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Nun wurde der arme Meister Martin mit vieler Mühe aufgerichtet, es fand sich indessen gleich, dass das Beil nur ins dicke Fleisch des Arms gedrungen und die Wunde durchaus nicht bedeutend zu nennen war. Den alten Herrn Holzschuer, den Martin im Fall niedergerissen, zog man nur auch unter den Holzspänen hervor und beruhigte, soviel möglich, der Frau Marthe Kinder, die unaufhörlich um den guten Vater Martin schrien und heulten. Der war ganz verblüfft und meinte, hätte der Teufel von bösen Gesellen nur nicht das schöne Fass verdorben, aus der Wunde mache er sich nicht soviel.

Man brachte Tragsessel herbei für die alten Herren, denn auch Holzschuer hatte sich im Fall ziemlich zerschlagen. Er schmälte auf ein Handwerk, dem solche Mordinstrumente zu Gebote stünden, und beschwor Friedrich, je eher, desto lieber sich wieder zu der schönen Bildgießerei, zu den edlen Metallen zu wenden.

Friedrich und mit ihm Reinhold, den der Reif hart getroffen und der sich an allen Gliedern wie gelähmt fühlte, schlichen, als schon tiele Dämmerung den Himmel umzog, unmutig nach der Stadt zurück. Da hörten sie hinter einer Hecke ein leises Ächzen und Seufzen. Sie blieben stehen, und es erhob sich alsbald eine lange Gestalt vom Boden, die sie augenblicklich für Konrad erkannten und scheu zurückprallten.»Ach, ihr lieben Gesellen«, rief Konrad mit weinerlicher Stimme,»entsetzt euch doch nur nicht so sehr vor mir! - ihr haltet mich für einen teuflichen Mordhund! - ach, ich bin es ja nicht, ich bin es ja nicht - ich konnte nicht anders! Ich musste den dicken Meister totschlagen, eigentlich müsst ich mit euch gehen und es noch tun, wie es nur möglich wäre! - Aber nein - nein, es ist alles aus, ihr seht mich nicht wieder! - grüßt die holde Rosa, die ich so über die Maßen liebe! - sagt ihr, dass ich ihre Blumen zeitlebens auf dem Herzen tragen, mich damit schmücken werde, wenn ich - doch sie wird vielleicht lebt wohl, künftig von mir hören! -lebt wohl, ihr lieben wackern Gesellen!«- Damit rannte Konrad unaufhaltsam fort über das Feld.

Reinhold sprach: «Es ist was Besonderes mit diesem Jüngling, wir können seine Tat gar nicht abwägen oder abmessen nach gewöhnlichen Maßstab. Vielleicht erschließt sich künftig das Geheimnis, das auf seiner Brust lastete.«

Reinhold verlässt Meister Martins Haus

So lustig es in Meister Martins Werksatt herging, so traurig war es jetzt geworden. Reinhold, zur Arbeit unfähig, blieb in seiner Kammer eingeschlossen; Martin, den wunden Arm in der Binde, schimpfte und schmälte unaufhörlich auf den Ungeschick des bösen fremden Gesellen. Rosa, selbst Frau Marthe mit ihren Knaben scheuten den Tummelplatz des tollen Beginnens, und so tönte dumpf und hohl, wie im einsamen Walde zur Winterszeit der Holzschlag, Friedrichs Arbeit, der nun das große Fass allein mühsam genug fördern musste.

Tiefe Traurigkeit erfüllte bald Friedrichs ganzes Gemüt, denn nun glaubte er deutlich zu gewahren, was er längst gefürchtet. Er trug keinen Zweifel, dass Rosa Reinhold liebe. Nicht allein, dass alle Freundlichkeit, manches süße Wort schon sonst Reinhold allein zugewendet wurde, so war es jetzt ja schon Beweises genug, dass Rosa, da Reinhold nicht hinauskonnte zur Werkstatt, ebenfalls nicht mehr daran dachte herauszugehen und lieber im Hause blieb, wohl gar, um den Geliebten recht sorglich zu hegen und pflegen. Sonntags, als alles lustig hinauszog, als Meister Martin, von seiner Wunde ziemlich genesen, ihn einlud, mit ihm und Rosa nach der Allerwiese zu wandeln, da lief er, die Einladung ablehnend, ganz vernichtet von Schmerz und banger Liebesnot, einsam heraus nach dem Dorfe, nach dem Hügel, wo er zuerst mit Reinhold zusammengetroffen. Er warf sich nieder in das hohe blumichte Gras, und als er gedachte, wie der schöne Hoffnungsstern, der ihm vorgeleuchtet auf seinem ganzen Wege nach der Heimat, nun am Ziel plötzlich in tiefer Nacht verschwunden; wie nun sein ganzes Beginnen dem trostlosen Mühen des Träumers gleiche, der die sehnsüchtigen Arme ausstrecke nach leeren Luftgebilden, da stürzten ihm die Tränen aus den Augen und herab auf die Blumen, die ihre kleinen Häupter neigten, wie klagend um des jungen Gesellen herbes Leid. Selbst wusste Friedrich nicht, wie es geschah, dass die tiefen Seufzer, die der gedrückten Brust entquollen, zu Worten, zu Tönen wurden. Er sang folgendes Lied:

