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Weltverbesserer, dachte Arnie Kott beim Lesen des Artikels. Wahrscheinlich hatte nicht einer von denen jemals die Erde verlassen; die wissen doch bloß, was jemand in einem Brief nach Hause geschrieben hat, irgendeine Tante, die auf dem Mars ihren Lebensabend fristet, gratis auf UN-Gelände wohnt und selbstredend meckert. Und außerdem verließen sie sich natürlich auf ihre ständige Vertretung auf dem Mars, eine gewisse Mrs. Anne Esterhazy; sie setzte mimeographisch vervielfältigte Rundschreiben an andere öffentlichkeitsbewußte Damen der diversen Siedlungen in Umlauf. Arnie bezog und las ihr Blättchen Der Revisor antwortet, ein Titel, der ihm die Galle hochtrieb. Einfach zum Kotzen fand er auch die ein- bis zweizeiligen Sticheleien, die zwischen längere Artikel eingeschoben waren:

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Betet für die Ungiftigkeit der Getränke! Kontaktiert karismatische Kolonialratsherren und werdet Zeuge einer Wasserfiltrierung, auf die wir stolz sein können!

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Bei manchen dieser Der Revisor antwortet-Artikeln kam er kaum hinter den Sinn, eines solchen Spezialjargons befleißigten sie sich. Aber offenbar hatten die Rundschreiben eine Leserschaft ergebener Frauen angezogen, die sich gnadenlos jede Thematik zu Herzen nahm und genau das tat, wozu man sie aufforderte. Jetzt beschwerten sie sich zweifellos gerade zusammen mit dem Kolonialen Sicherheitskomitee auf der Erde über die schrecklichen Entfernungen, die die meisten Landeplätze auf dem Mars von den Wasserquellen und Habitaten der Menschen trennten. Sie trugen ihren Teil zu einer der vielen großen Auseinandersetzungen bei, und in diesem besonderen Fall war es Arnie Kott gelungen, seinen Brechreiz unter Kontrolle zu halten. Von den ungefähr zwanzig Landeplätzen auf dem Mars lag nämlich nur einer innerhalb der Fünfundzwanzig-Meilen-Zone eines größeren Kanals, und das war der Samuel-Gompers-Landeplatz, der für seine Siedlung zuständig war. Sollte der Druck des Kolonialen Sicherheitskomitees überraschend Erfolg haben, dann müßten alle von der Erde eingehenden Passagierschiffe auf Arnie Kotts Landeplatz niedergehen, und die Einnahmen kämen seiner Siedlung zugute.

Es war alles andere als Zufall, daß Mrs. Esterhazy und ihre Organisation auf der Erde mit dem Rundschreiben eine Sache vertraten, die für Arnie von wirtschaftlichem Nutzen gewesen wäre. Anne Esterhazy war Arnies frühere Frau. Sie waren nach wie vor gute Freunde und besaßen gemeinsam noch eine Anzahl von Wirtschaftsunternehmen, die sie während ihrer Ehe gegründet oder in die sie sich damals eingekauft hatten. In vieler Hinsicht arbeiteten sie noch immer zusammen, obgleich sie auf rein persönlichem Gebiet keine wie auch immer gearteten Gemeinsamkeiten mehr hatten. Er fand sie aggressiv, dominant und über die Maßen maskulin, eine große und knochige Frau, die beim Gehen weit ausschritt, niedrige Absätze trug, einen Tweedmantel und Sonnenbrille, und der an einem Riemen eine große Ledertasche von der Schulter baumelte ... aber sie war durchtrieben und intelligent und eine natürliche Führungspersönlichkeit. Solange er sie nur im Rahmen geschäftlicher Beziehungen zu sehen brauchte, konnte er mit ihr auskommen.

Der Umstand, daß Anne Esterhazy einmal seine Frau gewesen war und daß sie noch immer Gelddinge aneinander ketteten, war nicht allzu bekannt. Wenn er mit ihr Verbindung aufnehmen wollte, diktierte er nicht etwa einer Stenotypistin der Siedlung einen Brief; vielmehr benutzte er ein kleines Chiffrierdiktaphon, das er in seinem Schreibtisch aufbewahrte, und ließ ihr das Band durch einen Boten zukommen. Der Bote gab das Band in einem Kunstgewerbeladen ab, den Anne drüben in der israelischen Siedlung führte, und ihre Antwort -wenn es denn eine gab - wurde auf die gleiche Weise im Büro eines Zement- und Kieswerks am Bernard-Baruch-Kanal hinterlegt, das Arnies Schwager Ed Rockingham gehörte, dem Mann seiner Schwester.

