– Sein Name?
– Ladislaus Zathmar.
– Und wer sind die Personen, die ihn besuchen?
– Zwei namentlich, ebenfalls ungarischer Abstammung.
– Der Eine…?
– Ist ein Professor aus hiesiger Stadt, Stephan Bathory.
– Der Andere…?
– Graf Mathias Sandorf.«
Bei Nennung dieses Namens zuckte Toronthal überrascht leicht zusammen, was Sarcany nicht entging. Es war diesem nicht schwer geworden, diese drei Namen herauszufinden: er war Stephan Bathory gefolgt, als dieser in sein Haus in der Corsia Stadion zurückgekehrt, und dem Grafen Sandorf bei dessen Heimkehr in das Hotel Delorme.
»Sie sehen, Silas Toronthal, ich habe nicht gezögert, Ihnen die Namen der Betreffenden auszuliefern. Sie begreifen also, daß ich mich schließlich mit Ihnen nicht herumspielen will.
– Alles das ist doch noch nichts Feststehendes, meinte der Banquier, der erst noch mehr erfahren wollte, ehe er sich zu etwas verpflichtete.
– Noch nichts Feststehendes? fragte Sarcany.
– Zweifellos! Sie besitzen nicht einmal einen Schimmer eines handgreiflichen Beweises.
– Und das hier?«
Die Abschrift des Billets wanderte in die Hand Toronthal’s. Dieser prüfte sie ersichtlich mit Neugier. Doch diese mystischen Worte sagten ihm nichts und der Beweis fehlte, daß sie wirklich die Wichtigkeit besaßen, die Sarcany ihnen andichtete. Die ganze Geschichte konnte ihn nur insofern interessiren, als der Name des Grafen Sandorf im Spiele war, seines Kunden, dessen Stellung ihm gegenüber etwas beunruhigend wurde, sobald dieser eine unverzügliche Zurückzahlung der bei ihm hinterlegten Gelder verlangte.
»Nun wohl, sagte er schließlich, meine Meinung bleibt dabei, daß die ganze Angelegenheit bis jetzt durchaus keine Sicherheiten bietet.
– Mir scheint im Gegentheil nichts klarer zu sein, entgegnete Sarcany, den die Haltung des Banquiers in keiner Weise einschüchterte.
– Haben Sie das Billet entziffern können?
– Nein, Silas Toronthal, aber ich werde es übertragen, sobald die richtige Zeit gekommen sein wird.
– Und wie?
– Ich habe mit solchen Dingen, wie mit vielen anderen, ebenfalls zu thun und in meinen Händen schon eine hübsche Anzahl chiffrirter Depeschen gehabt. Aus der eingehenden Prüfung, die ich mit dieser Schrift angestellt, habe ich den Schluß gezogen, daß der Schlüssel hierzu weder auf einer Zahl, noch auf einem verabredeten Alphabet beruht, welches jedem dieser Buchstaben eine andere Bedeutung geben würde, als diese in Wirklichkeit ist. In diesem Briefe ist ein s ein s, ein p ein p, aber diese Buchstaben sind in einer Reihenfolge niedergeschrieben, welche nur mit Hilfe eines Gitters zu übertragen ist.«
Wir wissen bereits, daß Sarcany sich nicht täuschte. Letztgenanntes System war es, welches in diesem Falle angewendet wurde. Wir wissen auch, daß aus demselben Grunde der Inhalt sich nur noch schwerer aufklären ließ.
»Ich will nicht leugnen, daß Sie vielleicht Recht haben, sagte der Banquier, aber ohne Gitter ist das Billet unlesbar.
– Ersichtlich.
– Und wie werden Sie sich dieses Gitter verschaffen?
– Ich weiß es noch nicht, antwortete Sarcany, aber ich werde es mir verschaffen, dessen können Sie gewiß sein.
– Wirklich? An Ihrer Stelle, Sarcany, würde ich mir nicht so große Mühe geben.
– Ich werde mir alle Mühe geben.
– Wozu soll das gut sein? Ich würde mich begnügen, der Polizei von Triest den Verdacht mitzutheilen und ihr das Billet einzuhändigen.
