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Du kannst mir nichts einreden, dachte Arnie. Ich weiß, daß ich noch in Manfreds Kopf bin; bald werde ich aufwachen, und ich werde nicht angeschossen sein, ich werde wieder ganz in Ordnung sein und von selbst in meine eigene Welt zurückfinden, wo so was wie das hier nicht passiert. Stimmt's? Er versuchte zu sprechen, aber es gelang ihm nicht.

Neben Jack tauchte Doreen Anderton auf und sagte: »Er wird sterben, nicht wahr?«

Jack sagte nichts. Er versuchte, Arnie auf die Schulter zu wuchten, damit er ihn zum Hubschrauber tragen konnte.

Auch nur wieder eine dieser Kwatsch-Kwatsch-Welten, sagte sich Arnie, als er spürte, daß Jack ihn hochhob. Das wird mir bestimmt eine Lehre sein. So was Verrücktes mache ich nicht noch mal. Er wollte es erklären, als Jack ihn zum Hubschrauber trug. Das haben Sie doch eben erst getan, wollte er sagen. Mich zur Klinik nach Lewistown geflogen, damit mir der Pfeil entfernt wird. Wissen Sie das denn nicht mehr?

»Sinnlos«, sagte Jack zu Doreen, als er Arnie in den Hubschrauber legte, »er ist nicht mehr zu retten.« Keuchend vor Anstrengung setzte er sich hinter die Kontrollen.

Klar bin ich noch zu retten, dachte Arnie empört. Was ist los mit dir, willst du's nicht wenigstens versuchen? Versuch's doch erst mal, du verdammter Trottel! Er bemühte sich zu sprechen, Jack das zu sagen, aber es gelang ihm nicht; er brachte kein Wort heraus.

Der Hubschrauber erhob sich langsam vom Boden, was ihm bei der Last dreier Personen sichtlich schwer fiel.

*

Auf dem Rückflug nach Lewistown starb Arnie Kott.

Jack Bohlen hatte Doreen die Kontrollen überlassen und saß jetzt neben dem Toten, dachte bei sich, daß Arnie in dem Glauben gestorben war, er hätte sich in den dunklen Strömungen im Kopf des Steiner-Jungen verirrt.

Vielleicht ist es ja so am besten, dachte Jack. Vielleicht ist es ihm auf die Weise zuletzt leichter geworden.

Die Gewißheit, daß Arnie Kott tot war, erfüllte ihn zu seinem Erstaunen mit Trauer. Das kommt mir nicht richtig vor, sagte er sich, als er neben dem Toten saß; es ist zu hart. Das hatte Arnie nicht verdient - er hatte schlimme Dinge getan, aber so schlimme nun auch wieder nicht.

»Was hat er noch zu dir gesagt?« fragte Doreen. Sie wirkte gefaßt und schien mit Arnies Tod gut fertig zu werden; sie steuerte den Hubschrauber mit sachkundigem Geschick.

Jack sagte: »Er bildete sich ein, das wäre alles nicht real. Er würde nur durch schizophrene Phantasiegebilde stolpern.«

»Armer Arnie«, sagte sie.

»Weißt du, wer das war, der ihn erschossen hat?«

»Jemand, den er sich irgendwann zum Feind gemacht hat.«

Sie schwiegen beide eine Zeitlang.

»Wir sollten nach Manfred suchen«, sagte Doreen.

»Ja«, sagte Jack. Aber ich weiß ja, wo der Junge gerade steckt, sagte er sich. Er hat dort in den Bergen ein paar wilde Bleichmänner gefunden, und bei denen ist er jetzt; das liegt auf der Hand und ist ganz einleuchtend, früher oder später wäre es auf jeden Fall passiert. Er machte sich keine Sorgen um Manfred - der war ihm gleich. Vielleicht war der Junge zum ersten Mal in seinem Leben in einer Situation, der er sich anpassen konnte; bei den wilden Bleichmännern konnte er vielleicht eine Lebensart finden, die ihm entsprach und nicht nur ein blasser, verkorkster Abklatsch des Lebens um ihn herum war, das von Wesen geführt wurde, die grundverschieden von ihm waren und denen er nie ähneln würde, so sehr er sich auch bemühte.

Doreen sagte: »Könnte es sein, daß Arnie recht hatte?«

Einen Augenblick lang wußte er nicht, was sie meinte. Und dann, als er verstand, schüttelte er den Kopf. »Nein.«

»Wieso war er sich seiner Sache dann so sicher?«

Jack sagte: »Ich weiß nicht.« Aber es hatte mit Manfred zu tun; das hatte Arnie selber gesagt, kurz bevor er starb.