Vor einem Jahr, als Ed Rockingham für sich, Patricia und ihre drei Kinder ein Haus baute, hatte er sich das Unmögliche geleistet: einen eigenen Kanal. Unter offener Mißachtung des Gesetzes hatte er ihn sich zum Privatgebrauch anlegen lassen, und das Wasser bezog er aus dem großen öffentlichen Wassernetz. Selbst Arnie war damals wütend gewesen. Aber niemand hatte Klage erhoben, und heute beförderte der Kanal, bescheiden nach Rockinghams ältestem Kind benannt, das Wasser achtzig Meilen weit hinaus in die Wüste, damit Pat Rockingham an einem hinreißenden Ort leben und einen Rasen, einen Swimmingpool und einen vollbewässerten Blumengarten ihr eigen nennen konnte. Sie züchtete besonders große Kameliensträucher, die als einzige die Verpflanzung auf den Mars überstanden hatten. Den ganzen Tag lang drehten sich die Rasensprenger und besprühten die Sträucher und bewahrten sie vor dem Verdorren und Eingehen.

Zwölf riesige Kameliensträucher hielt Arnie Kott für Prahlerei. Er verstand sich nicht besonders gut mit seiner Schwester oder Ed Rockingham. Weshalb waren sie eigentlich auf den Mars gekommen? fragte er sich. Um unter unglaublichen Kosten und größtmöglichem Aufwand genauso zu leben wie zu Hause auf der Erde? Das erschien ihm absurd. Weshalb dann nicht auf der Erde bleiben? Für Arnie war der Mars ein neuer Ort, und er bedeutete ein neues Leben, das man auf neue Art führte. Er und die anderen Siedler, die kleinen wie die großen, hatten in der Zeit, die sie nun auf dem Mars lebten, in einem Anpassungsprozeß unzählige geringfügige Korrekturen vorgenommen und dabei so viele Stadien durchlaufen, daß sie sich allen Ernstes verändert hatten; sie waren jetzt neue Lebewesen. Ihre Kinder, die auf dem Mars zur Welt gekommen waren, setzten an diesem Punkt an, überraschend und eigenartig, in mancher Hinsicht sogar den Eltern ein Rätsel. Zwei seiner eigenen Jungs - seine und Annes - lebten jetzt in einem Siedlungscamp in den Außenbezirken von Lewistown. Bei seinen Besuchen wurde er aus ihnen nicht schlau; sie sahen ihn mit trüben Augen an, als warteten sie nur darauf, daß er wieder ginge. Soweit er das beurteilen konnte, hatten die Jungs nicht den geringsten Sinn für Humor. Und doch waren sie sensibel; sie konnten pausenlos über Tiere und Pflanzen, selbst über die Landschaft sprechen. Beide Jungs hatten Haustiere, Marsgeschöpfe, die ihm schauerlich vorkamen: Wanzen, die wie Gottesanbeterinnen aussahen, so groß wie Esel. Die verdammten Dinger wurden Boxer genannt, weil man sie oft dabei sah, wie sie in einem rituellen Kampf hoch aufgerichtet Schläge tauschten, was im allgemeinen damit endete, daß einer getötet und vom anderen gefressen wurde. Bert und Ned hatten ihre Hausboxer so abgerichtet, daß sie einfache Handreichungen ausführten und einander nicht auffraßen. Und die Viecher waren ihre Gefährten; Kinder auf dem Mars waren einsam, zum Teil, weil es noch so wenige gab, und zum Teil, weil ... Arnie wußte es nicht. Die Kinder schauten verängstigt und mit großen Augen drein, als sehnten sie sich nach etwas, das noch unsichtbar war. Sie neigten dazu, sich bei der erstbesten Gelegenheit abzusetzen und fortzuwandern, um in der Einöde herumzustöbern. Was sie zurückbrachten war wertlos, für sie und für die Siedlungen, vielleicht ein paar Knochen oder Überreste der alten Niggerzivilisation. Wenn er mit dem Hubschrauber unterwegs war, entdeckte Arnie immer einige versprengte Kinder, eines hier, ein anderes dort, wie sie sich mühsam durch die Wüste schleppten und an Steinen und im Sand kratzten, als versuchten sie irgendwie, die Marsoberfläche aufzubrechen und darunter zu gelangen ...

Arnie schloß die untere Schublade seines Schreibtischs auf, holte das kleine batteriebetriebene Chiffrierdiktaphon heraus und machte es aufnahmebereit. Er sprach hinein: »Anne, ich möchte mich mit dir treffen und reden. Im Komitee sind zu viele Frauen, und es läuft in die falsche Richtung. Zum Beispiel beunruhigt mich diese letzte Anzeige in der Times, weil ...« Er brach ab, denn die Chiffriermaschine war ächzend stehengeblieben. Er stupste dagegen; die Spulen begannen sich langsam zu drehen, stockten dann aber wieder.