Und als sie dies Lied ausgesungen hat, legt sie das Kind leise und behutsam auf das Deckbett nieder, und die welke zitternde Hand auf seine Stirn gelegt, lispelt sie unverständliche Worte, aber das ganz verklärte Antlitz der Alten zeigt wohl, dass sie Gebete spricht. Nun sinkt sie nieder mit dem Kopfe auf die Bettkissen, und in dem Augenblick, als die Amme das Kind fortträgt, seufzt sie tief auf. Sie ist gestorben!«-»Das ist«, sprach Paumgartner, als Meister Martin schwieg,»das ist eine wunderbare Geschichte, aber dich sehe ich gar nicht ein, wie das weissagende Lied der alten Großmutter mit Eurem starrsinnigen Vorsatz, Rosa nur einem Küpermeister geben zu wollen, zusammen hängen kann.«-»Ach«, erwiderte Meister Martin,»was kann denn klarer sein, als dass die Alte im letzten Augenblick ihres Lebens von dem Herrn ganz besonders erleuchtet, mit weissagender Stimme verkündet, wie es mit Rosa, sollte sie glücklich sein, sich fügen müsse. Der Bräutigam, der mit dem blanken Häuslein Reichtum, Glück, Heil und Hort ins Haus bringt: wer kann das anders sein als der tüchtige Küper, der bei mir sein Meisterstück, sein blankes Häuslein gefertigt hat? In welchem andern Häuslein treiben würzige Fluten als in einem Weinfass? Und wen der Wein arbeitet, dann rauscht und summt es wohl auch und plätschert, das sind die lieben Englein, die in den Fluten auf- und abfahren und lustige Liedlein singen. Ja, ja! - keinen andern Bräutigam hat die alte Großmutter gemeint als den Küpermeister, und dabei soll es denn auch bleiben.«-»Ihr erklärt«, so sprach Paumgartner,»Ihr erklärt, lieber Meister Martin, die Worte der alten Großmutter nun einmal nach Eurer Weise. Mir will Eure Deutung gar nicht recht zu Sinn, und ich bleibe dabei, dass Ihr alles der Fügung des Himmels und dem Herzen Eurer Tochter, in dem gewiss der richtige Ausspruch verborgen liegt, lediglich überlassen solt.«-»Und ich!, fiel Martin ungeduldig ein,»ich bleibe dabei, dass mein Eidam nun ein für allemal kein anderer sein soll als ein tüchtiger Küper!«Paumgartner wäre beinahe zornig geworden über Martins Eigensinn, doch hielt er an sich und stand auf vom Sitze, indem er sprach: «Es ist spät geworden, Meister Martin, lasst uns jetzt aufhören mit Trinken und Reden, beides scheint uns nicht mehr dienlich zu sein.«- Als sie nun hinaus traten auf den Flur, stand ein junges Weib da mit fünf Knaben, von denen der älteste kaum acht, der jüngste kaum ein halbes Jahr alt sein mochte. Das Weib jammerte und schluchzte. Rosa eilte den Eintretenden entgegen und sprach:»Ach Gott im Himmel, Valentin ist nun doch gestorben, dort steht sein Weib mit den Kindern.«-»Was? - Valentin ist gestorben?«rief der Meister Martin ganz bestürzt -»ei, über das Unglück - über das Unglück! - Denkt Euch«, wandte er sich dann zu Paumgartner,»denkt Euch, würdiger Herr! Valentin war der geschickteste Geselle, den ich in der Arbeit hatte, und dabei fleißig und fromm. Vor einiger Zeit verwundete er sich bei dem Bau eines großen Fasses gefährlich mit dem Lenkbeil, die Wunde wurde schlimmer und schlimmer, er verfiel in ein heftiges Fieber und hat nun gar sterben müssen in seinen blühendsten Jahren.