»Wo bist du hin, Mein Hoffnungsstern? Ach, mir so fern, Bist mit süßen Prangen Andern aufgegangen! Erhebt euch, rauschende Abendwinde! Schlagt an die Brust, Weckt alle tötende Lust, Allen Todesschmerz, Dass das Herz, Getränkt von blut'gen Tränen, Brech in trostlosem Sehnen. Was lispelt ihr so linde, So traulich, ihr dunklen Bäume? Was blickt ihr, goldne Himmelssäume, So freundlich hinab? Zeigt mir mein Grab! Das ist mein Hoffnungshafen, Wird unten ruhig schlafen.«

Wie es sich denn wohl begibt, dass die tiefste Traurigkeit, findet sie nur Tränen und Worte, sich auflöst in mildes schmerzliches Weh, ja, dass dann wohl ein linder Hoffnungsschimmer durch die Seele leuchtet, so fühlte sich auf Friedrich, als er das Lied gesungen, wunderbar gestärkt und aufgerichtet. Die Abendwinde, die dunklen Bäume, die er im Liede angerufen, rauschten und lispelten wie mit tröstenden Stimmen, und wie süße Träume von ferner Herrlichkeit, von fernem Glück, zogen goldne Streifen herauf am düstern Himmel. Friedrich erhob sich und stieg den Hügel herab nach dem Dorfe zu. Da war es, als schritte Reinhold wie damals, als er ihn zuerst gefunden, neben ihm her. Alle Worte, die Reinhold gesprochen, kamen ihm wieder in den Sinn. Als er nun aber der Erzählung Reinholds von dem Wettkampf der beiden befreundeten Maler gedachte, da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Es war ja ganz gewiss, dass Reinhold Rosa schon früher gesehen und geliebt haben musste. Nur diese Liebe trieb ihn nach Nürnberg in Meister Martins Haus, und mit dem Wettstreit der beiden Maler meinte er nichts anderes als beider, Reinholds und Friedrichs, Bewerbung um die schöne Rosa. - Friedrich hörte aufs neue die Worte, die Reinhold damals sprach:»Wacker ohne allen tückischen Hinterhalt um den gleichen Preis ringen, muss wahre Freunde recht aus der Tiefe des Herzens einigen, statt sie zu entzweien, in edlen Gemütern kann niemals kleinlicher Neid, hämischer Hass stattfinden.«-»Ja«, rief Friedrich laut,»ja, du Herzensfreund, an dich selbst will ich mich wenden ohne allen Rückhalt, du selbst sollst mir es sagen, ob jede Hoffnung für mich verschwunden ist.«- Es war schon hoher Morgen, als Friedrich an Reinholds Kammer klopfte. Da alles still drinnen blieb, drückte er die Tür, die nicht wie sonst verschlossen war, auf und trat hinein. Aber in demselben Augenblick erstarrte er auch zur Bildsäule. Rosa, in vollem Glanz aller Anmut, alles Liebreizes, ein herrliches lebensgroßes Bild, stand vor ihm aufgerichtet auf der Staffelei, wunderbar beleuchtet von den Strahlen der Morgensonne. Der auf den Tisch geworfene Malerrock, die nassen Farben auf der Palette zeigten, dass eben an dem Bilde gemalt worden.»O Rosa - Rosa - o du Herr des Himmels«, seufzte Friedrich, da klopfte ihm Reinhold, der hinter ihm hineingetreten, auf die Schulter und fragte lächelnd:»Nun, Friedrich, was sagst du zu meinem Bilde?«Da drückte ihn Friedrich an seine Brust und rief:»O du herrlicher Mensch - du hoher Künstler! Ja, nun ist mir alles klar! Du, du hast den Preis gewonnen, um den zu ringen ich Ärmster keck genug war! - was bin ich denn gegen dich, was ist meine Kunst gegen die deinige? - Ach, ich trug auch wohl manches im Sinn! - lache mich nur nicht aus, lieber Reinhold! - sieh, ich dachte, wie herrlich müsst es sein, Rosas liebliche Gestalt zu formen und zu gießen im feinsten Silber, aber das ist ja ein kindisches Beginnen, doch du! - du! - wie sie so hold, so in süßen Prangen aller Schönheit dich anlächelt! - ach, Reinhold - Reinhold, du überglücklicher Mensch! - ja, wie du damals es aussprachst, so begibt es sich nun wirklich! Wir haben beide gerungen, du hast gesiegt, du musstest siegen, aber ich bleibe dein mit ganzer Seele. Doch verlassen muss ich das Haus, die Heimat, ich kann es ja nicht ertragen, ich müsste ja vergehen, wenn ich nun Rosa wiedersehen sollte. Verzeih das mir, mein lieber, lieber hochherrlicher Freund. Noch heute - in diesem Augenblick fliehe ich fort - fort in die weite Welt, wohin mein Liebesgram, mein trostloses Elend mich treibt!