Выбрать главу

In einer schwungvollen Kurve steuerte er den Hubschrauber in den Himmel und wandte sich nach Osten. Die kahlen FDR-Berge fielen hinter ihm zurück; er überflog die Wüste und sah schließlich den George-Washington-Kanal, an dem er sich orientierte. Indem er ihm folgte, näherte er sich dem kleineren Kanalsystem, das davon abzweigte, und bald befand er sich über der Kreuzung William Butler Yeats/Herodot, ganz in der Nähe der Bohlens.

Beide Frauen, sinnierte er, sind attraktiv, June Henessy und Silvia Bohlen, aber Silvia ist mir von beiden lieber; sie hat so etwas Schläfriges und Schwüles, wie man es bei gefühlsbetonten Frauen immer findet. June ist zu schnippisch und munter; die Sorte schwatzt und schwatzt, so ein bißchen die Neunmalkluge. Ich will eine Frau, die gut zuhören kann.

Er erinnerte sich an die Schwierigkeiten, in die er schon geraten war. Möchte wissen, wie ihr Mann ist, überlegte er. Muß mich erkundigen. Viele dieser Männer nehmen das Pionierleben todernst, besonders die, die weit außerhalb der Stadt wohnen; haben Knarren in den Häusern und so.

Aber dieses Risiko mußte man eingehen, und es lohnte sich ja auch.

Nur für den Fall, daß es Ärger geben sollte, trug Otto Zitte selber eine Knarre bei sich, eine kleine Pistole, Kaliber .22, die er diskret in der Seitentasche eines seiner Koffer aufbewahrte. Sie steckte auch jetzt dort, voll geladen.

Bei mir wird nicht lange gefackelt, sagte er sich. Wenn einer Ärger will - den kann er haben.

Der Gedanke versetzte ihn in Hochstimmung, und er ließ den Hubschrauber durchsacken, kundschaftete das Gelände unter sich aus - neben dem Haus der Bohlens parkte kein Hubschrauber - und bereitete die Landung vor.

Es war angeborene Vorsicht, die ihn dazu veranlaßte, den Hubschrauber mehr als eine Meile vom Haus der Bohlens entfernt zu parken, am Steg eines Versorgungskanals. Von dort aus ging er zu Fuß und nahm bereitwillig das Gewicht der Koffer auf sich; er hatte keine andere Wahl. Zwischen ihm und dem Haus der Bohlens lag eine Anzahl weiterer Häuser, aber an keinem blieb er stehen und klopfte an; er ging schnurstracks am Kanal entlang, ohne stehen zu bleiben.

Als er sich dem Haus der Bohlens näherte, wurde er langsamer und verschnaufte. Er beäugte vorsichtig die umstehenden Häuser ... aus einem gleich nebenan drang der Lärm kleiner Kinder. Da war jemand daheim. Also näherte er sich dem Haus der Bohlens von der anderen Seite her, ging leise und so, daß er von dem Haus aus, in dem die Kinderstimmen erklangen, nicht zu sehen war.

Einmal angekommen, stieg er zur Veranda hinauf und klingelte.

Jemand spähte hinter den roten Vorhängen des Wohnzimmerfensters hervor. Otto setzte ein förmliches, korrektes Lächeln auf, das jedem Anlaß gerecht wurde.

Die Haustür öffnete sich; Silvia Bohlen stand vor ihm, geschickt frisiert und geschminkt, in einem JerseySweater und engen pinkfarbenen Caprihosen, Sandalen an den Füßen. Ihre Fußnägel waren feuerrot lackiert; das bemerkte er aus den Augenwinkeln. Offenbar hatte sie sich in Erwartung seines Besuchs zurechtgemacht. Aber sie behielt eine höfliche, gleichgültige Haltung bei; sie betrachtete ihn in reserviertem Schweigen und hielt sich dabei am Türknauf fest.

»Mrs. Bohlen«, sagte er in seinem vertraulichsten Tonfall. Er verbeugte sich. »Die Reise über Meilen karger Wüsteneinöde findet ihre gerechte Belohnung darin, Sie endlich wiederzusehen. Interessiert es Sie vielleicht, einmal einen Blick auf unser Sonderangebot an Känguruhschwanzsuppen zu werfen? Die sind unerhört delikat, ein Gericht, das es bislang zu keinem Preis auf dem Mars gab. Ich bin damit gleich zu Ihnen gekommen, weil ich weiß, daß Sie in der Lage sind, erlesene Speisen zu beurteilen und ohne groß auf den Preis zu schauen aus der Fülle des Angebots das Beste auswählen.« Und während er seine einstudierte Rede abspulte, schob er sich und seine Waren die ganze Zeit weiter auf die offene Tür zu.

Ein wenig steif und zögernd sagte Silvia: »Ähm ... kommen Sie herein.« Sie ließ zu, daß die Tür ganz aufschwang, und er trat sofort ein und legte seine Koffer auf den Boden neben dem niedrigen Wohnzimmertisch.