«Darauf schritt Meister Martin zu auf das trostlose Weib, die, in Tränen gebadet, klagte, dass sie nun wohl verderben werde in Not und Elend.»Was«, sprach Martin,»was gedenkt Ihr denn von mir? In meiner Arbeit brachte sich Euer Mann die gefährliche Wunde bei, und ich sollte Euch verlasen in Eurer Not? - Nein, ihr alle gehört fortan zu meinem Hause. Morgen, oder wenn Ihr wollt, begraben wir Euern armen Mann, und zieht Ihr mir Euern Knaben auf meinen Meierhof vor dem Frauentor, wo ich meine schöne offne Werkstatt habe und täglich mit meinen Gesellen arbeite. Da könnt Ihr dann meiner Hauswirtschaft vorstehen, und eure tüchtigen Knaben will ich erziehen, als wären es meine eigenen Söhne. Und dass Ihr“s nur wisst, Euren alten Vater nehme ich auch in mein Haus. Das war sonst ein tüchtiger Küpergeselle, als er noch Kraft in den Armen hatte. Nun! - wenn er auch nicht mehr Schlägel, Kimmkeule oder Bandhake regieren oder auf der Fügbank arbeiten kann, so ist er doch wohl noch des Degsels mächtig oder schabt mir mit dem Krummesser die Bände aus. Genug, er soll mit Euch zusammen in meinem Hause aufgenommen sein.«Hätte Meister Martin das Weib nicht erfasst, sie wäre ihm vor Schmerz und tiefer Rührung beinahe entseelt zu Füßen gesunken. Die ältesten Jungen hingen sich an sein Wams, streckten die Händchen nach ihm aus, als hätten sie alles verstanden. Der alte Paumgartner sprach lächelnd, indem ihm helle Tränen in den Augen standen:»Meister Martin, man kann Euch nicht gram werden«, und begab sich dann nach seiner Behausung.
Wie die beiden jungen Gesellen, Friedrich und Reinhold, miteinander bekannt wurdenы
Auf einer schönen grasichten, von hohen Bäumen beschatteten Anhöhe lag ein junger Gesell von stattlichem Ansehen, Friedrich geheißen. Die Sonne war schon herabgesunken, und rosige Flammen leuchteten auf aus dem tiefen Himmelsgrunde. Ganz deutlich konnte man in der Ferne die berühmte Reichsstadt Nürnberg sehen, die sich im Tale ausbreitete und ihre stolzen Türme kühn in das Abendrot hinauf streckte, das sein Gold ausströmte auf ihre Spitzen. Der junge Gesell hatte den Arm gestützt auf das Reisebündel, das neben ihm lag, und schaute mit sehnsuchtsvollen Blicken herab in das Tal. Dann pflückte er einige Blumen, die um ihn her in dem Grase standen, und warf sie in die lüfte dem Abendrot zu, dann sah er wieder traurig vor sich hin, und heiße Tränen perlten in seinen Augen. Endlich erhob er den Kopf, breitete beide Ärme aus, als wolle er eine geliebte Gestalt umfangen, und sang mit heller, gar lieblicher Stimme folgendes Lied:
Nachdem Friedrich dies Lied gesungen, zog er aus seinem Reisebündel ein Stücklein Wachs hervor, erwärmte es an seiner Brust und begann eine schöne Rose mit hundert feinen Blättern sauber und kunstvoll auszukneten. Während der Arbeit summt er einzelne Strophen aus dem Liede vor sich hin, das er gesungen, und so ganz in sich selbst vertieft, bemerkte er nicht den hübschen Jüngling, der schon lange hinter ihm stand und emsig seiner Arbeit zuschaute.»Ei, mein Freund, das ist ein sauberes Stück, was Ihr da formt.«Friedrich schaute ganz erschrocken um sich, als er aber dem fremden Jüngling in die dunklen freundlichen Augen sah, war es ihm, als kenne er ihn schon lange; lächelnd erwiderte er:»Ach lieber Herr, wie möget Ihr nur eine Spielerei beachten, die mit zum Zeitvertreibe dient auf der Reise.«-»Nun«, fuhr der fremde Jüngling fort,»nun, wenn Ihr die so getreulich der Natur zartgeformte Blume eine Spielerei nennt, so müsst Ihr ein gar wackrer geübter Bildner sein. Ihr ergötzt mich auf doppelte Art. Erst drang mir Euer Lied, das Ihr nach der zarten Buchstabenweis Martin Häschers so lieblich absanget, recht durch die Brust, und jetzt muss ich Eure Kunstfertigkeiten im Formen hoch bewundern. Wo gedenkt Ihr denn noch heute hinzuwandern?