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Die Gesichter ehrsamen Meister, die sich bei Martins stolzer Rede merklich verfinstert hatten, heiterten sich nun auf, und dem dumpfen Schweigen folgte ein fröhliches Geplapper, worin vieles von Herrn Martins hohen Verdiensten und seinem auserlesenen Keller vorkam. Alle versprachen, am Sonntag zu erscheinen, und reichten dem neuerwählten Kerzenmeister die Hände, der sie treuherzig schüttelte und wohl diesen, jenen Meister ein klein wenig an seinen Bauch drückte, als wollt er ihn umarmen. Man schied fröhlich und guter Dinge.

Was sich darauf weiter in Meister Martins Hause begab

Es traf sich, dass der Ratsherr Jakobus Paumgartner, um zu seiner Behausung zu gelangen, bei Meister Martins Hause vorüber gehen musste. Als beide, Paumgartner und Martin, nun vor der Türe dieses Hauses standen und Paumgartner weiter fortschreiten wollte, zog Meister Martin sein Mützlein vom Kopf, und sich ehrfurchtsvoll so tief neigend, als er es nur vermochte, sprach er zu dem Ratsherrn:»O wenn Ihr es doch nicht verschmähen wolltet, in mein schlechtes Haus auf ein Stündchen einzutreten, mein lieber würdiger Herr! - Lasst es Euch gefallen, dass ich mich an Euren weisen Reden ergötze und erbaue.«-»Ei, lieber Meister Martin«, erwiderte Paumgartner lächelnd,»gern mag ich bei Euch verweilen, aber warum nennt Ihr Euer Haus ein schlechtes? Ich weiß es ja, dass an Schmuck und köstlicher Gerätschaft es keiner der reichsten Bürger Euch zuvortut! Habt Ihr nicht erst vor kurzer Zeit den schönen Bau vollendet, der Euer Haus zur Zierde unserer berühmten Reichsstadt macht, und von der inneren Einrichtung mag ich gar nicht reden, denn deren dürft sich ja kein Patrizier schämen.«

Der alte Paumgartner hatte recht, denn sowie man die hell gebohnte, mit reichen Messingwerk verzierte Tür geöffnet hatte, war der geräumige Flur mit sauber ausgelegtem Fußboden, mit schönen Bildern an den Wänden, mit kunstvoll gearbeiteten Schränken und Stühlen beinahe anzusehen wie ein Prunksaal. Da folgte denn auch jeder der Weisung, die alte Sitte gemäß ein Täfelchen, das gleich neben der Türe hing, in den Versen gab:

»Wer treten will die Stiegen hinein Dem sollen die Schuhe fein sauber sein Oder vorhero streifen ab, Dass man nit drüber zu klagen hab. Ein Verständiger weiß das vorhin, Wie er sich halten soll darin.«

Der Tag war heiß, die Luft in den Stuben jetzt, da sie Abenddämmerung einbrach, schwül und dunstig, deshalb führte Meister Martin seinen edlen Gast in die geräumige kühle Prangkuchen. So hieß zu jener Zeit der Platz in den Häusern der reichen Bürger, der zwar wie eine Küche eingerichtet, aber nicht zum Gebrauch, sondern nur zur Schau mit allerlei köstlichen Gerätschaften des Hausbedarfs ausgeschmückt war. Kaum eingetreten, rief Meister Martin mit lauter Stimme:»Rosa - Rosa! - alsbald öffnete sich denn auch die Tür, und Rosa, Meister Martins einzige Tochter kam hineingegangen. -

Möchtest du, vielgeliebter Leser, in diesem Augenblick doch recht lebhaft dich der Meisterwerke unseres großen Albrecht Dürers erinnern. Möchten dir doch die herrlichen Jungfrauengestalten voll hoher Anmut, voll süßer Milde und Frömmigkeit, wie sie dort zu finden, recht lebendig aufgehen. Denk an den edlen zarten Wuchs, an die schön gewölbte lilienweiße Stirn, an das Inkarnat, das wie Rosenhauch die Wangen überfliegt, an die feinen kirschrot brennenden Lippen, an das in frommer Sehnsucht hinschauende Auge, von dunkler Wimper halb verhängt, wie Mondesstrahl von düsterm Laube - denk an das seidne Haar, in zierlichen Flechten kunstreich aufgenestelt - denk an alle Himmelschönheit jener Jungfrauen, und die schaust die holde Rosa. Wer vermöchte auch sonst der Erzähler dir das liebe Himmelskind zu schildern? - Doch sei es erlaubt, hier noch eines wackern jungen Künstlers zu gedenken, in dessen Brust ein leuchtender Strahl aus jener schönen alten Zeit gedrungen. Es ist der deutsche Maler Cornelius in Rom gemeint. -»Bin weder Fräulein noch schön!«- So wie in Cornelius“ Zeichnungen zu Goethes gewaltigem»Faust«Margarete anzuschauen ist, als sie diese Worte spricht, so mochte auch wohl Rosa anzusehen sein, wenn sie in frommer züchtiger Scheu übermütigen Bewerbungen auszuweichen sich gedrungen fühlte.

