Warum? fragte Otto. Was habe ich dir getan? Wieso hast du mich vernichtet?
Schließlich machte er sich zum Schuppen auf, wo er wider besseres Wissen hoffte, doch noch einen Teil der Vorräte retten zu können, wo er hoffte, irgend etwas zwischen den Überresten zu finden ...
Es gab keine Überreste. Die Vorräte waren verschwunden; er sah keine einzige Dose, kein Glas, keine Kiste oder Tüte. Die Trümmer des Gebäudes, ja, aber sonst nichts. Also waren sie - die, die die Bombe geworfen hatten - vorher hiergewesen und hatten die Vorräte geplündert.
Du hast mich ausgebombt, Arnie Kott, und du hast mir meine Waren gestohlen, sagte Otto, während er im Kreis herumlief, die Fäuste ballte und wieder öffnete und Blicke der Wut und Verzweiflung zum Himmel schickte.
Und er begriff immer noch nicht, warum.
Es muß einen Grund dafür geben, sagte er sich. Und ich werde ihn herausfinden; ich werde nicht ruhen, verdammter Arnie Kott, bis ich dahintergekommen bin. Und sobald ich es weiß, bist du fällig. Ich werde es dir heimzahlen.
Er schnaubte, schniefte und schleppte sich schweren Schritts wieder zum Hubschrauber, setzte sich hinein und starrte sehr lange vor sich hin.
Schließlich öffnete er einen der Koffer. Er nahm die Pistole Kaliber .22 heraus; er saß mit ihr im Schoß da und dachte an Arnie Kott.
*
Heliogabalus sagte zu Arnie Kott: »Herr, entschuldigen Sie die Störung. Aber wenn Sie wollen, erkläre ich Ihnen jetzt, was Sie tun müssen.«
Erfreut blieb Arnie an seinem Schreibtisch stehen. »Schieß los!«
Mit trauriger und arroganter Miene sagte Helio: »Sie müssen Manfred in die Wüste bringen und zu Fuß hinüber zu den Franklin Delano Roosevelt Mountains gehen. Ihre Wallfahrt endet, sobald der Junge den Schmutzigen Knorren erreicht hat, einen Felsen, der den Bleichmännern heilig ist. Wenn Sie den Jungen mit dem Schmutzigen Knorren bekannt gemacht haben, erwartet Sie dort die Antwort.«
Arnie drohte dem zahmen Bleichmann mit dem Finger und sagte schelmisch: »Und dabei hast du mir erzählt, das sei Schwindel.« Er hatte die ganze Zeit das Gefühl gehabt, daß etwas Wahres an der Bleichmann-Religion sein mußte. Helio hatte ihn hinters Licht führen wollen.
»Am Felsheiligtum müssen Sie Zwiesprache halten. Der Geist, der den Schmutzigen Knorren beseelt, wird Ihr Kollektivbewußtsem wahrnehmen und, wenn er die Gnade hat, Ihrem Wunsch entsprechen.« Helio setzte hinzu: »Sie müssen dabei auf die dem Jungen innewohnende Fähigkeit vertrauen. Der Felsen allein ist machtlos. Es ist jedoch so: An der Stelle, an der der Schmutzige Knorren liegt, ist die Zeit am schwächsten.
Nur deshalb hat der Bleichmann Jahrhunderte überdauern können.«
»Verstehe«, sagte Arnie. »Eine Art Zeitloch. Und ihr Burschen habt dadurch Zugriff auf die Zukunft. Nun, im Augenblick bin ich eher an der Vergangenheit interessiert, und offen gestanden, klingt mir das alles etwas dubios. Aber ich versuch's. Du hast mir schon so viele verschiedene Geschichten über den Felsen erzählt ...«
Helio sagte: »Was ich gesagt habe, stimmt. Der Schmutzige Knorren allein brächte Ihnen gar nichts.« Er zuckte nicht mit der Wimper; er hielt Arnies Blick stand.
»Glaubst du, Manfred macht mit?«
»Ich habe ihm von dem Felsen erzählt, und er ist schon ganz aufgeregt bei dem Gedanken, ihn zu sehen. Ich habe ihm gesagt, daß es dort möglich sei, in die Vergangenheit zu entfliehen. Diese Vorstellung fasziniert ihn. Aber ...« Helio hielt kurz inne. »Sie müssen den Jungen für seine Mühe entschädigen.
Sie können ihm etwas Unbezahlbares anbieten .
Herr, Sie können das Schreckgespenst von Am-Web für immer aus seinem Leben vertreiben. Versprechen Sie ihm, daß Sie ihn zur Erde zurückschicken. Dann wird er dieses gräßliche Gebäude niemals von innen sehen, ganz gleich, was aus ihm wird. Wenn Sie das für ihn tun, wird er alle seine geistigen Kräfte für Sie einsetzen.«
»Das wäre mir schon recht«, sagte Arnie.
