Wie Friedrich vom Meister Martin aus der Werkstatt fortgejagt wurde
Andern Tages arbeitete Meister Martin in mürrischem Stillschweigen an dem großem Fasse für den Bischof von Bamberg, und auch Friedrich, der nun erst Reinholds Scheiden recht bitter fühlte, vermochte kein Wort, viel weniger ein Lied herauszubringen. Endlich warf Martin den Schlägel beiseite, schlug die Arme übereinander und sprach mit gesenkter Stimme:»Der Reinhold ist nun auch fort - es war ein vornehmer Maler und hat mich zum Narren gehalten mit seiner Küperei. - Hätt ich das nur ahnen können, als er mit dir in mein Haus kam und so anstellig tat, wie hätte ich ihm die Tür weisen wollen. Solch ein offenes ehrliches Gesicht und voll Lug und Trug im Innern! - Nun, er ist fort, und nun wirst du mit Treue und Redlichkeit an mir und Handwerk halten. Wer weiß, auf welche Weise du mir noch nähertrittst. Wenn du ein tüchtiger Meister geworden und Rosa dich mag - nun, du verstehst mich und darfst dich mühen um Rosas Gunst.«- Damit nahm er den Schlägel wieder zur Hand und arbeitete emsig weiter. Selbst wusste Friedrich nicht, wie es kam, dass Martins Worte seine Brust zerschnitten, dass eine seltsame Angst in ihm aufstieg und jeden Hoffnungsschimmer verdüsterte. Rosa erschien nach langer Zeit zum erstenmal wieder in der Werkstatt, aber tief in sich gekehrt und, wie Friedrich zu seinem Gram bemerkte, mit rotverweinten Augen.»Sie hat um ihn geweint, sie liebt ihn doch wohl«, so sprach es in seinem Innern, und er vermochte nicht den Blick aufzuheben zu der, die er si unaussprechlich liebte.
Das große Fass war fertig geworden, und nun erst wurde Meister Martin, als er das wohlgelungene Stück Arbeit betrachtete, wieder lustig und guter Dinge.»Ja, mein Sohn«, sprach er, indem er Friedrich auf die Schulter klopfte,»ja, mein Sohn, es bleibt dabei, gelingt es dir, Rosas Gunst zu erwerben, und fertigst du ein tüchtiges Meisterstück, so wirst du mein Eidam. Und zur edlen Zunft der Meistersinger kannst du dann auch treten und dir große Ehre gewinnen.«
Meister Martins Arbeit häufte sich nun über alle Maßen, so dass er zwei Gesellen aufnehmen musste, tüchtige Arbeiter, aber rohe Burschen, ganz entartet auf langer Wanderschaft. So manches anmutig lustigen Gesprächs hörte man jetzt in Meister Martins Werkstatt gemeine Späße, statt der lieblichen Gesänge Reinholds und Friedrichs hässliche Zotengesänge. Rosa vermied die Werkstatt, so dass Friedrich sie nur selten und flüchtig sah. Wenn er dann in trüber Sehnsucht sie anschaute, wenn er seufzte:»Ach, liebe Rosa, wenn ich doch nur wieder mit Euch reden könnte, wenn Ihr wieder so freundlich wäret als zu der Zeit, da Reinhold noch bei uns war«, da schlug sie verschämt die Augen nieder und lispelte:»Habt Ihr mir denn was zu sagen, lieber Friedrich?«- Starr, keines Wortes mächtig, stand Friedrich dann da, und der schöne Augenblick war schnell entflohn wie ein Blitz, der aufgeleuchtet im Abendrot und verschwindet, als man ihn kaum gewahrt.