Rosa verneigte sich in kindlicher Demut vor Paumgartner, ergriff seine Hand und drückte sie an ihre Lippen. Die blassen Wangen des alten Herrn färbten sich hochrot, und wie der Abendschein, im Versinken noch einmal aufflackernd, das schwarze Laub plötzlich vergoldet, so blitzte das Feuer längst vergangener Jugend auf in seinen Augen.»Ei«, rief er mit heller Stimme,»ei, mein lieber Meister Martin, Ihr seid ein wohlhabender, ein reicher Mann, aber die schönste Himmelsgabe, die Euch der Herr beschert hat, ist dich Eure holde Tochter Rosa. Geht uns alten Herren, wie wir alle im Rat sitzen, das Herz auf, und können wir nicht die blöden Augen wegwenden, wenn wir das liebe Kind schauen, wer mag“s denn den jungen Leuten verargen, dass sie versteinert und erstarrt stehen bleiben, wenn sie auf der Straße Eurer Tochter begegnen, dass sie in der Kirche Eure Tochter sehen, aber nicht den geistlichen Herrn, dass sie auf der Allerwiese, oder wo es sonst ein Fest gibt, zum Verdruss aller Mägdlein nur hinter Eurer Tochter her sind mit Seufzern, Liebesblicken und honigsüßen Reden. - Nun, Meister Martin, Ihr möget Euch Euren Eidam wählen unter unsern jungen Patriziern, oder wo Ihr sonst wollet.«

Meister Martins Gesicht verzog sich in finstre Falten, er gebot der Tochter, edlen alten Wein herzubringen, und sprach, als sie, über und über glühend im Gesicht, den Blick zu Boden gesenkt, fortgegangen, zu dem alten Paumgartner:»Ei, mein lieber Herr, es ist zwar in der Wahrheit, dass mein Kind geschmückt ist mit ausnehmender Schönheit und dass auch hierin mich der Himmel reich gemacht hat, aber wie mögt Ihr denn davon sprechen in des Mägdlein Gegenwart, und mit dem Eidam Patrizier ist es nun ganz und gar nichts.«-»Schweigt«, erwiderte Paumgartner lachend,»schweigt, Meister Martin, wovon das Herz voll ist, davon geht der Mund über! - glaubt Ihr denn nicht, dass mir auch das träge Blut im alten Herzen zu hüpfen beginnt, wenn ich Rosa sehe, und wenn ich dann treuherzig heraussage, was sie ja selbst recht gut wissen muss, daraus wird kein Arges entstehen.«

Rosa brachte den Wein und zwei stattliche Trinkgläser herbei. Martin rückte dagegen den schweren, mit wunderlichem Schnitzwerk verzierten Tisch in die Mitte. Kam hatten die alten Herrn indessen Platz genommen, kaum hatte Meister Martin die Gläser voll geschenkt, als sich ein Pferdegetrappel vor dem Hause vernehmen ließ. Es war, als hielte ein Reuter an, dessen Stimme im Flur laut wurde; Rosa eilte hinab und kam bald mit der Nachricht zurück, der alte Junker Heinrich von Spangenberg sei da und wünsche bei dem Meister Martin einzusprechen.»Nun«, rief Martin,»so ist das heute ein schöner, glücklicher Abend, da mein wackerer ältester Kundmann bei mir einkehrt. Gewiss neue Bestellungen, gewiss soll ich neu auflagern.«- Und damit eilte er, so schnell als es gehen wollte, dem willkommenen Gast entgegen.

