tonbandgerät lief, um es abzustellen. Mr. Kott verschwamm dabei regelrecht, fiel Manfred auf. Man konnte ihn kaum noch erkennen, so schnell bewegte er sich; es schien fast, als wäre es ihm irgendwie gelungen, aus dem Zimmer zu verschwinden und an anderer Stelle wieder aufzutauchen. Der Junge bekam es mit der Angst zu tun.

Auch der Lärm machte ihm Angst. Er sah zum Sofa hinüber, auf dem Mr. Bohlen saß, um festzustellen, ob er ebenfalls unruhig war. Aber Mr. Bohlen blieb weiter neben Doreen Anderton sitzen, auf eine Art mit ihr verbunden, daß der Junge sich vor Sorge fast wand. Wie konnten zwei Menschen es nur aushalten, einander so nahe zu sein? Für Manfred war das, als wären ihre separaten Persönlichkeiten miteinander verschmolzen, und die Vorstellung, daß so ein Kuddelmuddel überhaupt möglich war, entsetzte ihn. Er tat so, als sähe er es nicht; er schaute an ihnen vorbei, auf die sichere, unverfälschte Wand.

Mr. Kotts Stimme brach über den Jungen herein, rauhe und schroffe Töne, die er nicht verstand. Dann sprach Doreen Anderton, und dann Jack Bohlen; und jetzt schwatzten alle so chaotisch durcheinander, daß der Junge sich die Ohren zuhielt. Urplötzlich schoß Mr. Kott durchs Zimmer und verschwand endgültig.

Wo war er nur hin? Ganz gleich, in welche Richtung der Junge blickte, er konnte ihn nicht finden. Er fing an zu zittern und fragte sich, was nun geschehen würde. Und dann sah er zu seiner Verblüffung, daß Mr. Kott in dem Zimmer, in dem die Lebensmittel waren, wiederaufgetaucht war; er plauderte dort mit der schwarzen Gestalt.

Die schwarze Gestalt schwebte in anmutigem Gleichmaß von ihrem Platz oben auf dem hohen Stuhl herab, floß Schritt für Schritt durchs Zimmer und holte ein Glas aus dem Wandschrank. Voll Ehrfurcht vor den Bewegungen des Mannes sah Manfred ihn geradeheraus an, und im selben Moment sah der schwarze Mann zu ihm herüber, so daß ihre Blicke sich trafen.

»Du mußt sterben«, sagte der schwarze Mann mit einer Stimme wie aus weiter Ferne. »Dann wirst du wiedergeboren. Begreifst du das, mein Kind? So wie du jetzt bist, hast du nichts vom Leben, denn etwas ist schiefgegangen, und du kannst weder sehen, hören noch fühlen. Niemand kann dir helfen. Siehst du das ein, mein Kind?«

»Ja«, sagte Manfred.

Die schwarze Gestalt glitt zur Spüle hinüber, schüttete etwas Pulver und Wasser ins Glas und reichte es Mr. Kott, der den Inhalt austrank und dabei unaufhörlich weitersprach. Wie schön die schwarze Gestalt war. Warum kann ich nicht auch so sein? dachte Manfred. Niemand sonst sah ihr ähnlich.

Sein flüchtiger Blick, seine Verbindung mit diesem schattengleichen Mann, wurde abgeschnitten. Doreen Anderton war in die Küche gekommen und zwischen sie getreten. Sie begann in schrillem Ton zu reden. Wieder hielt Manfred sich die Ohren zu, aber er konnte sich dem Lärm nicht entziehen.

Er sah voraus, um zu fliehen. Er entkam dem Krach und dem grausamen, verschwommenen Kommen und Gehen.

Vor ihm erstreckte sich ein Bergpfad. Der Himmel über ihm war schwer und rot, und dann sah er die Punkte: Hunderte riesiger Flecken, die größer wurden und näher kamen. Dinge regneten davon herab, Menschen mit ungeheuerlichen Gedanken. Die Menschen fielen auf den Boden und rasten im Kreis umher. Sie zogen Linien, und dann landeten große, schneckenähnliche Geschöpfe, eines nach dem anderen, vollkommen hirnlos, und fingen an zu graben.

Er sah ein Loch, so groß wie die Welt; die Erde verschwand darin und wurde schwarz, leer, ein Nichts ... Nacheinander sprangen die Menschen in das Loch hinein, bis niemand mehr übrig war. Er war allein mit dem schweigenden Weltenloch.