– Ich werde es ihr sagen, Silas Toronthal, aber nicht auf bloße Vermuthungen hin, erwiderte Sarcany frostig. Ehe ich rede, muß ich thatsächliche Beweise haben und natürlich auch unbestreitbare. Ich denke die Verschwörung meistern zu können, ja vollständig meistern zu können und Vortheile daraus zu ziehen, von denen ich Ihnen die Hälfte anbiete. Und wer weiß, ob es nicht vortheilhafter sein wird, mit den Verschwörern gemeinsame Sache zu machen, als gegen sie zu zeugen.«
Eine solche Sprache überraschte Toronthal nicht. Er wußte, wessen der intelligente gottlose Sarcany fähig war. Wenn dieser Mann nicht zögerte, so vor dem Banquier zu sprechen, so that er es, weil er bereits wußte, daß man Silas Toronthal Alles vorschlagen konnte, dessen dehnbares Gewissen sich allen möglichen Geschäften anbequemte. Sarcany kannte ihn übrigens, um es noch einmal zu wiederholen, schon eine geraume Zeit und er hatte überdies Grund zu glauben, daß die Lage des Hauses seit Kurzem eine nicht mehr besonders klare war.
Konnte nun das Geheimniß dieser Verschwörung, wenn es aufgeklärt, ausgeliefert und nutzbar gemacht wurde, nicht dazu beitragen, die Geschäfte des Banquiers wieder in Fluß zu bringen? Sarcany nahm es an und daraufhin hatte er seinen Vorschlag gemacht.
Silas Toronthal seinerseits versuchte es, seinem ehemaligen Makler aus dem Tripolitanischen gegenüber diesmal den Verschlossenen zu spielen. Wenn wirklich eine Verschwörung gegen die österreichische Regierung, deren Veranlasser Sarcany entdeckt haben wollte, in der Entwicklung begriffen war, so wäre er der Letzte gewesen, der ihr freien Lauf gelassen hätte. Dieses Haus Ladislaus Zathmar’s, in welchem geheime Unterredungen stattfanden, dieser chiffrirte Briefwechsel, die ungeheuere Summe, welche Graf Sandorf bei ihm zur steten Bereithaltung niedergelegt hatte, Alles das hatte wirklich einen verdächtigen Anstrich. Sehr wahrscheinlich hatte Sarcany die Lage der Dinge richtig erkannt. Der Banquier wollte indessen vorderhand noch mehr hören und erst dem Spiele seines Gegners auf den Grund kommen, ehe er sich ergab. Er zog es daher vor, mit einer gleichgiltigen Miene zu erwidern:
»Und wenn Sie das Billet entziffert haben werden – vorausgesetzt, daß Sie es wirklich dahin bringen sollten – werden Sie sehen, daß es sich lediglich um private Interessen handelt, die völlig belanglos sind und aus denen folglich weder für Sie, noch für mich ein Nutzen entspringen wird.
Haben Sie das Billet entziffern können? (Seite 46.)
– Nein, rief Sarcany im Tone innigster Ueberzeugung, nein! Ich bin einer der bedenklichsten Verschwörungen auf der Spur, einer Verschwörung, die von hochstehenden Persönlichkeiten angezettelt wird und ich kann nicht umhin, zu bemerken, daß Sie, Silas Toronthal, eben so wenig daran zweifeln als ich selbst.
– Also, was wollen Sie nun von mir?« fragte der Banquier, diesmal in sehr bestimmtem Tone.
Triest. – Der Börsenplatz.
Sarcany erhob sich und sagte mit einer etwas leiseren Stimme, dem Banquier dabei aber fest ins Auge sehend:
»Was ich will – er legte einen Nachdruck auf dieses Wort – ist das: Ich will so bald als möglich unter irgend einem noch aufzufindenden Vorwande Zutritt zu dem Hause des Grafen Zathmar haben und versuchen, das Vertrauen desselben zu gewinnen. Einmal auf dem Platze, wo mich Keiner kennt, muß ich nach einer Gelegenheit suchen, mich des Gitters bemächtigen und jene Depesche übertragen zu können, von der ich den bestmöglichen Gebrauch in unserem Interesse machen werde.
– In unserem Interesse? wiederholte Toronthal. Warum liegt Ihnen daran, mich in diese Angelegenheit hineinzuziehen?
– Weil sie sich verlohnt und Sie einen großen Nutzen aus ihr ziehen werden.
– Und dann unternehmen Sie die Sache nicht einmal allein?
– Nein. Ich bedarf Ihrer Unterstützung.
– Erklären Sie sich näher!
– Um zu meinem Ziele zu gelangen, muß ich mir Zeit lassen können, und Zeit kostet Geld. Ich habe aber keines mehr.
– Ihr Guthaben bei mir ist, wie Sie wissen, bereits erschöpft.
– Schön. So werden Sie mir jetzt ein neues eröffnen.