»In mancher Hinsicht«, sagte Doreen, »war Arnie gerissen. Wenn er so etwas gedacht hat, muß er einen Grund dafür gehabt haben.«

»Er war gerissen«, hob Jack hervor, »aber er hat immer nur das geglaubt, was er glauben wollte.« Und auch immer nur das getan, was er tun wollte, wurde ihm klar. Und so schließlich seinen eigenen Tod herbeigeführt, weil er irgendwo auf seinem Lebensweg die Weichen falsch gestellt hatte.

»Was wird jetzt aus uns?« sagte Doreen. »Ohne ihn? Ich kann es mir nur schwer vorstellen ohne Arnie ... verstehst du, was ich meine? Ich glaube schon. Ich wünschte, wir hätten geahnt, was sich abspielen würde, als wir diesen Hubschrauber landen sahen; wären wir nur ein paar Minuten früher gelandet ...« Sie stockte. »Zwecklos, das jetzt zu sagen.«

»Völlig zwecklos«, sagte Jack knapp.

»Weißt du, was meiner Meinung nach jetzt mit uns geschieht?« sagte Doreen. »Wir werden uns auseinanderleben, du und ich. Vielleicht nicht gleich, vielleicht auch nicht in Monaten oder sogar Jahren. Aber früher oder später werden wir es, ohne ihn.«

Er sagte nichts; er versuchte gar nicht erst, Einwände zu erheben. Vielleicht war es so. Er hatte es satt, sich dauernd den Kopf darüber zu zerbrechen, was ihnen allen bevorstand.

»Liebst du mich noch?« fragte Doreen. »Nach allem, was geschehen ist?« Sie wandte sich ihm zu, um sein Gesicht zu sehen, wenn er antwortete.

»Ja, natürlich tue ich das«, sagte er.

»Ich dich auch«, sagte sie leise und schwach. »Aber ich glaube, das reicht nicht. Du hast deine Frau und deinen Sohn - das ist so viel, auf lange Sicht. Trotzdem, es war die Sache wert; für mich jedenfalls. Ich werde es nie bereuen. Wir sind nicht verantwortlich für Arnies Tod; wir müssen uns nicht schuldig fühlen. Das hat er sich selbst zuzuschreiben, wegen dem, was er zuletzt vorhatte. Und wir werden nie genau wissen, was das eigentlich war. Aber ich weiß, daß es etwas war, das uns schaden sollte.«

Er nickte.

Schweigend flogen sie mit Arnie Kotts Leiche an Bord weiter nach Lewistown zurück, brachten Arnie in seine Siedlung zurück, wo er Oberster Gildebruder seiner Kanalarbeitergilde, Filiale Vierter Planet, war - und wahrscheinlich immer bleiben würde.

*

Manfred Steiner stieg in den kargen Felsen der FDR-Berge einen schlecht befestigten Pfad hinauf und sah, als er kurz innehielt, eine Gruppe aus sechs dunklen, schattenhaften Gestalten vor sich. Sie trugen mit Wasser gefüllte Paka-Eier bei sich, Köcher mit vergifteten Pfeilen, und die Frauen hatten ihre Hackbretter dabei. Alle rauchten Zigaretten, während sie sich im Gänsemarsch auf dem Pfad voranschleppten.

Bei seinem Anblick blieben sie stehen.

Einer von ihnen, ein hagerer junger Mann, sagte höflich: »Der Regen, der durch Eure wundersame Gegenwart auf uns fällt, schenkt uns Kraft und Stärke, Herr.«

Manfred verstand nicht, was er sagte, erfaßte aber ihre Gedanken: vorsichtig und freundlich, ohne jeden Beiklang von Haß. Er spürte darin kein Verlangen, ihm wehzutun, und das war angenehm; er vergaß seine Furcht vor ihnen und wandte seine Aufmerksamkeit den Tierhäuten zu, die sie trugen. Was für eine Art Tier ist das? überlegte er.

Auch die Bleichmänner waren neugierig auf ihn. Sie traten näher, bis sie ihn ganz umringten.

»Es gibt Monsterschiffe«, dachte einer von ihnen an ihn gewandt, »die in diesen Bergen landen, ohne daß jemand an Bord ist. Sie haben Staunen und Mutmaßungen hervorgerufen, weil sie offenbar ein Omen sind. Sie haben sich schon auf dem Land zu sammeln begonnen, um Veränderungen herbeizuführen. Kommst du vielleicht von ihnen?«

»Nein«, antwortete Manfred in Gedanken, damit sie ihn auch hören und verstehen konnten.

Die Bleichmänner deuteten nach vorn, und er sah unmittelbar über der Bergkette eine Flotte von UNZubringerraketen in der Luft schweben. Sie waren von der Erde aus eingetroffen, wurde ihm klar. Sie waren hier, um Grund auszuheben; der Bau der Wohnanlage hatte begonnen, und bald würden das AM-WEB und die übrigen Gebäude auf dem Antlitz des vierten Planeten auftauchen.