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«Ich habe Ihnen gesagt, daß ich es nicht getan habe!» schrie Matilda. «Ich habe so ein Tier noch nie in meinem Leben gesehen.»

«Du hast ein... ein... ein Krokodil in mein Trinkwasser gesetzt!» kreischte die Knüppelkuh zurück. «Es gibt auf der ganzen Welt kein schlimmeres Verbrechen gegen eine Schulleiterin! Also, setz dich hin und mucks dich nicht! Los, los, hingesetzt, aber ein bißchen plötzlich!»

«Aber ich sage Ihnen doch...» schrie Matilda und dachte gar nicht daran, sich hinzusetzen.

«Und ich sage dir, daß du den Mund halten sollst!» brüllte die Knüppelkuh. «Wenn du nicht sofort die Klappe hältst und dich auf deine vier Buchstaben setzt, dann schnall ich mir den Gürtel ab und laß dich das Metallende schmecken!»

Langsam ließ sich Matilda nieder. Oh, diese Niedertracht! Diese Ungerechtigkeit! Wie konnten sie es wagen, sie für etwas von der Schule zu werfen, was sie nicht getan hatte!

Matilda spürte, wie sie immer wütender wurde und noch wütender und noch wütender... So unerträglich wütend, daß gleich in ihrem Inneren etwas zerbersten mußte.

Der Molch zappelte immer noch in dem hohen Wasserglas herum. Er sah jedoch so aus, als ob er sich gräßlich ungemütlich fühlte. Das Glas war nicht groß genug für ihn. Matilda starrte die Knüppelkuh an. Wie sie sie haßte! Sie starrte das Glas an, in dem der Molch schwamm. Wie gern wäre sie nach vorn marschiert, hätte das Glas gepackt und den ganzen Inhalt samt Molch und allem Drum und Dran der Knüppelkuh auf den Kopf geschüttet. Sie zitterte, wenn sie nur daran dachte, was die Knüppelkuh ihr antun würde, wenn sie das wirklich machte.

Die Knüppelkuh saß hinter dem Lehrertisch und starrte den im Glas strampelnden Wassermolch mit einer Mischung aus Faszination und Schrecken an. Auch Matildas Augen waren auf das Glas gerichtet. Und jetzt begann ein höchst ungewohntes und merkwürdiges Gefühl still und sachte von ihr Besitz zu ergreifen. Dieses Gefühl saß vor allem in den Augen. Es schien sich dort eine Art Elektrizität anzusammeln. Eine spürbare Kraft entwickelte sich in ihren Augen, das Gefühl einer großen Macht nistete sich tief in ihnen ein. Aber da war noch etwas anderes, eine Empfindung, die sie erst recht nicht begreifen konnte. Es zuckte auf wie Blitze, und es zischte in Wellen aus ihren Augen heraus. Ihre Augäpfel wurden regelrecht heiß und glühend, als ob sich irgendwo in ihrem Zentrum eine enorme Energiequelle gebildet hätte. Das war ein fabelhaftes Gefühl. Sie ließ ihre Augen unverwandt auf dem Glas ruhen, und jetzt richtete sich die gesamte Kraft auf einen kleinen Punkt in jedem Auge und wurde immer mächtiger, und es fühlte sich so an, als ob Millionen winzig kleiner unsichtbarer Arme, an denen Hände saßen, aus ihren Augen heraus und auf das Glas schossen, das sie anschaute.

«Kippt es um!» flüsterte Matilda. «Kippt es um!»

Sie sah das Glas schwanken. Es neigte sich tatsächlich ein wenig zur Seite, richtete sich dann aber wieder auf. Sie fuhr fort, mit all diesen Millionen und aber Millionen unsichtbarer kleiner Arme und Hände, die aus ihren Augen fuhren, dagegen zu stoßen, wobei sie ständig die Kraft fühlte, die aus den beiden kleinen schwarzen Punkten im innersten Inneren ihrer Augen strahlte. «Kippt es um!» flüsterte sie wieder. «Kippt es um!»

Das Glas schwankte abermals. Sie stieß noch kräftiger dagegen, zwang ihre Augen, noch stärkere Kraft herausstrahlen zu lassen. Und da, sehr sehr langsam, so langsam, daß sie es kaum verfolgen konnte, begann sich das Glas nach hinten zu neigen, mehr und mehr und immer mehr nach hinten, bis es auf der Kippe stand. Und so schwebte es ein paar Augenblicke lang, ehe es endgültig umkippte und mit einem scharfen Klirren auf die Tischplatte fiel.

