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Das Lied gefiel allen über die Maßen wohl, aber keinem so sehr als dem Meister Martin, dem die Augen vor Freude und Entzücken glänzten. Ohne auf Vollrad zu achten, der beinah zuviel von der stumpfen Schoßweis Hans Müllers sprach, die der Geselle gut genug getroffen - ohne auf ihn zu achten, stand Meister Martin auf von seinem Sitze und schrie, indem er sein Passglas in die Höhe hob:»Komm her - du wackrer Küper und Meistersinger - komm her, mit mir, mit deinem Meister Martin, sollst du dies Glas leeren!«Reinhold musste tun, wie ihm geboten. Als er zu seinem Platz zurückkehrte, raunte er dem tiefsinnigen Friedrich ins Ohr.»Nun musst du singen - sing das Lied von gestern abend.«-»Bist du rasend?«erwiderte Friedrich ganz entzürnt. Da sprach Reinhold mit lauter Stimme zur Gesellschaft:»Ihr ehrbaren Herren und Meister Hier mein lieber Bruder Friedrich ist noch viel schönerer Lieder mächtig und hat eine viel lieblichere Stimme als ich, aber die Kehle ist ihm verstaubt von der Riese, und da wird er ein andermal seine Lieder in den herrlichsten Weisen euch auftischen!«Nun fielen alle mit Lobeserhebungen über Friedrich her, als ob er schon gesungen hätte. Manche Meister meinten sogar endlich, dass seine Stimme in der Tat noch lieblicher sei, als die des Gesellen Reinhold, so wie Herr Vollrad, nachdem er noch ein volles Glas geleert hatte, überzeugt war, dass Friedrich doch die deutschen schönen Weisen besser treffe als Reinhold, der ganz zuviel Italisches an sich habe. Aber Meister Martin warf den Kopf in den Nacken, schlug sich auf den runden Bauch, dass es klatschte, und rief:»Das sind nun meine Gesellen - meine, sag ich, des Küpermeisters Tobias Martin zu Nürnberg Gesellen!«- Und alle Meister nickten mit den hohen Trinkgläsern nippend:»Ja, ja! - Eure, des Meister Martins brave, wackre Gesellen!«- Man begab sich endlich zur Ruhe, Reinhold und Friedrich, jedem wies Meister Martin eine schmucke helle Kammer in seinem Hause an.

Wie der dritte Gesell zum Meister Martin ins Haus kam, und was sich darauf weiter begab

Als die beiden Gesellen Reinhold und Friedrich einige Wochen hindurch in Meister Martins Werkstatt gearbeitet hatten, bemerkte dieser, dass, was Messung mit Lineal und Zirkel, Berechnung und richtiges Augenmaß betraf, Reinhold wohl seinesgleichen suchte, doch anders war es bei der Arbeit auf der Fügbank, mit dem Lenkbeil oder mit dem Schlägel. Da ermattete Reinhold sehr bald, und das Werk förderte nicht, er mochte sich mühen, wie er wollte. Friedrich dagegen hobelte und hämmerte frisch darauf los, ohne sonderlich zu ermüden. Was sie aber miteinander gemein hatten, war ein sittiges Betragen, in das, vorzüglich auf Reinholds Anlass, viel unbefangene Heiterkeit und gemütliche Lust kam. Dazu schonten sie in voller Arbeit, zumal wen die holde Rosa zugegen war, nicht ihre Kehlen, sondern sangen mit ihren lieblichen Stimmen, die gar anmutig zusammen gingen, manches herrliche Lied. Und wollte dann auch Friedrich, indem er hinüber schielte nach Rosen, in den schwermütigen Ton verfallen, so stimmte Reinhold sogleich ein Spottlied an, das er ersonnen und das anfing:»Das Fass ist nicht die Zither, die Zither nicht das Fass«, so dass der alte Herr Martin oft den Degsel, den er schon zum Schlage erhoben, wieder sinken ließ und sich den wackelnden Bauch hielt vor innigem Lachen. Überhaupt hatten die beiden Gesellen, vorzüglich aber Reinhold, sich ganz in Martins Gunst festgenistet, und wohl konnte man bemerken, dass Rosa auch manchen Vorwand suchte, um öfter uns länger in der Werkstatt zu verweilen, als sonst wohl geschehen sein mochte.

