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Psychologisch gesehen, schien die Kolonie wunderbar ausgeglichen. Die Männer, die die Kolonisten ausgewählt hatten, schienen die richtige Wahl getroffen zu haben. Die elfhundert Bewohner der UN-Kuppel waren kräftige, geistig und körperlich gesunde Menschen, wie man sie nur selten an einem Ort versammelt sah.

Die Entwicklung der Kolonie entsprach also vollauf den Erwartungen, die man gehegt hatte.

Aherne war gerade zu einem Entschluß gekommen, wie sein Bericht ausfallen würde, als Echavarra ihm zum zweitenmal seinen Besuch abstattete.

* * *

Der kleine Peruaner erschien unerwartet am frühen Morgen. Aherne hatte eine Stunde der Muße dazu benutzt, sich in den Roman eines Kolonisten zu vertiefen. Überrascht blickte er auf, als Echavarra eintrat.

»Hallo, Aherne!«

»Echavarra! Wie sind Sie an dem Posten an der Luftschleuse vorbeigekommen?«

Der Genetiker zuckte die Achseln. »Soviel ich weiß, gibt es kein Gesetz, das mir verbietet hierherzukommen. Ich habe dem Posten gesagt, daß ich mich über Funk beschweren würde, wenn er mich zurückwiese. Das brachte ihn in Verlegenheit. Was konnte er tun, als mich durchzulassen?«

»Schön, Sie sind also hier«, sagte Aherne. »Was wollen Sie?«

Echavarra setzte sich auf die Bettkante und verschränkte die Hände. »Erinnern Sie sich an unsere damalige Unterhaltung?«

»Sicher«, nickte Aherne. »Warum?«

»Verharren Sie immer noch bei Ihrer früheren Meinung?«

»Falls Ihre Frage bedeuten soll, ob ich dem Bewilligungsausschuß Ihre Kolonie statt der Carters empfehlen werde, so lautet meine Antwort — nein.«

Echavarra legte die Stirn in Falten. »Also immer noch für die andern eingenommen? Hat diese kleine Kolonie Sie derart beeindruckt?«

»Allerdings«, erwiderte Aherne. »Sie hat mich tief beeindruckt.«

Der kleine Mann schüttelte den Kopf. »Sie begreifen noch immer nicht. Diese Leute hier sind nur Gäste auf dem Mars. Sie sind geduldete Besucher, solange ihre Kuppel existiert. Aber sie werden immer Außenseiter bleiben, die von einer künstlichen Atmosphäre abhängen.«

»Ich habe Ihnen gesagt, daß ich über diese Frage nicht diskutieren will«, erwiderte Aherne. »Diese Menschen haben eine wahrhaft wunderbare Organisation geschaffen. Können Sie das von Ihren Männern, die die Höhenluft der Anden gewohnt sind, behaupten?«

»Nein«, sagte Echavarra. »Noch nicht. Aber eines Tages werden wir die Marsluft atmen können. Die gesellschaftliche Organisation kann warten, bis wir das physische Handicap überwunden haben.«

»Ich kann Ihnen nicht zustimmen. Ihre Männer sind an große Höhen und niedrigen Luftdruck gewöhnt — aber was für Menschen sind sie? Repräsentieren sie die Elite der Menschheit? Nein. Sie sind primitive, unwissende Menschen, die zufällig gewisse physische Vorteile aufweisen. Sie können mit ihnen nicht eine neue Welt bauen.«

»Sie können keine Welt mit Menschen bauen, die sich unter einer Kuppel verbergen müssen«, gab Echavarra zurück. »Aber ich sehe, daß ich mit Ihnen zu keiner Einigung komme. Darf ich trotzdem hoffen, daß Sie die Vereinten Nationen über mein Hiersein unterrichten und sie über den Erfolg meines Planes informieren werden?«

»Ich werde es tun«, sagte Aherne. »Allerdings mit dem entsprechenden Kommentar.«

Echavarra zog einen dicken Packen Papiere aus der Tasche und legte ihn aufs Bett. »Hier ist mein Bericht. Ich habe die Widerstandskraft meiner Männer gegen niedrigen Luftdruck analysiert und die Anpassungen erwähnt, die notwendig sein werden, um eine Rasse zu schaffen, die den Marsbedingungen gewachsen ist. Des weiteren sind die biochemischen Analysen von Muskelgewebe enthalten, die einer meiner Mitarbeiter vorgenommen hat. Er hat sich besonders mit dem Myoglobin beschäftigt, einer Art von Hämoglobin, das für den Sauerstoffverlust von Bedeutung ist — aber es hat wohl keinen Sinn, daß ich weiter ins Detail gehe. Wenn Sie es für sinnvoll halten, so leiten Sie diese Papiere an die in Frage kommenden Gruppen weiter.«