«-»Das Ziel«, erwiderte Friedrich,»das Ziel meiner Reise liegt dort uns vor Augen. Ich will hin nach meiner Heimat, nach der berühmten Reichsstadt Nürnberg. Doch die Sonne ist schon tief hinab gesunken, deshalb wollt ich unten im Dorfe übernachten, morgen in aller Frühe geht“s dann fort, und zu Mittag kann ich in Nürnberg sein.«-»Ei«, rief der Jüngling freudig,»ei, wie sich das so schön trifft, wir haben denselben Weg, auch ich will nach Nürnberg. Mit Euch übernachte ich auch hier im Dorfe, und dann ziehen wir morgen weiter. Nun lasst uns noch eins plaudern.«Der Jüngling, Reinhold geheißen, warf sich neben Friedrich ins Gras und fuhr dann fort:»Nicht wahr ich irre mich nicht, Ihr seid ein tüchtiger Gießkünstler, das merk ich an der Art zu modellieren, oder Ihr arbeitet in Gold und Silber?«Friedrich sah ganz traurig vor sich nieder und fing dann kleinmütig an:»Ach, lieber Herr, Ihr haltet mich für etwas viel Besseres und Höheres, als ich wirklich bin. Ich will es Euch nur gerade hin sagen, dass ich die Küperprofession erlernt habe und nach Nürnberg zu einem bekannten Meister in die Arbeit gehen will. Ihr werdet mich nun wohl verachten, da ich nicht herrliche Bilder zu modellieren und zu gießen vermag, sondern nur Reife um Fässer und Kufen schlage.«Reinhold lachte laut auf und rief:»Nun, das ist in der Tat lustig. Ich soll Euch verachten, weil Ihr ein Küper seid, und ich - ich bin ja selbst gar nichts anders als das.«Friedrich blickte ihn starr an, er wusste nicht, was er glauben sollte, denn Reinholds Aufzug passte freilich zu nichts weniger als zu einem reisenden Küpergesellen. Das Wams von feinem schwarzen Tuch, mit gerissenem Samt besetzt, die zierliche Halskrause, das kurze breite Schwert, das Barett mit einer langen herab hängenden Feder ließen eher auf einen wohl begüterten Handelsmann schließen, und doch lag wieder in dem Antlitz, in der ganzen Gestalt des Jünglings ein wunderbares Etwas, das dem Gedanken an den Handelsmann nicht Raum gab. Reinhold merkte Friedrichs Zweifel, er riss sein Reisebündel auf, holte das Küperschurzfell, sein Messerbesteck hervor und rief:»Schau doch her, mein Freund, schau doch nur her! - zweifelst du noch daran dass ich dein Kamerad bin? - Ich weiß, dir ist mein Aufzug befremdlich, aber ich komme von Straßburg, da gehen die Küper stattlich einher wie Edelleute. Freilich hatte ich sonst, gleich dir, auch wohl Lust zu etwas anderm, aber nun geht mir das Küperhandwerk über alles, und ich habe manch schöne Lebenshoffnung darauf gestellt. Geht“s dir nicht auch so, Kamerad? - Aber beinahe scheint es mir, als habe sich unversehens ein düstrer Wolkenschatten in dein heiteres Jugendleben hinein gehängt, vor dem du nicht fröhlich um dich zu blicken vermagst. Das Lied, das du vorhin sangst war voll Liebessehnsucht und Schmerz, aber es kamen Klänge darin vor, die wie aus meiner eigenen Brust hervor leuchteten, und es ist mir, als wisse ich schon alles, was in dir verschlossen. Um so mehr magst du mir alles vertrauen, werden wie denn nicht ohnedies in Nürnberg wackre Kumpane sein und bleiben?