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»Immerhin können wir den Versuch wagen, sagte Sarcany.

– Wagen wir ihn.«

Silas Toronthal holte die Abschrift des Billets aus einem der Fächer seines Schreibtisches hervor und legte sie auf den Tisch.

Man wird sich erinnern, daß das Billet aus achtzehn unverständlichen Worten bestand, die je sechs Buchstaben enthielten. Es lag klar auf der Hand, daß jeder Buchstabe aus diesen Worten den sechs Vierecken entsprechen mußte, die, gleichviel ob gefüllt oder leer je eine Zeile des Gitters bildeten. Man konnte also von vornherein als feststehend annehmen, daß die ersten sechs Worte des Briefes, mit dem ersten beginnend und aus sechsunddreißig Buchstaben bestehend, zuerst nacheinander mit Hilfe des Schlüssels entziffert werden mußten.

In der That war – und dies war leicht zu constatiren – die Stellung der leeren Quadrate in der Gruppirung dieses Gitters so genial erdacht, daß erst nach viermaliger Vierteldrehung der Karte die leeren Vierecke allmählich die Stellung der gefüllten einnahmen, ohne jemals an einem Orte doppelt zu erscheinen.

Man wird gleich sehen, wie sich das verhält. Wenn man zum Beispiel bei dem ersten Auflegen des Gitters auf ein unbeschriebenes Blatt Papier in die leeren Quadrate die Ziffern 1 bis 9 schreibt, dann nach einer Vierteldrehung die Zahlen 10 bis 18, nach einer abermaligen Viertelwendung 19 bis 27 und schließlich nach der letzten 28 bis 36, so wird man zuletzt auf dem Papier die Zahlen 1 bis 36 an Stelle der sechsunddreißig Quadrate finden, welche die Abtheilungen des Gitters bilden.

Sarcany sah sich natürlich gezwungen, die vier auf einander folgenden Drehungen des Schlüssels zunächst auf die ersten sechs Worte des Billets anzuwenden. Er beabsichtigte, alsdann dieselbe Operation an den nächsten sechs Worten zu wiederholen und dann zum dritten Male an den letzten sechs Worten, sie mithin an sämmtlichen achtzehn Worten, aus denen die Geheimschrift bestand, vorzunehmen.

Triest. – Das Lloydgebäude.

Die in Vorstehendem erörterten Gründe wurden selbstverständlich auch Silas Toronthal von Seiten Sarcany’s vorgetragen, und jener konnte nicht umhin, ihre vollständige Richtigkeit anzuerkennen.

Würde die Praxis nun auch die Theorie bestätigen? Darum mußte es sich doch hier in erster Reihe handeln.

Sarcany verbarg das Gitter wieder. (S. 61.)

Es ist doch wohl angebracht, nachstehend noch einmal die in jenem Billet enthaltenen achtzehn Worte zu nennen. Sie lauteten:

ihnalz zaemen ruiopn

arnuro trvree mtqssl

odxhnp estlev eeuart

aeeeil ennios noupvg

spesdr erssur ouitse

eedgne toeedt artuee

Es handelte sich zuvörderst um die Entzifferung der ersten sechs Worte. Zu diesem Zwecke schrieb Sarcany sie auf ein reines Blatt Papier, wobei er sorgfältig darauf achtete, die Buchstaben und Zeilen von einander zu trennen, so daß auf jedes Quadrat des Gitters je ein Buchstabe kam. Dadurch erhielt er folgende Stellung:

Dann wurde das Gitter auf diese Gesammtheit so gelegt, daß der mit einem Kreuze versehene Rand sich oben befand. Die neun leeren Kästen ließen nunmehr nur noch die folgenden neun Buchstaben durchblicken, während die übrigen siebenundzwanzig unter den vollen Feldern des Kärtchens verborgen waren: 

Sarcany drehte alsdann das Gitter ein viertel Mal von links nach rechts herum, so daß jetzt die frühere obere Linie die rechte Seitenlinie wurde. Bei dieser zweiten Lage kamen folgende Buchstaben zum Vorschein: 