»Ich verspreche es Ihnen«, sagte Aherne. »Sehen Sie, Echavarra, ich habe nicht die Absicht, Ihnen gegenüber besonders grausam zu sein. Ich bin nicht hier, um darüber zu entscheiden, ob Ihrer Entwicklung der Vorzug zu geben ist. Darüber ist längst entschieden worden. Mein Auftrag war lediglich, mich vom Fortschritt der Carter-Kolonie zu überzeugen. Das habe ich getan. Und ich bin zufrieden.«

»Dann wird Ihr Bericht also positiv ausfallen?«

»Ja«, sagte Aherne. Es war das erste Mal, daß er seinen Entschluß laut verkündete, und er war noch nie so sicher gewesen, sich auf dem rechten Weg zu befinden.

»Also gut«, sagte Echavarra kurz. »Ich werde keinen Versuch mehr machen, Sie zu überreden.«

»Es wäre sinnlos«, sagte Aherne. Er fühlte echte Sympathie für Echavarra, konnte aber nichts für ihn tun, wie die Dinge standen. Carters Kolonie verdiente es, unterstützt zu werden. Selbst angesichts der Tatsache, daß sie wahrscheinlich besondere Vorbereitungen für die Besichtigung getroffen hatten, war das reibungslose Zusammenarbeiten von Menschen verschiedener Rassen noch immer eindrucksvoll genug.

Aherne nahm die Papiere Echavarras auf und legte sie zu einem sauberen Stapel zusammen. »Sie sind bei mir in guten Händen«, sagte er.

»Danke«, sagte der Peruaner kurz. Er musterte Ahernes Gesicht, dann verließ er den Raum.

* * *

Später am Tage verkündete Aherne seine Entscheidung öffentlich. In der kurzgefaßten, sich auf das Wesentliche beschränkenden Stellungnahme, die er Dr. Carter aushändigte, sprach er von der Genugtuung, die er bei der Überprüfung der Kolonie empfunden habe und von der Empfehlung an die Vollversammlung, die für das Weiterbestehen notwendigen Mittel auf unbeschränkte Zeit bereitzustellen.

Carter überflog den Text und blickte auf. »Danke«, sagte er schlicht.

»Sie brauchen mir nicht zu danken. Meine Empfehlung basiert auf der von Ihnen geleisteten harten Arbeit. Ihre Kolonie hat mich hundertprozentig überzeugt, Dr. Carter.«

»Es freut mich, das zu hören. Zu Anfang schienen Sie über das, was Sie sahen, im Zweifel zu sein.«

»Eine Pose, die Sie nicht erst zu nehmen brauchten.«

»Was ich auch nicht tat. Ich sah Ihnen an, daß die Besichtigung zu Ihrer Zufriedenheit ausfiel. Miß Greer berichtete mir, daß Sie zuweilen vor Begeisterung geradezu strahlten.«

»Stimmt«, nickte Aherne, dem es peinlich war, daß er seine Gefühle nicht besser hatte verbergen können. »Ich bin überzeugt, daß Sie auf dem richtigen Wege sind.«

»Ich werde dies der Kolonie ausführlich berichten«, sagte Carter. »Sie alle werden froh sein, daß unser Fortbestand für die nächste Zukunft gesichert ist.«

»Mein Auftrag ist erfüllt«, dachte Aherne. Nun, da der Druck der Entscheidung von ihm genommen war, konnte er mit gutem Gewissen auf die Erde zurückkehren.

Er setzte sich an seinen Schreibtisch und machte sich Notizen über alle Punkte, die in seinem endgültigen Bericht Beachtung finden mußten. Er begann damit, daß er das Leben in der Kolonie in großen Zügen schilderte.

Nach zwei Sätzen hielt er verwirrt inne. Echavarras heisere Worte klangen ihm wieder in den Ohren. Sie schienen sich über ihn lustig zu machen und ihn zum Narren zu stempeln. ›Diese Leute hier sind nur Gäste auf dem Mars. Sie werden immer Außenseiter bleiben, die von einer künstlichen Atmosphäre abhängen.‹

Die scharfe Stimme des Peruaners ließ Ahernes Schläfen pochen, sie ließ sich nicht beiseite schieben. Nachdenklich starrte er auf seinen Kugelschreiber. Er fühlte, wie er unsicher wurde. Er stellte sich Echavarra vor, wie er jedes seiner Worte mit dem in die Luft — die künstliche Luft des Kuppelbaues — gestochenen Zeigefinger unterstrich.