Beschluss
So zornig nun auch Meister Martin auf Reinhold und Friedrich sein mochte, gestehen musst er doch sich selbst, dass mit ihnen alle Freude, alle Lust aus der Werkstatt gewichen. Von den neuen Gesellen erfuhr er täglich nichts als Ärgernis und Verdruss. Um jede Kleinigkeit musste er sich kümmern und hatte Mühe und Not, dass nur die geringste Arbeit gefördert wurde nach seinem Sinn. Ganz erdrückt von den Sorgen des Tages, seufzte er dann oft:»Ach Reinhold, ach Friedrich, hättet ihr doch mich nicht so schändlich hintergangen, wäret ihr doch nur tüchtige Küper geblieben!«Es kam so weit, dass er oft mit dem Gedanken kämpfte, alle Arbeit gänzlich aufzugeben.
In solch düsterer Stimmung saß er einst am Abend in seinem Hause, als Herr Jakobus Paumgartner und mit ihm Meister Johannes Holzschuer ganz unvermutet eintraten. Er merkte wohl, dass nun von Friedrich die Rede sein würde, und in der Tat lenkte Herr Paumgartner sehr bald das Gespräch auf ihn, und Meister Holzschuer fing denn nun gleich an, den Jüngling auf alle nur mögliche Art zu preisen. Er meinte, gewiss sei es, dass bei solchem Fleiß, bei solchen Gaben, Friedrich nicht allein ein trefflicher Goldschmied werden, sondern auch als herrlicher Bildgießer geradezu in Peter Vischers Fußstapfen treten müsste. Nun begann Herr Paumgartner heftig über das unwürdige Betragen zu schelten, dass der arme Gesell von Meister Martin erlitten, und beide drangen darauf, dass, wenn Friedrich ein tüchtiger Goldschmied und Bildgießer geworden, er ihm Rosa, falls nämlich diese dem von Liebe ganz durchdrungenen Friedrich hold sei, zur Hausfrau geben solle. Meister Martin ließ beide ausreden, dann zog er sein Käpplein ab du sprach lächelnd:»Ihr lieben Herren, nehmt euch des Gesellen wacker an, der mich auf schändliche Weise hintergangen hat. Doch will ich ihm das verzeihen, verlangt indessen nicht, dass ich um seinetwillen meinen festen Entschluss ändere, mit Rosa ist es nun einmal ganz und gar nichts.«In diesem Augenblick trat Rosa hinein, leichenblass, mit verweinten Augen, und setzte schweigend Trinkgläser und Wein auf den Tisch.»Nun«, begann Herr Holzschuer,»nun, so muss ich denn wohl dem armen Friedrich nachgeben, der seine Heimat verlassen will auf immer. Er hat ein schönes Stück Arbeit gemacht bei mir, das will er, wenn Ihr es, lieber Meiser, erlaubt, Eurer Rosa verehren zum Gedächtnis, schaut es nur an.«Damit holte Meister Holzschuer einen kleinen, überaus künstlich gearbeiteten silbernen Pokal hervor und reichte ihn dem Meister Martin hin, der, großer Freund von köstlicher Gerätschaft, ihn nahm und wohlgefällig von allen Seiten beäugelte. In der Tat konnte man auch kaum herrlichere Silberarbeit sehen als eben dies kleine Gefäß. Zierliche Ranken von Weinblättern und Rosen schlangen sich ringsherum, und aus den Rosen, aus den brechenden Knospen schauten liebliche Engel, so wie inwendig auf dem vergoldeten Boden sich anmutig liebkosende Engel graviert waren. Goss man nun hellen Wein in den Pokal, so war es, als tauchten die Engelein auf und nieder in lieblichem Spiel.»Das Gerät«, sprach Meister Martin,»ist in der Tat gar zierlich gearbeitet, und ich will es behalten, wenn Friedrich in guten Goldstücken den zweifachen Wert von mir annimmt.«Dies sprechend, füllte Meister Martin den Pokal und setzte ihn an den Mund. In demselben Augenblick öffnete sich leise die Tür, und Friedrich, den tötenden Schmerz ewiger Trennung von dem Liebsten auf Erden im leichenblassen Antlitz, trat in dieselbe. Sowie Rosa ihn gewahrte, schrie sie laut auf mit schneidendem Ton:»O mein liebster Friedrich!«und stürzte ihm halb entseelt an die Brust. Meister Martin setzte den Pokal ab, und als er Rosa in Friedrich Armen erblickte, riss er die Augen weit auf, als sähe er Gespenster. Dann nahm er sprachlos den Pokal wieder und schaute hinein. Dann rafft er sich vom Stuhl in die Höhe und rief mit starker Stimme:»Rosa - Rosa, liebst du den Friedrich?«-»Ach«, lispelte Rosa,»ach, ich kann es ja nicht länger verhehlen, ich liebe ihn wie mein Leben, das Herz wollte mir ja brechen, als Ihr ihn verstießet.«-»So umarme deine Braut, Friedrich - ja, ja, deine Braut«, rief Meister Martin. Paumgartner und Holzschuer schauten sich, ganz verwirrt vor Erstaunen, an, Meister Martin sprach weiter, den Pokal in den Händen:»O du Herr des Himmels, ist denn nicht alles so gekommen, wie die Alte es geweissagt? „Ein glänzend Häuslein wird er bringen, wür“zge Fluten treiben drin, blanke Englein gar lustig singen - das Häuslein mit güldnem Prangen, der hat“s ins Haus getrag“n, den wirst du süßumfangen, darfst nicht den Vater frag“n, ist dein Bräut“gam minniglich!“ - O ich blöder Tor. - Da ist das glänzende Häuslein, die Engel - der Bräut“gam - hei, hei, ihr Herren, nun ist alles gut, alles gut, der Eidam ist gefunden!«-
Wessen Sinn jemals ein böser Traum verwirrte, dass er glaubte, in tiefer schwarzer Grabesnacht zu liegen, und nun erwacht er plötzlich im hellen Frühling voll Duft, Sonnenglanz und Gesang, und die, die ihm die Liebste auf Erden, ist gekommen und hat ihn umschlungen, und er schaut in den Himmel ihres holden Antlitzes, wem das jemals geschah, der begreift es, wie Friedrich zumute war, der fasst seine überschwängliche Seligkeit. Keines Wortes mächtig, hielt er Rosa fest in seinen Armen, als wolle er sie nimmer lassen, bis sie sich sanft von ihm loswand und ihn hinführte zum Vater. Da rief er:»O mein lieber Meister, ist es denn auch wirklich so? Rosa gebt ihr mir zur Hausfrau, und ich darf zurückkehren zu meiner Kunst?«-»Ja, ja«, sprach Meister Martin,»glaube es doch nur, kann ich denn anders tun, da du die Weissagung der alten Großmutter erfüllt hast? - dein Meisterstück bleibt nun liegen.«Da lächelte Friedrich, ganz verklärt von Wonne, und sprach:»nein, lieber Meister, ist es Euch recht, so vollende ich nun mit Lust und Mut mein tüchtiges Fass als meine letzte Küperarbeit und kehre dann zurück zum Schmelzofen.«-»O du mein guter braver Sohn«, rief Meister Martin, dem die Augen funkelten vor Freude,»ja, dein Meisterstück fertige, und dann gibt“s Hochzeit.«