«Reinhold schlang einen Arm um den Friedrich und sah ihm freundlich ins Auge. Darauf sprach Friedrich:»Je mehr ich dich anschaue, frommer Geselle, desto stärker zieht es mich zu dir hin, ich vernehme deutlich die wunderbare Stimme in meinem Innern, die wie ein treues Echo widerklingt vom Ruf des befreundeten Geistes. Ich muss dir alles sagen! - Nicht als ob ich armer Mensch dir wichtige Geheimnisse zu vertrauen hätte, aber weil nur die Brust des treuesten Freundes Raum gibt dem fremden Schmerz und ich in den ersten Augenblicken unsrer jungen Bekanntschaft dich eben für meinen treuesten Freund halte. - Ich bin nur ein Küper worden und darf mich rühmen, mein Handwerk zu verstehen, aber einer andern, wohl schönern Kunst war mein ganzer Sinn zugewandt von Kindheit auf. Ich wollte ein großer Meister im Bildergießen und in der Silberarbeit werden, wie Peter Vischer oder der italienische Benvenuto Cellini. Mit glühendem Eifer arbeitete ich beim Herrn Johannes Holzschuer, dem berühmten Silberarbeiter in meiner Heimat, der, ohne gerade selbst Bilder zu gießen, mir doch alle Anleitung dazu geben wusste. In Herrn Holzschuers Haus kam nicht selten Herr Tobias Martin, der Küpermeister, mit seiner Tochter, der holdseligen Rosa. Ohne dass ich es selbst ahnete, kam ich in Liebe. Ich verließ die Heimat und ging nach Augsburg, um die Bildergießerei recht zu erlernen, aber nun schlugen erst recht die hellen Liebesflammen in meinem Innern auf. Ichs ah und hörte nur Rosa; alles Streben, alles Mühen, das nicht zu ihrem Besitz führte, ekelte mich an. Den einzigen Weg schlug ich ein. Meister Martin gibt seine Tochter nur dem Küper, der in seinem Hause das tüchtigste Meisterstück macht und übrigens der Tochter wohl ansteht. Ich warf meine Kunst bei Seite und erlernte das Küperhandwerk. Ich will hin nach Nürnberg und bei Meister Martin in Arbeit gehen. Aber nun die Heimat vor mir liegt uns Rosas Bild recht in lebendigem Glühen mir vor Augen steht, nun möchte ich vergehen in Zagen, Angst und Not. Nun seh ich klar Törichte meines Beginnens. Weiß ich“s denn, ob Rosa mich liebt, ob sie mich jemals lieben wird?«- Reinhold hatte Friedrichs Geschichte mit steigender Aufmerksamkeit angehört. Jetzt stütze er den Kopf auf den Arm, und indem er die flache Hand vor die Augen hielt fragte er dumpf und düster:»Hast Rosa euch denn niemals Zeichen der Liebe gegeben?«-»Ach«, erwiderte Friedrich,»ach, Rosa war als ich Nürnberg verließ, mehr Kind als Jungfrau. Sie mochte mich zwar gern leiden, sie lächelte mich gar holdselig an, wenn ich in Herrn Holzschuers Garten unermüdlich mit ihr Blumen pflückte und Kränze wand, aber«-»Nun, so ist ja noch gar keine Hoffnung verloren«, rief auf einmal Reinhold so heftig mit solch widrig grellender Stimme, dass Friedrich sich fast entsetzte. Dabei rafft er sich auf, das Schwert klirrte an seiner Seite, und als er nun hoch aufgerichtet dastand, fielen die tiefen Nachtschatten auf sein verblasstes Antlitz und verzerrten die milden Züge des Jünglings auf recht hässliche Weise, so dass Friedrich ganz ängstlich rief:»Was ist dir denn nun auf einmal geschehen?«Dabei trat er ein paar Schritte zurück und stieß mit dem Fuß an Reinholds Reisebündel. Da rauschte aber ein Saitenklang auf, und Reinhold rief zornig:»Du böser Geselle, zerbrich mir nicht meine Laute.«Das Instrument war in dem Reisebündel befestigt, Reinhold schnallte es los und griff stürmisch hinein, als wolle er alle Saiten zersprengen. Bald wurde aber das Spiel sanft und melodisch.»Lass uns«, sprach er ganz in dem milden Ton wie zuvor,»lass uns, lieber Bruder, nun hinab gehen in das Dorf. Hier trage ich ein gutes Mittel in den Händen, die bösen Geister zu bannen, die uns etwa in den Weg treten und vorzüglich mir was anhaben könnten.«-»Ei, lieber Bruder«, erwiderte Friedrich,»was sollten uns denn auf unserm Wege böse Geister anhaben? Aber dein Spiel ist gar lieblich, fahr nur damit fort.«- Die goldnen Ster