Eines Tages trat Herr Martin ganz nachdenklich in seine offne Werkstatt vor dem Tore hinein, wo Sommer über gearbeitet wurde. Eben setzten Reinhold und Friedrich ein kleines Fass auf. Da stellte sich Meister Martin vor sie hin mit übereinander geschlagenen Armen und sprach:»ich kann euch gar nicht sagen, ihr lieben Gesellen, wie sehr ich mit euch zufrieden bin, aber nun komme ich doch in große Verlegenheit. Vom Rhein her schreiben sie, dass das heurige Jahr, was den Weinbau betrifft, gesegneter sein werde, als je eins gewesen. Ein weiser Mann hat gesagt, der Komet, der am Himmel heraufgezogen, befruchtete mit seinen wunderbares Strahlen die Erde, so dass sie auch den tiefsten Schächten alle Glut, die die edlen Metalle koch, herausströmen und ausdunsten werde in die durstigen Reben, die in üppigem Gedeihen Traub“ auf Traube hervor arbeiten und das flüssige Feuer, von dem sie getränkt, hinein sprudeln würden in das Gewächs. Erst nach beinah dreihundert Jahren werde solch günstige Konstellation wieder eintreten. - Da wird“s nun Arbeit geben die Hülle und Fülle. Und dazu kommt noch, dass der hochwürdige Bischof von Bamberg an mich geschrieben und ein großes Fass bei mir bestellt hat. Damit können wir nicht fertig werden, und es tut Not, dass ich mich noch nach einem tüchtigen Gesellen umschaue. Nun möchte ich aber auch nicht gleich diesen oder jenen von der Straße unter uns aufnehmen, und doch brennt mir das Feuer auf den Nägeln. Wenn ihr einen wackern Gesellen irgendwo wisst, den ihr unter euch leiden möchtet, so sagt“s nur, ich schaff ihn her und sollt es mir auch ein gut Stück Geld kosten.«Kaum hatte Meister Martin dies gesprochen, als ein junger Mensch von hohem kräftigen Bau mit starker Stimme hinein rief:»He da! Ist das hier Meister Martins Werkstatt?«-»Freilich«, erwiderte Meister Martin, indem er auf den jungen Gesellen losschritt,»freilich ist sie das, aber Ihr braucht gar nicht so mörderlich hineinzuschreien und hineinzutappen, so kommt man nicht zu den Leuten.«-»Hahaha«, lachte der junge Gesell,»Ihr seid wohl Meister Martin selbst, denn so mit dem dicken Bauche, mit dem stattlichen Unterkinn, mit den blinzelnden Augen, mit der roten Nase, gerade so ist er mir beschrieben worden. Seid mir schön gegrüßt, Meister Martin.«-»nun, was wollt Ihr denn vom Meister Martin?«fragte dieser ganz unmutig.»Ich bin«, antwortete der junge Mensch,»ich bin ein Küpergesell und wollte nur fragen, ob ich bei Euch in Arbeit kommen könnte.«Meister Martin trat vor Verwunderung, dass gerade in dem Augenblick, als er gesonnen war, einen Gesellen zu suchen, sich einer meldete, ein paar Schritte zurück und maß den jungen Menschen von Kopf bis zum Fuße. Der schaute ihn aber keck an mit blitzenden Augen. Als nun Meister Martin die breite Brust, den starken Gliederbaum, die kräftigen Fäuste des jungen Menschen bemerkte, dachte er bei sich selbst:»Gerade solch einen tüchtigen Kerl brauche ich ja«, und fragte ihn sogleich nach den Handwerkszeugnissen.»Die hab ich nicht zur Hand«, erwiderte der junge Mensch,»aber ich werde sie beschaffen in kurzer Zeit und geb Euch jetzt mein Ehrenwort, dass ich treu und redlich arbeiten will, das muss Euch genügen.