Bei der dritten Stellung waren folgende Buchstaben sichtbar, welche, wie die übrigen, ebenfalls sorgfältig aufgeschrieben wurden:

Was Silas Toronthal und Sarcany nicht aus dem Erstaunen herauskommen ließ, war der Umstand, daß die Worte, welche sich nach dem Verhältniß bildeten, keinen Sinn geben wollten. Sie hatten erwartet, sie flüssig lesen zu können, da sie durch die auf einander folgenden Umdrehungen des Gitters gewonnen werden mußten; sie blieben indessen eben so unverständlich, als diejenigen des chiffrirten Billets selbst. Sollte dieses wirklich nicht zu entziffern sein?

Die vierte Umdrehung des Gitters gab folgendes Resultat:

Kein Schimmer von Verständniß, dieselbe Dunkelheit!

Die durch die vier Umdrehungen sich ergebenden Worte lauteten:

hazrxeirg

nohaledec

nadnepedn

ilruopess

was absolut nichts bedeutete.

Sarcany konnte den Zorn nicht meistern, den ihm diese Enttäuschung verursachte. Der Banquier nickte nur mit dem Kopfe und sagte nicht ohne Ironie:

»Dieses Schema scheint wirklich nicht dasjenige zu sein, welches die Verschwörer für ihren Briefwechsel anzuwenden pflegten.«

Diese Bemerkung brachte Sarcany in Bewegung.

»Fahren wir fort! rief er.

– Fahren wir fort!« echote der Banquier.

Nachdem Sarcany das nervöse Zittern überwunden hatte, welches ihn bewegte, wandte er seine Theorie auf die zweite Wortreihe des Billets an. Viermal legte er das Gitter auf diese Worte unter viermaliger Vierteldrehung. Er erhielt abermals eine Vereinigung von Buchstaben, die jedes Sinnes bar waren:

amnetnore

velessuot

etseirted

zerrevnes

Diesmal warf Sarcany das Täfelchen auf den Tisch und fluchte wie ein Matrose.

Silas Toronthal hatte – ein merkwürdiger Contrast – seine Kaltblütigkeit bewahrt. Er studirte die Worte, die vom Beginne des Versuches an gewonnen waren, und blieb nachdenkend.

»Zum Teufel mit den Gittern und mit denen, die sich ihrer bedienen! tobte Sarcany aufspringend.

– Setzen Sie sich doch wieder! sagte Silas Toronthal.

– Mich wieder setzen?

– Und fahren Sie fort!«

Sarcany sah Toronthal an. Dann setzte er sich wieder, ergriff von Neuem den Schlüssel und legte ihn auf die letzten sechs Worte des Billets, mechanisch, fast ohne zu wissen, was er that.

Das Ergebniß waren folgende Worte:

uonsouven

qlangisre

imerpuate

rptsetuot

Sie ließen eben so wenig wie die anderen irgend welche Erklärung zu.

Sarcany, von alledem über alle Maßen irregeleitet, hatte das Blatt Papier, auf dem die barocken, von der Umdrehung des Gitters zur Erscheinung gebrachten Worte standen, aufgenommen und schickte sich an, es zu zerreißen.

Silas Toronthal hielt ihn zurück.

»Ruhe! mahnte er.

– Pah! rief Sarcany. Was sollen wir noch mit diesem unentzifferbaren Worträthsel beginnen?

– Schreiben Sie alle Worte hinter einander auf! antwortete der Banquier gelassen.

– Und wozu?

– Wie wollen einmal sehen.«

Sarcany gehorchte; folgendes war der Wortlaut der aneinander gereihten Worte:

hazrxeirgnohaledecnadnepednilruopessamnetnoreve lessuotetseirtedzerrevnesuonsuoveuqlangisreimerpu aterptsetuot.

Kaum waren die Worte hingeschrieben, als auch schon Silas Toronthal den Händen Sarcany’s das Papier entriß; er las es und stieß einen Laut der Ueberraschung aus. Jetzt war er es, den die Ruhe verlassen hatte. Sarcany war nahe daran, sich zu fragen, ob der Banquier plötzlich toll geworden?