Meister Martin bestand nun darauf, dass Friedrich sein Meisterstück beginnen sollte. Er hatte selbst das schönste, reinste Eichenholz, ohne die mindesten Adern und Streifen, das schon über fünf Jahre im Holzvorrat gelegen, ausgesucht, und niemand sollte Friedrichen bei der Arbeit zur Hand gehen als der alte Valentin. War in dessen dem armen Friedrich durch die Schuld der rohen Gesellen das Handwerk immer mehr und mehr verleidet worden, so schnürte es ihm jetzt die Kehle zu, wenn er daran dachte, dass nun das Meiserstück auf immer über sein Leben entscheiden sollte. Jene seltsame Angst, die in ihm aufstieg, als Meister Martin seine treue Anhänglichkeit an das Handwerk rühmte. Gestaltete sich nun auf furchtbare Weise immer deutlicher und deutlicher. Er wusste es nun, dass er untergehen werde in Schmach bei einem Handwerk, das seinem von der Kunst ganz erfüllten Gemüt von Grund aus widerstrebte. Reinhold, Rosas Gemälde kam ihm nicht aus dem Sinn. Aber seine Kunst erschien ihm auch wieder in voller Glorie. Oft, wenn das zerreißende Gefühl seines erbärmlichen Treibens ihn während der Arbeit übermannen wollte, rannte er, Krankheit vorschützend, fort und hin nach St. Sebald. Da betrachtete er stundenlang Peter Vischers wundervolles Monument und rief dann wie verzückt:»O Gott im Himmel, solch ein Werk zu denken - auszuführen, gib es denn auf Erden Herrlicheres noch?«Und wenn er nun zurückkehren musste zu seinen Dauben und Bänden und daran dachte, dass nur so Rosa zu erwerben, dann war es, als griffen glühende Krallen hinein in sein blutendes Herz und er müsse trostlos vergehen in der ungeheurn Qual. In Träumen kam oft Reinhold und brachte ihm seltsame Zeichnungen zu künstlicher Bildereiarbeit, in der Rosas Gestalt auf wunderbare Weise, bald als Blume, bald als Engel mit Flügelein verflochten war. Aber es fehlte was daran, und er erschaute, dass Reinhold in Rosas Gestaltung das Herz vergessen, welches er nun hinzuzeichnete. Dann war es, als rührten sich alle Blumen und Blätter des Werks, singend und süße Düfte aushauchend, und die edlen Metalle zeigten ihm in funkelndem Spiegel Rosas Bildnis; als strecke er die Ärme sehnsüchtig aus nach der Geliebten, als verschwände das Bildnis, wie in düsterm Nebel, und sie selbst, die holde Rosa, drücke ihn voll seligen Verlangens an die liebende Brust. - Tötender und tötender wurde sein Zustand bei der heillosen Böttcherarbeit, da suchte er Trost und Hilfe bei seinem alten Meister Johannes Holzschuer. Der erlaubte, dass Friedrich in seiner Werkstatt ein Werklein beginnen durfte, das er erdacht und wozu er seit langer Zeit den Lohn des Meister Martin erspart hatte, um das dazu nötige Silber und Gold anschaffen zu können. So geschah es, dass Friedrich, dessen totenbleiches Gesicht das Vorgeben, wie er von seiner zehrenden Krankheit befallen, glaublich machte, beinahe gar nicht in der Werkstatt arbeitete und Monate vergingen, ohne dass ersein Meisterstück, das große zweifudrige Fass, nur im mindesten förderte. Meister Martin setzte ihm hart zu, dass er doch wenigstens zu viel, als es seine Kräfte erlauben wollten, arbeiten möge, und Friedrich war freilich gezwungen, wieder einmal an den verhassten Haublock zu gehen und das Lenkbeil zur Hand zu nehmen. Indem er arbeitete, trat Meister Martin hinzu und betrachtete die bearbeiteten Stäbe, da wurde er aber ganz rot im Gesicht und rief:»Was ist das? - Friedrich, welche Arbeit! Hat die Stäbe ein Geselle gelenkt, der Meister werden will, oder ein einfältiger Lehrbursche, der vor drei Tagen in die Werkstatt hineingerochen? - Friedrich, besinne dich, welch ein Teufelist in dich gefahren und hudelt dich? - mein schönes Eichenholz, das Meisterstück! Ei du ungeschickter, unbesonnener Bursche!«Überwältigt von allen Qualen der Hölle, die in ihm brannten, konnte Friedrich nicht länger an sic halten, er warf das Lenkbeil weit von sich und rief: «Meister! - es ist nun alles aus - nein, und wenn es mir das Leben kostet, wenn ich vergehen soll in namenlosem Elend - ich kann nicht mehr - nicht mehr arbeiten im schnöden Handwerk, da es mich hinzieht zu meiner herrlichen Kunst, zu meinem würdigen alten Meister Johannes Holzschuer, den ich schändlich verlassen.«Meister Martins Augen funkelten wie flammende Kerzen. Kaum der Worte mächtig vor Wut, stotterte er:»Was? - auch du? - Lug und Trug? Mich hintergangen - schnödes Handwerk? - Küperei? - fort aus meinen Augen, schändlicher Bursche - fort mit dir!«- Und damit packte Meister Martin den armen Friedrich bei den Schultern und warf ihn zur Werkstatt hinaus. Das Hohngelächter der rohen Gesellen und der Lehrburschen folgte ihm nach. Nur der alte Valentin faltete die Hände, sah gedankenvoll vor sich hin und sprach:»Gemerkt hab ich wohl, dass der gute Gesell Höheres im Sinn trug als unsre Fäser.«Frau Marthe weinte sehr, und ihre Buben schrien und jammerten um Friedrich, der mit ihnen freundlich gespielt und manches gute Stück Backwerk ihnen zugetragen hatte.