«Und damit, ohne Meister Martins Antwort abzuwarten, schritt der junge Gesell zur Werkstatt hinein, warf Barett und Reisebündel ab, zog das Wams herunter, band das Schurzfell vor und sprach:»Sagt nur gleich an, Meister Martin, was ich jetzt arbeiten soll.«Meister Martin, ganz verdutzt über des fremden Jünglings keckes Betragen, musste sich einen Augenblick besinnen, dann sprach er:»Nun, Geselle, beweiset einmal gleich, dass Ihr ein tüchtiger Küper seid, nehmt den Gargelkamm zur Hand und fertigt an dem Fass, das dort auf dem Endstuhl liegt, die Kröse.«Der fremde Gesell vollführte das, was ihm geheißen, mit besonderer Stärke, Schnelle und Geschicklichkeit und rief dann, indem er hell auflachte:»Nun, Meister Martin, zweifelt Ihr noch daran, dass ich ein tüchtiger Küper bin? - Aber«, fuhr er fort, indem er, in der Werkstatt auf und ab gehend, mit den Blicken Handwerkszeug und Holzvorrat musterte,»aber habt Ihr auch tüchtiges Gerät, und - was ist denn das für ein Schlägelchen dort, damit spielen wohl Eure Kinder? - und das Lenkbeilchen, hei! Das ist wohl für die Lehrburschen?«- Und damit schwang er den großen schweren Schlägel, den Reinhold gar nicht regieren konnte und mit dem Friedrich nur mühsam hantierte, das wuchtige Lenkbeil, mit dem Meister Martin selbst arbeitet, hoch in den Lüften. Dann rollte er ein paar große Fässer wie leichte Bälle beiseite und ergriff eine von den dicken, noch nicht ausgearbeiteten Dauben.»Ei«, rief er,»ei, Meister, das ist gutes Eichenstabholz, das muss springen wie Glas!«Und damit schlug er die Daube gegen den Schleifstein, dass sie mit lautem Schall glatt ab in zwei Stücke zerbrach.»O wollt Ihr doch«, sprach Meister Martin,»wollt Ihr doch, lieber Gesell, nicht etwa jenes zweifudrige Fass heraus schmeißen oder gar die ganze Werkstatt zusammen schlagen. Zum Schlägel könnt Ihr ja den Balken dort brauchen, und damit Ihr auch ein Lenkbeil nach Eurem Sinn bekommt, will ich Wuch das drei Ellen lange Rolandsschwert vom Rathause herunter holen.«-»Das wär mir nun eben recht«, rief der junge Mensch, indem ihm die Augen funkelten, aber sogleich schlug er den Blick nieder und sprach mit gesenkter Stimme:»Ich dachte nur, lieber Meister, dass Ihr zu Eurer großen Arbeit recht starke Gesellen nötig hättet, und da bin ich wohl mit meiner Leibeskraft etwas zu vorlaut, zu prahlerisch gewesen, Nehmt mich aber immerhin in Arbeit, ich will wacker schaffen, was Ihr von mir begehrt.«Meister Martin sah dem Jüngling ins Gesicht und musste sich gestehen, dass ihm wohl nie edlere und dabei grundehrlichere Züge vorgekommen. Ja, es war ihm, als rege sich bei dem Anblick des Jünglings die dunkle Erinnerung irgendeines Mannes auf, den er schon seit langer Zeit geliebt und hochverehrt, doch konnte er diese Erinnerung nicht ins klare bringen, wiewohl er deshalb des Jünglings Verlangen auf der Stelle erfüllte und ihm nur aufgab, sich nächstens durch glaubhafte Atteste zum Handwerk gehörig auszuweisen. Reinhold und Friedrich waren indessen mit dem Aufsetzen des Fasses fertig geworden und trieben nun die ersten Bände auf. Dabei pflegten sie immer ein Lied anzustimmen und taten es nun auch, indem sie ein feines Lied in der Stieglitzweis Adam Puschmanns begannen. Da schrie aber Konrad (so war der neue Gesell geheißen) von der Fügbank, an die ihn Meister Martin gestellt, herüber:»Ei, was ist denn das für ein Quinkelieren? Kommt es mir doch vor, als wenn die Mäuse pfeifen hier in der Werkstatt. Wollt ihr was singen, so singt so, dass es einem das Herz erfischt und Lust macht zur Arbeit. Solches mag ich auch wohl bisweilen tun.