Das zweite Bild zeigte eine Landschaft: himbeerrote Felsen, an die eine ebenso hellrote Flüssigkeit brandete die Wellenkämme waren grünlich. Über der himbeerfarbenen Flüssigkeit erhob sich eine riesige blaugelbe Leuchte. Ein Schauer überlief mich, so unheildrohend wirkte diese wilde Landschaft, ich begriff nicht gleich, daß es ein Planet des Flammenden B war. Den Felsen erklomm ein Galakt, umringt von geflügelten Bewohnern dieses Planeten, er überragte sie fast um das Doppelte. Der Galakt, meldete die Maschine, sei zwei Meter achtzig groß. Ein Raunen ging durch den Saal, der Galakt war einen halben Meter größer als ein erwachsener Mensch. Ich betrachtete ihn genauer und erkannte in ihm denselben, den wir im ersten Bild gesehen hatten. Kr hielt Umschau, die eine Hand zum Schutz gegen die aufwärts kletternde Leuchte über die Augen gelegt, mit der ändern klopfte er den sich schnatternd an ihn drängenden vier- und zweiflügeligen Wichten auf die Schultern.
Hinter dem Felsen kam ein zweiter Galakt hervor, ein Greis mit grauem Bart. Kr stieg zu dem ersten hinauf. Beide trugen Gewänder, die den antiken menschlichen glichen hellgrüne wallende Umhänge.
»Was gibt es Neues?« fragte der Alte, und ich war erstaunt, daß er wie wir sprach, in der internationalen Sprache. Dann fiel mir ein, daß die Große Akademische Maschine die Traumgesichte der Engel in unser Idiom übersetzt hatte.
»Kein Verderber, antwortete der Jüngere… Von Zerstörern keine Spur.«
»Die Zerstörer sind schlau«, sagte der Alte. »Sie erscheinen stets unverhofft. Laß uns vorsichtig sein.«
Schweigend blickten sie auf das rote Meer. Das Bild trübte sich.
»Aufgezeichnet auf dem vierten Planeten des Flammenden B«, teilte die Große Akademische Maschine mit. »Die folgende Aufzeichnung stammt vom achten Planeten desselben Systems.«
Auch dieses Bild begann mit einer Landschaft, doch die Umgebung war grau, fast schwarz eine einförmige, hüglige Ebene, trübe Sterne am dunklen Himmel. Ein zigarrenförmiges Schiff senkte sich auf die Planetenoberfläche, wobei es Bündel grünlichen Lichts warf.
»Ein kosmisches Photonenschiff«, teilte die Große Akademische Maschine mit. »ungefähr die gleiche Konstruktion, wie sie von unseren Vorfahren vor vierhundert Jahren erarbeitet wurde.«
»Die erste Stufe der kosmischen Technik«, murmelte Allan. »Ziemlich rar hei Himmelspilgern.«
Im nächsten Bild lag das Photonenschiff auf dem Boden, ringsherum hantierten Galakien und Engel.
Die Galakten hielten Kästen in den Händen, die altertümlichen Schweißapparaten glichen, Strahlen und Funken schössen daraus hervor. Auf einem Hügel in der Nähe ragte ein Turm mit rotierendem Scheinwerfer, der unablässig den Himmel absuchte.
Aus dem Bugteil des Schiffes schnellte eine kleine Rakete und entschwand in den dunklen Himmel.
Die Galakten waren unruhig. Sie mißtrauten dem rotierenden Auge auf dem Turm, warfen mitunter ihre Arbeit plötzlich hin und spähten selber nach den Sternen, die vor dem schwarzen Hintergrund matt blinkten. Die Galakten bewegten sich flink, arbeiteten hastigoffenbar waren sie in Eile.
Als auch dieses Bild erloschen war, wurden Aufzeichnungen vorgeführt, die vom neunten, äußeren Planeten übermittelt worden waren. Sie zeigten weder Menschen noch Gegenstände, sondern Nebelschwaden, geheiligten Staub, der bald den ganzen Raumbildschirm füllte. In diesem Staub wuchsen zwei sich nähernde, spärlich glitzernde Kugeln auf Ihr Nahen glich einer Verfolgung: Die rechte Kugel schwenkte zum Rande des Bildschirms ab, die linke ereilte sie. Gleich darauf ergoß sich blaues Licht über den Raum, schäumte auf und verschlang beide Kugeln. Ich hatte den Eindruck, als wären die Kugeln beim Zusammenprall explodiert und würden von der Flamme verschlungen. Die Große Akademische Maschine bestätigte, daß hier vom Zusammenprall zweier bislang nicht enträtselter Himmelskörper geträumt worden sei. Zum Schluß verwandelte sich die fahl gewordene blaue Flamme in eine flimmernde Staubwolke.
