Vorwort.
Ach, was muß man oft von bösen
Kindern hören oder lesen!
Wie zum Beispiel hier von diesen,
Welche Max und Moritz hießen.
Die, anstatt durch weise Lehren
Sich zum Guten zu bekehren,
Oftmals noch darüber lachten
Und sich heimlich lustig machten. -
- Ja, zur Übeltätigkeit,
Ja, dazu ist man bereit! -
- Menschen necken, Tiere quälen,
Äpfel, Birnen, Zwetschgen stehlen -
Das ist freilich angenehmer
Und dazu auch viel bequemer,
Als in Kirche oder Schule
Festzusitzen auf dem Stuhle. -
- Aber wehe, wehe, wehe!
Wenn ich auf das Ende sehe!! -
- Ach, das war ein schlimmes Ding,
Wie es Max und Moritz ging.
- Drum ist hier, was sie getrieben,
Abgemalt und aufgeschrieben.
Erster Streich.
Mancher gibt sich viele Müh'
Mit dem lieben Federvieh;
Einesteils der Eier wegen,
Welche diese Vögel legen,
Zweitens: Weil man dann und wann
Einen Braten essen kann;
Drittens aber nimmt man auch
Ihre Federn zum Gebrauch
In die Kissen und die Pfühle,
Denn man liegt nicht gerne kühle. -
Seht, da ist die Witwe Bolte,
Die das auch nicht gerne wollte.
Ihrer Hühner waren drei
Und ein stolzer Hahn dabei. -
Max und Moritz dachten nun:
Was ist hier jetzt wohl zu tun? -
- Ganz geschwinde, eins, zwei, drei
Schneiden sie sich Brot entzwei,
In vier Teile jedes Stück
Wie ein kleiner Finger dick.
Diese binden sie an Fäden,
Übers Kreuz, ein Stück an jeden,
Und verlegen sie genau
In den Hof der guten Frau. -
Kaum hat dies der Hahn gesehen,
Fängt er auch schon an zu krähen:
Kikeriki! Kikikerikih!!
Tak, tak, tak! - da kommen sie.
Hahn und Hühner schlucken munter
Jedes ein Stück Brot hinunter;
Aber als sie sich besinnen,
Konnte keines recht von hinnen.
In die Kreuz und in die Quer
Reißen sie sich hin und her,
Flattern auf und in die Höh',
Ach herje, herjemineh!
Ach, sie bleiben an dem langen,
Dürren Ast des Baumes hangen. -
- Und ihr Hals wird lang und länger,
Ihr Gesang wird bang und bänger.
Jedes legt noch schnell ein Ei,
Und dann kommt der Tod herbei. -
Witwe Bolte in der Kammer
Hört im Bette diesen Jammer:
Ahnungsvoll tritt sie heraus,
Ach, was war das für ein Graus!
»Fließet aus dem Aug', ihr Tränen!
All' mein Hoffen, all' mein Sehnen,
Meines Lebens schönster Traum
Hängt an diesem Apfelbaum!«
Tiefbetrübt und sorgenschwer
Kriegt sie jetzt das Messer her,
Nimmt die Toten von den Strängen,
Daß sie so nicht länger hängen,
Und mit stummem Trauerblick
Kehrt sie in ihr Haus zurück.
Dieses war der erste Streich,
Doch der zweite folgt sogleich.
Zweiter Streich.
Als die gute Witwe Bolte
Sich von ihrem Schmerz erholte,
Dachte sie so hin und her,
Daß es wohl das beste wär',
Die Verstorb'nen, die hienieden
Schon so frühe abgeschieden,
Ganz im stillen und in Ehren
Gut gebraten zu verzehren. -
- Freilich war die Trauer groß,
Als sie nun so nackt und bloß
Abgerupft am Herde lagen,
Sie, die einst in schönen Tagen
Bald im Hofe, bald im Garten
Lebensfroh im Sande scharrten. -
Ach, Frau Bolte weint aufs neu,
Und der Spitz steht auch dabei.
Max und Moritz rochen dieses;
»Schnell aufs Dach gekrochen!« hieß es.
Durch den Schornstein mit Vergnügen
Sehen sie die Hühner liegen,
Die schon ohne Kopf und Gurgeln
Lieblich in der Pfanne schmurgeln. -
Eben geht mit einem Teller
Witwe Bolte in den Keller,
Daß sie von dem Sauerkohle
Eine Portion sich hole,
Wofür sie besonders schwärmt,
Wenn er wieder aufgewärmt. -
- Unterdessen auf dem Dache
Ist man tätig bei der Sache.
Max hat schon mit Vorbedacht
Eine Angel mitgebracht.
Schnupdiwup! da wird nach oben
Schon ein Huhn heraufgehoben;
Schnupdiwup! Jetzt Numro zwei;
Schnupdiwup! Jetzt Numro drei;
Und jetzt kommt noch Numro vier:
Schnupdiwup! Dich haben wir! -
- Zwar der Spitz sah es genau,
Und er bellt: Rawau! Rawau!
Aber schon sind sie ganz munter
Fort und von dem Dach herunter. -
- Na! Das wird Spektakel geben,
Denn Frau Bolte kommt soeben; -
- Angewurzelt stand sie da,
Als sie nach der Pfanne sah.
Alle Hühner waren fort,
»Spitz!« - Das war ihr erstes Wort.
»Oh, du Spitz, du Ungetüm!
Aber wart! ich komme ihm!«
Mit dem Löffel, groß und schwer,
Geht es über Spitzen her;
Laut ertönt sein Wehgeschrei,
Denn er fühlt sich schuldenfrei.
Max und Moritz im Verstecke
Schnarchen aber an der Hecke,
Und vom ganzen Hühnerschmaus
Guckt nur noch ein Bein heraus.
Dieses war der zweite Streich,
Doch der dritte folgt sogleich.
Dritter Streich.
Jedermann im Dorfe kannte
Einen, der sich Böck benannte.
Alltagsröcke, Sonntagsröcke,
Lange Hosen, spitze Fräcke,
Westen mit bequemen Taschen,
Warme Mäntel und Gamaschen -
Alle diese Kleidungssachen
Wußte Schneider Böck zu machen. -
Oder wäre was zu flicken,
Abzuschneiden, anzustücken,
Oder gar ein Knopf der Hose
Abgerissen oder lose -
Wie und wo und wann es sei,
Hinten, vorne, einerlei -
Alles macht der Meister Böck,
Denn das ist sein Lebenszweck.
D'rum so hat in der Gemeinde
Jedermann ihn gern zum Freunde. -
- Aber Max und Moritz dachten,
Wie sie ihn verdrießlich machten.
Nämlich vor des Meisters Hause
Floß ein Wasser mit Gebrause.
Übers Wasser führt ein Steg
Und darüber geht der Weg.