Sein Blick fiel auf Pfeil und Bogen eines Jungen. »Ist Ihr kleiner Sohn da?« erkundigte er sich.

»Nein«, sagte Silvia und ging mit verschränkten Armen gereizt durchs Zimmer. »Er ist heute in der Schule.« Sie versuchte zu lächeln. »Und mein Schwiegervater ist in die Stadt geflogen; er kommt erst spät zurück.«

Aha, dachte Otto; verstehe.

»Bitte nehmen Sie doch Platz«, forderte er sie auf. »Dann kann ich Ihnen alles besser zeigen, finden Sie nicht auch?« Schon hatte er einen Stuhl herangezogen, und Silvia hockte sich auf den Rand, hielt sich mit den Armen fest umschlungen und hatte die Lippen zusammengepreßt. Wie verkrampft sie ist, dachte er. Das war ein gutes Zeichen, denn es bedeutete, daß sie genau wußte, was hier vor sich ging, warum er sie besuchte, ihr Sohn nicht da war und sie sorgfältig die Haustür verschlossen hatte; die Wohnzimmervorhänge sind auch noch zugezogen, stellte er fest.

Silvia platzte heraus: »Möchten Sie einen Kaffee?« Sie sprang von ihrem Stuhl auf und stürzte in die Küche. Im nächsten Moment tauchte sie mit einem Tablett wieder auf, auf dem eine Kaffeekanne, Zucker, Sahne und zwei Porzellantassen standen.

»Danke«, schnurrte er. Als sie weg war, hatte er einen weiteren Stuhl neben ihren gezogen.

Sie tranken Kaffee.

»Haben Sie denn keine Angst, hier draußen die ganze Zeit so allein?« fragte er. »In dieser öden Gegend?«

Sie sah ihn von der Seite an. »Ach, ich hab mich wohl daran gewöhnt.«

»Von wo auf der Erde kommen Sie?«

»St. Louis.«

»Hier ist es völlig anders. Ein neues, freieres Leben. Wo man alle Fesseln abwerfen und ganz man selbst sein kann; finden Sie nicht auch? Die alten Sitten und Gebräuche, eine antiquierte Alte Welt, man vergißt sie am besten und läßt sie im Staub liegen. Hier ...« - er schaute sich im Wohnzimmer mit seinen Allerweltsmöbeln um; er hatte diese Stühle und Teppiche, diesen Nippes schon Hunderte von Malen gesehen, in ähnlichen Wohnungen - »hier spüren wir das Außergewöhnliche, den Pulsschlag, Mrs. Bohlen, der Gelegenheit, die sich dem Wagemutigen nur einmal - einmal im ganzen Leben - bietet.«

»Was haben Sie außer Känguruhschwanzsuppe noch?«

»Nun ja«, sagte er und runzelte unmerklich die Stirn, »Wachteleier; sehr gut. Echte Butter aus Kuhmilch. Saure Sahne. Geräucherte Austern. - Wissen Sie was? Bringen Sie uns ein paar gewöhnliche Kekse, und ich steuere die Butter und den Kaviar bei, als Kostprobe.« Er lächelte sie an und wurde mit einem spontanen strahlenden Lächeln ihrerseits belohnt; ihre Augen funkelten vor Erwartung, und sie sprang impulsiv auf und sauste wie ein kleines Kind in die Küche.

Wenig später saßen sie über den Tisch gebeugt beieinander und strichen die schwarzen, öligen Fischeier aus dem Gläschen auf die Kekse.

»Es geht doch nichts über echten Kaviar«, sagte Silvia seufzend. »Ich habe erst einmal in meinem Leben welchen gegessen, in einem Restaurant in San Francisco.«

»Schauen Sie, was ich sonst noch habe.« Er zog eine Flasche aus seinem Koffer hervor. »Einen grünen Ungarn aus der Weinkellerei Buena Vista in Kalifornien; dem ältesten Weinbaubetrieb des Staates!«

Sie nippten den Wein aus langstieligen Gläsern. (Auch die Gläser hatte er mitgebracht.) Silvia lehnte sich auf dem Sofa zurück, die Augen halb geschlossen. »Du meine Güte. Das ist ja wie im Märchen. Das kann einfach nicht wahr sein.«

»Ist es aber.« Otto stellte sein Glas ab und beugte sich über sie. Sie atmete langsam, gleichmäßig, als ob sie schliefe; doch sie sah ihn unverwandt an. Sie wußte genau, was sich abspielte. Und als er sich weiter und weiter vorbeugte, rührte sie sich nicht; sie versuchte nicht, sich ihm zu entziehen.

Das Essen samt Wein, überschlug er kurz, als er sie umarmte, hatten ihn - nach dem Einzelhandelspreis - um fast einhundert UN-Dollar ärmer gemacht. Aber das war es wert, jedenfalls was ihn anging.