»Vermutlich eine kosmische Katastrophe«, teilte die Maschine mit.
Allan wiegte ungläubig den Kopf. »Kaum«, sagte er. »Jedenfalls hat das Ding da wenig Ähnlichkeit mit unseren Methoden zur Annihilation von Materie.«
Das sechste kosmische Bild, das auf dem Raumbildschirm aufleuchtete, erinnerte nicht mehr an eine Explosion. Es war die Darstellung eines Sternhaufens. Die Große Akademische Maschine erklärte, der Sternhaufen sei nicht identifiziert worden, doch in den Träumen der geflügelten Bewohner des neunten Planeten erscheine er oft. Der Haufen wirkte bedrohlich auf mich. Er bestand aus fast gleichen Hälften mit vielen tausend Sternen. Sonderbar war, daß die eine Hälfte konzentrierter schien, einer geballten Sternenfaust ähnelte, die voller Wucht in das zweite Häuflein geschlagen hatte, das auseinandergestoben und in Hunderte von isolierten Sternen zerfallen war. André behauptete später, er habe die Sterne der zweiten Hälfte nach dem brutalen Schlag der Sternenfaust jammern gehört. Ich weiß, daß Lichtschreie wahrzunehmen sind, doch ich hatte das Sternengeschrei nicht vernommen.
»Die letzte Aufzeichnung«, teilte die Maschine mit. »Der vierte, der siebente und der neunte Planet. Diesen Traum haben viele Geflügelte. Gezeigt wird das deutlichste Beispiel.«
Von allen Bildern, die wir im Saal der Großen Akademischen Maschine gesehen hatten, war dies das dramatischste. Ein Galakt stürzte wie gefällt zu Boden, der Traum setzte im Augenblick seines Sturzes ein. Dann schlug er, schon liegend, verzweifelt mit den Beinen und wühlte mit seinen wendigen Fingern die Erde auf. Er hob den Kopf und versuchte zu kriechen kroch auf uns zu. An seinem Hals klaffte eine Wunde. Blut schoß auf seine Arme.
Niemals werde ich sein Gesicht vergessen – ein junges, schönes, schreck- und leidverzerrtes Gesicht. Auch ohne die Übersetzung der Maschine verstand ihn jeder von uns. »Hilfe!« schrie der Galakt voller Entsetzen. »Was ist mit mir? Um Gottes willen, helft!« Dann verstummte er, streckte uns mit letzter Anstrengung die Hände hin, seine Wangen wurden bleich, allein die unmenschlich großen, strahlenden Augen flehten weiter und forderten Hilfe vom Tode gezeichnet, schloß der Jüngling die Augen und zuckte nur schwach, als wollte er so die Fesseln des Todes sprengen. Bewegung ging durch den Saal die Zuschauer hatten sekundenlang den Atem angehalten »Weiß der Teufel, was das bedeutet! » schimpfte der blasse André. »Doch, der Teufel müßte das wissen!«
»Rache!« brüllte Leonid außer sich. Er packte meinen Arm und starrte mich mit zornweißen Augen an. »Rache, Eli!«
Allein Romero verlor die Ruhe nicht.
»Wen rächen? Weshalb? Seid ihr sicher, daß hier ein Verbrechen vorliegt und kein Unglücksfall? Vielleicht haben wir ein Ereignis beobachtet, das sich vor Millionen Jahren zugetragen hat.«
Erneut begann die Große Akademische Maschine zu sprechen, ihrem Namen machte sie alle Ehre.
Sie beschrieb und demonstrierte die Apparatur, mit der sich Träume aufzeichnen lassen, schätzte die Glaubwürdigkeit der entschlüsselten Bilder ein. Es erwies sich, daß die geflügelten Bewohner des Flammenden B vieles von dem, was ihnen in ihren Träumen erschien, nicht erklären konnten. Zum Beispiel hatten sie keine Ahnung von Photonenraketen und Schweißapparaten. Einstmals empfangene starke Eindrücke würden den Nachkommen durch den Vererbungsmechanismus übermittelt, erläuterte die Maschine, dann erzählte sie uns Märchen von Galakten und Verderbern, die auf den Planeten des Flammenden B im Schwange waren.
Nur bei den Engeln dieses Planetensystems waren Überlieferungen über Ankömmlinge aus dem Kosmos entdeckt worden. Sie besagten folgendes:
In alten Zeiten waren ihre Planeten finster und unkultiviert, raubgierige Reptilien krochen umher durch die Luft flogen bisweilen scheue Engel. Blutige Fehden zerfleischten die gefiederten Völker. Die karge Natur brachte wenig hervor, jeder Bissen ging etwa hundertmal von Flügel zu Flügel, von Kralle zu Kralle, ehe er in einen Mund gelangte. So lebten sie unzählige Jahre, und nichts änderte sich.