Wie Meister Martin sein Handwerk über alle andere erhob

Der Hochheimer perlte in den schmucken geschliffenen Trinkgläsern und erschloss den drei Alten Zunge und Herz. Zumal wusste der alte Spangenberg, bei hohen Jahren noch von frischem Lebensmut durchdrungen, manchen lustigen Schwank aus froher Jugendzeit aufzutischen, so dass Meister Martins Bauch weidlich wackelte und er vor ausgelassenem Lachen sich ein Mal über das andere Tränen aus den Augen wischen musste. Auch Herr Paumgartner vergaß mehr als sonst den ratsherrlichen Ernst und tat sich gütlich mit dem edlen Getränk und dem lustigen Gespräch. As nun Rosa wider eintrat, den saubern Handkorb unter dem Arm, aus dem sie Tischzeug langte, blendendweiß, wie frisch gefallener Schnee; als sie, mit häuslicher Geschäftigkeit hin und her trippelnd, den Tisch deckte und ihn mit allerlei würzreichen Speisen besetzte, als sie mit holdem Lächeln die Herren einlud, nun auch nicht zu verschmähen, was in der Eil bereitet worden, da schwieg Gespräch und Gelächter. Beide, Paumgartner und Spangenberg, wandten die leuchtenden Blicke nicht ab von der lieblichen Jungfrau, und selbst Meister Martin schaute, zurückgelehnt in den Sessel, die Hände zusammengefaltet, ihrem wirtlichen Treiben zu mit behaglichem Lächeln. Rosa wollte sich entfernen, da sprang aber der alte Spangenberg rasch auf wie ein Jüngling, fasste das Mädchen bei beiden Schultern und rief, indem die hellen Tränen ihm aus den Augen rannen, ein Mal über das andere:»O du frommes holdes Engelskind - du herziges liebes Mägdlein«, dann küsste er sie zwei-, dreimal auf die Stirne und kehrte auf seinen Platz zurück. Paumgartner brachte Rosas Gesundheit aus. -»Ja«, fing Spangenberg an, als Rosa hinaus gegangen,»ja, Meister Martin, der Himmel hat Euch in Eurer Tochter ein Kleinod beschert, das Ihr gar nicht hoch genug schätzen könnet. Sie bringt Euch noch zu hohen Ehren, sei es auch welchem Stande es wolle, möchte nicht Euer Eidam werden?«-»Seht Ihr wohl«, fiel Paumgartner ein,»seht Ihr wohl, Meister Martin, dass der edle Herr von Spangenberg ganz so denkt wie ich? - Ich sehe schon meine liebe Rosa als Patrizierbraut mit dem reichen Perlenschmuck in den schönen blonden Haaren.«-»Liebe Herren«, fing Meister Martin ganz verdrießlich an,»liebe Herren, wie möget ihr denn nur immer von einer Sache reden, an dich ich zur Zeit noch gar nicht denke. Mein Rosa hat nun das achtzehnte Jahr erreicht, und solch ein blutjunges Ding darf noch nicht ausschaue nach dem Bräutigam. Wie es sich künftig fügen mag, überlasse ich ganz dem Willen des Herrn, aber so viel ist gewiss, dass weder ein Patrizier noch ein anderer meiner Tochter Hand berühren wird als der Küper, der sich mir als den tüchtigsten geschicktesten Meister bewährt hat. Vorausgesetzt, dass ihn meine Tochter mag, denn zwingen werde ich mein liebes Kind zu nichts in der Welt, am wenigsten zu einer Heirat, die ihr nicht ansteht.«Spangenberg und Paumgartner schauten sich an, voll Erstaunen über diesen seltsamen Ausspruch des Meisters. Endlich nach einigem Räuspern fing Spangenberg an:»Also aus Eurem Stande heraus soll Eure Tochter nicht freien?«-»Gott soll sie dafür bewahren«, erwiderte Martin.»Aber«, fuhr Spangenberg fort,»wenn nun ein junger, tüchtiger Meister aus einem edlen Handwerk, vielleicht ein Goldschmied oder gar ein junger wackrer Künstler um Eure Rosa freite und ihr ganz ausnehmend gefiele vor allen andern jungen Gesellen, wie dann?«-»Zeigt mir«, erwiderte Martin, indem er den Kopf in den Nacken warf,»Zeigt mir, lieber junger Gesell, würde ich sprechen, das schöne zweifudrige Fass, welches Ihr als Meisterstück gebaut habt, und wenn er das nicht könne, würd ich freundlich die Tür öffnen und ihn höflichst bitten, doch sich anderswo zu versuchen.«-»Wenn aber«, sprach Spangenberg weiter,»wenn aber der junge Gesell spräche: „Solch einen kleinen Bau kann ich Euch nicht zeigen, aber kommt mit mir auf den Markt, schaut jenes stattliche Haus, das die schlanken Gipfel kühn empor streckt in die hohen Lüfte - das ist mein Meisterbau.