»Und Sie werden den Jungen nicht im Stich lassen?«
»Um Himmels willen, nein«, versprach Arnie. »Ich treffe sofort alle erforderlichen Vereinbarungen mit der UN - das ist zwar knifflig, aber ich habe Anwälte, die so was mit links schaffen.«
»Gut«, sagte Helio und nickte. »Es wäre schäbig, den Jungen dranzugeben. Wenn Sie nur einen Augenblick seine furchtbare Angst vor seinem künftigen Leben an diesem Ort spüren könnten ...«
»Ja, klingt grauenhaft«, stimmte Arnie zu.
»Es wäre doch ein Jammer«, sagte Helio und musterte ihn kritisch, »wenn Sie das selbst eines Tages durchmachen müßten.«
»Wo ist Manfred jetzt?«
»Er wandert auf den Straßen von Lewistown herum«, sagte Helio. »Bestaunt die Sehenswürdigkeiten.«
»Herrje, ist er da sicher?«
»Ich denke schon«, sagte Helio. »Er ist ganz aus dem Häuschen wegen der vielen Menschen, der Läden und des Trubels; das ist alles neu für ihn.«
»Du hast dem Kind wirklich geholfen«, sagte Arnie.
Es klingelte an der Haustür, und Helio machte auf. Als Arnie aufsah, standen dort Jack Bohlen und Doreen Anderton, beide mit starrer, nervöser Miene.
»Oh, hey«, sagte Arnie gedankenverloren. »Kommt doch rein; ich wollte Sie gerade anrufen, Jack. Hören Sie, ich habe einen Job für Sie.«
Jack Bohlen sagte: »Warum haben Sie Mr. Yee meinen Vertrag abgekauft?«
»Weil ich Sie brauche«, erklärte Arnie. »Ich will Ihnen auch den Grund nennen. Ich gehe mit Manfred auf Wallfahrt und will, daß jemand über uns kreist, damit wir uns nicht verlaufen und verdursten. Wir müssen die Wüste durchqueren, bis zu den FDR-Bergen; stimmt doch, Helio?«
»Ja, Herr«, sagte Helio.
»Ich möchte gleich aufbrechen«, erklärte Arnie. »Es dürfte wohl ein Fünf-Tage-Marsch werden. Wir nehmen einen tragbaren Sender mit, damit wir Sie benachrichtigen können, wenn wir Lebensmittel oder Wasser oder sonst was brauchen. Nachts können Sie den Hubschrauber landen und ein Zelt für uns zum Schlafen errichten. Sorgen Sie dafür, daß genug Medikamente an Bord sind, falls Manfred oder ich von einem Wüstentier gebissen werden; wie ich höre, sollen da draußen auf dem Mars Schlangen und Ratten frei herumlaufen.« Er sah auf seine Uhr. »Jetzt ist es drei; ich will um vier aufbrechen und bis zum Abend vielleicht noch fünf Stunden weit kommen.«
»Was ist der Zweck dieser - Wallfahrt?« fragte Doreen wie aus der Pistole geschossen.
»Ich habe geschäftlich da draußen zu tun«, sagte Arnie. »Draußen bei den Wüstenbleichmännern. Es geht um Privatgeschäfte. Begleitest du mich im Hubschrauber? Wenn ja, zieh dir besser was anderes an, vielleicht Stiefel und derbe Hosen, weil immerhin möglich ist, daß ihr zur Landung gezwungen werdet. Fünf Tage, ständig kreisen, das ist eine lange Zeit. Achtet besonders auf die Wasservorräte.«
Doreen und Jack schauten sich an.
»Ich mein's ernst«, sagte Arnie. »Halten wir uns also nicht lange mit Trara auf. Okay?«
»So, wie ich das sehe«, sagte Jack zu Doreen, »habe ich keine andere Wahl. Ich muß tun, was er mir sagt.«
»Stimmt genau, Kumpel«, pflichtete Arnie bei. »Fangen Sie schon an, die erforderliche Ausrüstung zusammenzustellen. Kocher, Stablampen, ein tragbares Klo, Lebensmittel, Seife und Handtücher, irgendeine Knarre. Sie wissen ja, was man so braucht; Sie haben am Rande der Wüste gelebt.«
Jack nickte bedächtig.
»Was sind das für Geschäfte?« sagte Doreen. »Und weshalb mußt du zu Fuß gehen? Wenn du unbedingt dorthin mußt, weshalb fliegst du dann nicht einfach, wie üblich?«
»Ich muß eben zu Fuß gehen«, sagte Arnie gereizt. »So läuft es nun mal; das war nicht meine Idee.« Zu Helio sagte er: »Zurück kann ich doch fliegen, oder?«
»Ja, Herr«, sagte Helio. »Heimkehren können Sie auf jede gewünschte Weise.«
»Ein Glück, daß ich körperlich in Topform bin«, sagte Arnie, »sonst käme das alles gar nicht in Frage. Ich hoffe nur, Manfred schafft es.«