«Und damit begann er ein tolles Jagdlied mit Halloh und Hussah! Und dabei ahmte er das Gebell der Hundekoppeln, die gellenden Rufe der Jäger mit solch durchdringender, schmetternder Stimme nach, dass die großen Fässer widerklangen und die ganze Werkstatt erdröhnte. Meister Martin verhielt sich mit beiden Händen die Ohren, und der Frau Marthe (Valentins Witwe) Knaben, die in der Werkstatt spielten, verkrochen sich furchtsam unters Stabholz. In dem Augenblick trat Rosa hinein, verwundert, erschrocken über das fürchterliche Geschrei, was gar nicht Singen zu nennen. Sowie Konrad Rosa gewahrte, schwieg er augenblicklich, stand von der Fügbank auf und nahte sich ihr, sie mit dem edelsten Anstande grüßend. Dann sprach er mit sanfter Stimme, leuchtendes Feuer in den hellen braunen Augen:»Mein holdes Fräulein, welch ein süßer Rosenschimmer ging denn auf in dieser schlechten Arbeitshütte, als Ihr eintratet, o wäre ich Euer doch nur früher ansichtig geworden, nicht Eure zarten Ohren hätt ich beleidigt mit meinem wilden Jagdliede! - Oh«(so rief er, sich Meister Martin und den andern Gesellen wendend),»oh, hört dich nur auf mit euerm abscheulichen Geklapper! - Solange euch das liebe Fräulein ihres Anblicks würdigt, mögen Schlägel und Treiber ruhn. Nur

ihre süße -Stimme wollen wir hören und mit gebeugtem Haupte erlauschen, was sie gebietet und demütigen Knechten.«Reinhold und Friedrich schauten sich ganz verwundert an, aber Meister Martin lachte hell auf und rief:»Nun, Konrad! - nun ist“s klar, dass Ihr der allernärrischste Kauz seid, der jemals ein Schurzfell vorgebunden. Erst kommt Ihr her und wollt mir wie ein ungeschlachter Riese alles zerschmeißen, dann brüllt Ihr dermaßen, dass uns allen die Ohren gellen, und zum würdigen Schluss aller Tollheit seht Ihr mein Töchterlein Rosa für ein Edelfäulein an und gebärdet Euch wie ein verliebter Junker!«-»Eure holde Tochter«, erwiderte Konrad gelassen,»Eure holde Tochter kenne ich gar wohl, lieber Meister Martin, aber ich sage Euch, dass sie das hochherrlichste Fräulein ist, das auf Erden wandelt, und mag der Himmel verleihen, dass sie den edelsten Junker würdige, in treuer, ritterlicher Liebe ihr Paladin zu sein.«Meister Martin hielt sich die Seiten, er wollte ersticken, bis er dem Lachen Luft gab durch Krächzen und Hüsteln. Kaum der Sprache mächtig, stotterte er dann:»Gut - sehr gut, mein allerliebster Junge, magst du meine Rosa immerhin für ein hochadlig Fräulein halten, ich gönn es dir - aber dem unbeschadet - sei so gut und gehe fein zurück an deine Fügbank!«Konrad blieb eingewurzelt mit niedergeschlagen Blick, rieb sich die Stirn, sprach leise:»Es ist ja wahr«, und tat dann, wie ihm geheißen. Rosa setzte sich, wie sie immer in der Werkstatt zu tun pflegte, auf ein klein Fässlein, das Reinhold sorglich abgestäubt und Friedrich herbeigeschoben hatte. Beide fingen, Meister Martin gebot es ihnen, nun aufs neue das schöne Lied an, in dem sie der wilde Konrad unterbrochen, der nun, still und ganz in sich versunken, an der Fügbank fortarbeitete.