Das Wasser und der zappelnde Molch ergossen sich auf Fräulein Knüppelkuhs gewaltigen Busen. Die Schulleiterin stieß einen Schrei aus, der auch den letzten Dachziegel auf dem ganzen Haus zum Klappern gebracht haben mußte, und schoß zum zweitenmal in den letzten fünf Minuten wie eine Rakete von ihrem Stuhl. Der Molch klammerte sich verzweifelt an dem Baumwollkittel fest, der den enormen Brustkasten umhüllte, und blieb dort mit seinen kleinen feuchten Klauen kleben. Die Knüppelkuh schaute nach unten, sah ihn, heulte womöglich noch lauter und wischte ihn mit einer einzigen Handbewegung ab, so daß das Tier quer durch den Klassenraum flog. Es landete neben Lavendels Pult, die sich geschwind bückte, es aufhob und zum zweitenmal in ihren Griffelkasten steckte. Es ist doch sehr nützlich, dachte sie bei sich, immer einen Wassermolch bei der Hand zu haben.

Die Knüppelkuh, deren Gesicht mehr denn je einem gekochten Schinken ähnelte, stand vor der Klasse und zitterte vor Zorn. Ihr gewaltiger Busen hob und senkte sich, und das Wasser, das ihr vorn heruntergelaufen war, hatte einen dunklen feuchten Fleck hinterlassen und sie vermutlich bis auf die Haut durchnäßt.

«Wer war das?» brüllte sie. «Los, los! Raus damit! Tritt heraus! Diesmal entkommst du mir nicht! Wer ist für diese Schweinerei verantwortlich? Wer hat das Glas umgestoßen?»

Keiner gab eine Antwort. Im ganzen Klassenzimmer herrschte Grabesstille.

«Matilda!» rief sie. «Das bist du gewesen! Ich weiß es genau, daß du es warst!»

Matilda saß auf ihrem Platz in der zweiten Reihe vollkommen reglos da und sagte kein Wort. Ein sonderbares Gefühl tiefer Ruhe und Sicherheit senkte sich über sie, und plötzlich merkte sie, daß sie sich vor nichts und niemandem auf der Welt mehr fürchtete. Nur mit der Kraft ihrer Augen hatte sie ein Glas Wasser zum Umkippen gebracht, so daß sich sein Inhalt auf diese fürchterliche Schulleiterin ergoß, und wer das vermochte, der konnte alles.

«Mach den Mund auf, du Eiterbeule!» dröhnte die Knüppelkuh. «Gib zu, daß du es warst!»

Matilda schaute direkt in die funkelnden Augen dieses wutschnaubenden Riesenweibs und sagte in aller Seelenruhe: «Seit Anfang dieser Schulstunde habe ich mich nicht von meinem Pult entfernt, Fräulein Knüppelkuh. Mehr kann ich dazu nicht sagen.»

Plötzlich schien sich die ganze Klasse gegen die Schulleiterin zu verbünden. «Sie hat sich nicht gerührt!» riefen sie. «Matilda hat sich nicht gerührt. Keiner hat sich gerührt! Sie müssen es selber getan haben!»

«Ich habe es ganz bestimmt nicht selber umgestoßen!» fauchte die Knüppelkuh. «Wie könnt ihr es nur wagen, so was zu behaupten! Und jetzt den Mund aufgemacht, Fräulein Honig. Sie müssen alles gesehen haben! Wer hat mein Glas umgestoßen?»

«Keins der Kinder, Fräulein Knüppelkuh», antwortete Fräulein Honig. «Ich kann beschwören, daß sich keiner von seinem Platz entfernt hat, seitdem Sie die Klasse betreten haben, außer Nigel, und der hat sich in seiner Ecke nicht gerührt.»

Fräulein Knüppelkuh glotzte Fräulein Honig an. Fräulein Honig hielt dem Blick stand, ohne mit der Wimper zu zucken. «Ich sage die Wahrheit, Frau Rektorin», fuhr sie fort. «Sie müssen es umgestoßen haben, ohne daß Sie es gemerkt haben. So etwas kann einem leicht passieren.»

«Ich hab die Nase voll von dieser Horde von Nichtsnutzen!» brüllte die Knüppelkuh. «Ich denke gar nicht daran, meine kostbare Zeit hier weiter zu verplempern!» Damit marschierte sie aus dem Klassenzimmer und knallte die Tür hinter sich zu.

In dem betäubten Schweigen, das ihrem Abgang folgte, schritt Fräulein Honig vor die Klasse und stellte sich hinter ihren Tisch. «Puh», sagte sie, «ich glaube, für heute haben wir genug gelernt, findet ihr nicht auch? Der Unterricht ist zu Ende. Ihr könnt alle hinaus auf den Schulhof laufen und dort warten, bis euch eure Eltern abholen.»