«-»Ach, lieber Herr«, unterbrach Meister Martin ungeduldig Spangenbergs Rede,»ach, lieber Herr, was gebt Ihr Euch denn für Mühe, mich eines andern zu überzeugen. Aus meinem Handwerk soll nun einmal mein Eidam sein, denn mein Handwerk halt ich für das Herrlichste, was es auf der Welt geben kann. Glaubt Ihr denn, dass es genug ist, die Bände aufzutreiben auf die Dauben, damit das Fass zusammen halte? Ei, ist es nicht schon herrlich und schön, dass unser Handwerk den Verstand voraus setzt, wie man die schöne Himmelsgabe, den edlen Wein, hegen und pflegen muss, damit er gedeihe und mit aller Kraft und Süßigkeit, wie ein wahrer, glühender Lebensgeist, uns durchdringe? Aber dann der Bau der Fässer selbst. Müssen wir, soll der Bau gelingen, nicht erst alles fein abzirkeln und abmessen? Wir müssen Rechenmeister und Messkünstler sein, denn wie möchten wir sonst Proportion und Gehalt der Gefäße einsehen. Ei, Herr, mir lacht das Herz im Leibe, wenn ich solch ein tüchtig Fass auf den Endstuhl bringe, nachdem die Stäbe mit den Klöbeisen und dem Lenkbeil tüchtig bereitet, wenn dann die Gesellen die Schlägel schwingen und klipp, klapp, - klipp, klapp, es niederfällt auf die Treiber, hei! Das ist lustige Musik. Da steht nun das wohl geratene Gebäude, und wohl mag ich ein wenig stolz umschauen, wenn ich den Reißler zur Hand nehme und mein Handwerkszeichen, gekannt und geehrt von allen wackren Weinmeistern, in des Fasses Boden einreiße. - Ihr spracht von Baumeistern, lieber Herr, ei nun, solch ein stattliches Haus ist wohl ein herrliches Werk, aber wär ich ein Baumeister, ginge ich vor meinem Werke vorüber und oben vom Erker schaute irgendein unsaubrer Geist, ein nichtsnutziger schuftiger Geselle, der das Haus erworben, auf mich herab, ich würde mich schämen ins Innerste hinein, mir würde vor lauter Ärger und Verdruss die Lust ankommen, mein eignes Werk zu zerstören. Doch so etwas kann mir nicht geschehen mit meinen Gebäuden. Da drinnen wohnt ein für allemal nur der sauberste Geist auf Erden, der edle Wein. - Gott lobe mir mein Handwerk.«-»Eure Lobrede«, sprach Spangenberg,»war recht tüchtig und wacker gemeint. Es macht Euch Ehre, wenn Ihr Eurer Handwerk recht hoch haltet, aber werdet nur nicht ungeduldig, wenn ich Euch noch nicht los lassen kann. Wenn nun doch wirklich ein Patrizier käme und um Eure Tochter anhielte? - Wenn das Leben einem so recht auf den Hals tritt, da gestaltet sich denn wohl manches ganz anders, als wie man es geglaubt.«-»Ach«, rief Meister Martin ziemlich heftig,»ach, wie könnt ich denn anders tun, als mich höflich neigen und sprechen: „Lieber Herr, wäret Ihr ein tüchtiger Küper, aber so“«-»Hört weiter«, fiel ihm Spangenberg in die Rede,»wen aber nun gar an einem schönen Tage ein schmucker Junker auf stolzem Pferde, mit glänzendem Gefolge, in prächtigen Kleidern angetan, vor Eurem Hause hielt und begehrt Eure Rosa zur Hausfrau?«-»Hei, hei«, rief Meister Martin noch heftiger als vorher,»hei, hei, wie würd ich hastig, wie ich nur könnte, rennen und die Haustür versperren mit Schlössern und Riegeln - wie würd ich rufen und schreien: „Reitet weiter! Reitet weiter, gestrenger Herr Junker, solche Rosen wie die meinige blühen nicht für Euch, ei, mein Weinkeller, meine Goldbatzen mögen Euch anstehen, das Mägdlein nehmt Ihr in den Kauf - aber reitet weiter! Reitet weiter!“«- Der alte Spangenberg erhob sich, blutrot im ganzen Gesicht, er stemmte beide Hände auf den Tisch und schaute vor sich nieder.»Nun«, fing er nach einer Weile an,»nun noch die letzte Frage, Meister Martin. Wenn der Junker vor Eurem Hause mein eigner Sohn wäre, wenn ich selbst mit ihm vor Eurem Hause hielte, würdet Ihr da auch die Tür verschlissen, würdet Ihr da auch glauben, wir wären nur gekommen Eures Weinkellers, Eurer Goldbatzen wegen?«-»Mitnichten«, erwiderte Meister Martin,»mitnichten, mein gnädiger Herr, ich würde Euch freundlich die T