«- Damit wollte Friedrich zur Stube hinaus, aber Reinhold hielt ihn fest, indem er sanft sprach:»Du sollst nicht von hinnen, denn ganz anders wie du meinst, kann sich alles noch fügen. Es ist nun an der Zeit, dass ich dir alles sage, was ich bis jetzt verschwieg. Dass ich kein Küper, sondern Maler bin, wirst du nun wohl wissen und, wie ich hoffe, an dem Bilde gewahren, dass ich mich nicht zu den geringen Künstlern rechnen darf. In früher Jugend bin ich nach Italien gezogen, dem Lande der Kunst, dort gelang es mir, dass hohe Meister sich meiner annahmen und den Funken, der in mir glühte, nährten mit lebendigem Feuer. So kam es, dass ich mich bald aufschwang, dass meine Bilder berühmt wurden in ganz Italien und der mächtige Herzog von Florenz mich an seinen Hof zog. Damals wollte ich nichts wissen von deutscher Kunst und schwatzte, ohne eure Bilder gesehen zu haben, viel von der Trockenheit, von der schlechten Zeichnung, von der Härte eurer Dürer, eurer Cranache. Da brachte aber einst ein Bilderhändler ein Madonnenbildchen von dem alten Albrecht in die Galerie des Herzogs, welches auf wunderbare Weise mein Innerstes durchdrang, so dass ich meinen Sinn ganz abwandte von der Üppigkeit der italischen Bilder und zur Stunde beschloss, in dem heimatlichen Deutschland selbst die Meisterwerke zu schauen, auf die nun mein ganzes Trachten ging. Ich kam hierher nach Nürnberg, und als ich Rosa erblickte, war es mir, als wandle jene Maria, die so wunderbar in mein Inneres geleuchtet, leibhaftig auf Erden. Mir ging es so wie dir, lieber Friedrich, mein ganzes Wesen loderte auf in hellen Liebesflammen. Nur Rosa schauen, dachte ich, alles übrige war aus meinem sinn verschwunden und selbst die Kunst mir nur deshalb was wert, weil ich hundertmal immer wieder und wieder Rosa zeichnen, malen konnte. Ich gedachte mich der Jungfrau zu nahen nach kecker italischer Weise, all mein Mühen deshalb blieb aber vergebens. Es gab kein Mittel, sich in Meister Martins Hause bekannt zu machen auf unverfängliche Weise. Ich gedachte endlich geradezu mich um Rosa als Freier zu bewerben, da vernahm ich, dass Meister Martin beschlossen, seine Tochter nur einem tüchtigen Küpermeister zu geben. Da fasste ich den abenteuerlichen Entschluss, in Straßburg das Küperhandwerk zu erlernen und mich dann in Meister Martins Werkstatt zu begeben. Das übrige überließ ich der Fügung des Himmels. Wie ich meinen Entschluss ausgeführt, weißt du, aber erfahren musst du noch, dass Meister Martin mir vor einigen Tagen gesagt hat, ich würd ein tüchtiger Küper werden und solle ihm als Eidam recht lieb und wert sein, denn er merke wohl, dass ich mich um Rosas Gunst bemühe und sie mich gern habe.«-»Kann es denn wohl anders sein«, rief Friedrich in heftigem Schmerz,»ja, ja, dein wird Rosa werden, wie konnte auch ich Ärmster auf solch ein Glück nur hoffen.«-»Du vergisst«, sprach Reinhold weiter,»du vergisst, mein Bruder, dass Rosa selbst noch gar nicht das bestätigt hat, was der schlaue Meister Martin bemerkt haben will. Es ist wahr, dass Rosa sich bis jetzt gar anmutig und freundlich betrug, aber anders verrät sich ein liebend Herz! - Versprich mir, mein Bruder, dich noch drei Tage ruhig zu verhalten und in der Werkstatt arbeiten wie sonst. Ich könnte nun schon auch wieder arbeiten, aber seit ich emsiger an diesem Bilde gemalt, ekelt mich das schnöde Handwerk da draußen unbeschreiblich an. Ich kann fürder keinen Schlägel mehr in die Faust nehmen, mag es auch nun kommen, wie es will. Am dritten Tage will ich dir offen sagen, wie es mit mir und Rosa steht. Sollte ich wirklich der Glückliche sein, dem Rosa in Liebe sich zugewandt, so magst du fortziehen und erfahren, dass die Zeit auch die tiefsten Wunden heilt!«- Friedrich versprach, sein Schicksal abzuwarten.